Fangen wir einfach nochmal von vorn an

Für unsere Autorin endet ein Kurztripp an die Seine erstmal in der Werkstatt statt in der Chanel Boutique. Im Grand Colbert findet sie aber zum Glück wieder in die Spur zurück.

Da musste ich 50 Jahre alt werden, um herauszufinden, wie man aus einem vergeigten Tag doch noch einen ganz großen macht. Die Zutaten, die man dafür baucht? Erstens: Menschen, die es gut mit dir meinen. Zweitens: ein kleines Feuerwerk. Drittens: Le Grand Colbert, filmreifer Schauplatz so vieler kleiner Dramen. Es war der zweite und letzte Abend unseres Paris-Tripps, als meine norddeutsche Großfamilie plötzlich aus einer Torte sprang, nur um mich zu überraschen, mich zu umarmen und mit mir Geburtstag zu feiern, ganz einfach, weil es Spaß macht und man doch, verdammt nochmal,  mitmachen muss, wenn das Leben ruft. Wir aßen Austern und Brathähnchen, tranken Cremant und Pastis, alle redeten durcheinander. Ich bekam das Buch „Love Letters Of Great Men“ und so viel Applaus wie eine Operndiva geschenkt. Es war ein Abend, in dem so viel Leben in meinem Leben war, dass ich für einen Augenblick vergaß, wie erschöpft und negativ ich eigentlich war nach unserer Ankunft in Paris. Aber ich kenne einen guten Trick, wie man in Nullkommanichts zurück in die Spur kommt. Irgendwann an diesem Abend schloss ich für eine Sekunde die Augen und dachte nur: Alors, fangen wir einfach nochmal von vorn an.

Einen Tag zuvor war ich noch ein in Isabel Marant gehülltes Wrack. Ich fühlte mich leer und abgekämpft nach einer Nacht ohne Schlaf und neun Stunden Autofahrt zu fünft im Yeti, ich korrigiere: die letzten vier davon in einem defekten Yeti. Nie ganz sicher, wann es meine Karre mitten auf der Autoroute de l’Est zerlegen würde. Ab Tempo 70 heulte der Motor plötzlich auf wie ein alter, müder Wolf, und ich kapierte gleich, dass die Reise wohl ab jetzt Richtung Werkstatt statt Chanel-Boutique gehen würde. Während der gesamten Fahrt betete ich, dass ich es bitte (bitte, bitte!) heil durch den Pariser Verkehr schaffen