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Fokusthema

Design-Beispiele von Farmscrapern. Bild: Cjacobs627 in der Wikipedia (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)auf Englisch, CC BY-SA 3.0

Landwirtschaft im Hochhaus - die Zukunft?

In Folge 9-22 sind Kyara, Dari und Ezpe in einem vertikalen Farmhaus unterwegs und suchen sich bei einem Spaziergang durch die Gänge exotisches Obst aus. Aber könnte so wirklich die Versorgung der Zukunft aussehen? Ich würde sagen: Jain.

Es geht um sogenannte Farmscraper: Also Hochhäuser, in denen man auf mehreren übereinander gelagerten Ebenen das ganze Jahr Früchte, Gemüse, essbare Speisepilze und Algen erzeugen kann. Möglich macht das eine Kreislaufwirtschaft mit Hydrokulturen (einer Technik, bei der Pflanzen nicht im Erdreich, sondern im Wasser - mit oder ohne Stütztsubstrat - wurzeln). 

Die ursprüngliche Idee von Farmscrapers stammt von Dickson Despommier, Professor für Umweltgesundheit und Mikrobiologie an der Columbia University in New York City,  der zusammen mit seinen Studenten 1999 die ersten Gedanken zur vertikalen Landwirtschaft entwickelte. Die vertikale Anordnung dient dazu, Platz zu sparen. Im Jahr 2001 waren dann die ersten Planskizzen dieses Vorhabens ausgereift und heute arbeiten weltweit Wissenschaftler interdisziplinär an einer Weiterentwicklung dieses Projektes.

Tilapia-Buntbarsche im Gewächshaus der US-Firma Growing Power, Bild: Wikipedia, CC BY-SA 2.0 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Andere Formen solcher städtischer Landwirtschaft werden seit 1993 u. a. von der US-Organisation Growing Power betrieben. Eine Sonderform ist „Aquaponics“, also ein symbiotisches Kreislaufsystem zwischen Pflanzen und Fischen. Bakterien in einem Kiesbett schließen dabei das Ammoniak der Fischausscheidungen in Nitrat und andere Stickstoffverbindungen auf. Zudem sorgen Wasserlinsengewächse für eine zusätzliche biologische Reinigung. Mit dem aufbereiteten Wasser lassen sich dann Salat und Tomaten bewässern und das überschüssige Wasser gelangt wieder zurück in den Fischtank. Ein ähnliches System nutzt auch Marc, den ich im aktuellen Newsletter (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)mit seinem "Aquadome" porträtiert habe.

Technisch ist das alles längst möglich. Sensorik kann beim vertical farming auch eine wichtige Rolle spielen: Bewässerung, Nährstoffaufnahme jeder Pflanze, Pflanzenkrankheiten, Erntezeitpunkt und sogar Aromenzusammensetzungen kann man so technologisch messen und überwachen.

Zwei aktuelle kommerzielle Unternehmen, die so eine Form der Kreislaufwirtschaft nutzen, sind zum Beispiel Crop One (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) in Dubai, die damit werben, ihre Pflanzen herbizid-, fungizid- und pestizidfrei anzubauen, und Infarm (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), ein Start-Up aus Berlin, das sich mit seinen Kräuter-Farmen seit 2013 zum Ziel gesetzt hat, Produktions-Umgebungen zu schaffen, in der Wachstumsprozesse der Natur so genau wie möglich reproduziert werden - ohne lange Lieferwege. Mittlerweile nutzen Restaurants, Supermarktketten und Lagerhäuser ihre Produkte.

Stadtgraben von Andernach. Bild: Frank Vincentz, Wikipedia CC BY-SA 3.0 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) 

Gute Sache, oder? Diese Art von landwirtschaftlicher Erzeugung hat verglichen mit dem, was wir aktuell haben, große Vorteile: Energiekosten für den Transport von den Erzeugern bis zu den Konsumenten kann man so reduzieren. Außerdem entsteht durch die Kreislaufwirtschaft weniger atmosphärisches Kohlendioxid. Allerdings, so bemängeln Kritiker, hat man natürlich auch Mehrkosten für die künstliche Beleuchtung und andere operative Arbeiten, die den Nutzeneffekt wieder zunichte machen würden. Und dieses Maß an Überwachung natürlicher Prozesse erscheint mir schnell wieder ein Ungleichgewicht und unnötige Abhängigkeit von Technik zu erzeugen, wenn man bedenkt, dass sich gesunde Nahrungsmittel in Bioqualität etwa durch Permakultur auch ohne solchen technischen Aufwand erzeugen lassen.

Sehen also so unsere Essenslieferanten von Morgen wirklich so aus? JAIN! Ich vermute, dass wir, wenn es im Gesamten nachhaltig sein soll, auch die Nahrungsmittelversorgung demokratisieren müssen - ebenso wie die Energiewende nur dezentralisiert funktionieren kann, indem einzelne Einheiten unabhängiger voneinander werden. (Schon jetzt gibt es wegen der   Unsicherheiten auf dem Energiemarkt viel mehr Nachfrage für Solarpanele auf dem eigenen Dach). Sollten wir uns daher bei der Erzeugung unserer Nahrungsmittel wirklich auf einige große Produzenten von Nahrungsmitteln mit hohem Strom- und Datenverbrauch verlassen? Ich würde sagen: nicht nur! Farmscraper wird es geben, sie werden ihre Berechtigung haben, aber eben neben vielen kleinteiligeren Produzenten wie Höfen mit solidarischer Landwirtschaft, Aquadomes in Gärten und Straßen, städtischen Anbauflächen wie z.B.  jetzt schon in der essbaren Stadt (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)Andernach (siehe Foto oben. Ein Besuch ist sehr empfehlenswert!). Eine Aufgabe der nächsten Jahre wird es also sein, auch bei der Nahrungsmittelerzeugung zu lernen, dezentralisierter und in kleineren Dimensionen zu denken - und sich zusätzlich HighTech zu gönnen für das, was sich damit nicht abdecken lässt.

Quellen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Vertikale_Landwirtschaft (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

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