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Wie ”Anti-Woke”-Gesetze die Lehre an der Uni beeinflussen: Eine Professorin aus Florida stellt sich quer.

Von Klaus Martin Höfer

Martha Schoolman ist als Literaturwissenschaftlerin auf African-American Studies spezialisiert und lehrt an der Florida International Universtiy in Miama. Sie befürchtet, dass Vorhaben der konservativen Regierung Lehre und Forschung stark einengen werden – und dass viele ihrer Kollegen sich bereits vorauseilend selbst zensieren. 

Martha Schoolman ist Literaturwissenschaftlerin. Ihre akademische Karriere ist nicht ungewöhnlich verlaufen: Promotion an der University of  Pennsylvania, eine erste Uni-Stelle in Oxford, Ohio, dann die Florida International University in Miami. Die FIU ist eine staatliche Hochschule und eine der größten Forschungsuniversitäten der USA. Rund 55 000 Studierende sind dort eingeschrieben; viele von ihnen sind Migranten in zweiter oder dritter Generation, haben Wurzeln in der Karibik oder in Lateinamerika. Dreiviertel von Martha Schoolmans Studierenden sind

Hispanics, viele, die Spanisch zuhause sprechen. Und "viele Familien, die sich als Flüchtlinge vor dem Kommunismus bezeichnen," sagt Martha Schoolman.

Martha Schoolman

Anti-Kommunisten, die nicht wollten, das man mit ihren Kindern über Karl Marx spreche, aber die aus Ländern kämen, in denen Menschen wegen ihrer politischen Gedanken im Gefängnis saßen – ein herausfordernde Situation, der sich Martha Schoolman gerne stelle, gibt sie zu verstehen. Miami, der Süden Floridas, die internationale Atmosphäre – die gebürtige New Yorkerin mag die Region, seit ihre Eltern mir ihr dorthin gezogen waren, als sie 16 Jahre alt war, und in der sie auch gerne ihren Sohn aufwachsen sieht.

Martha Schoolman hat zu Themen wie Abolitionismus geforscht und veröffentlicht, ist auf die Literatur des 19. Jahrhunderts spezialisiert und beschäftigt sich mit Sozialreformen. "Woran ich forsche, ich möglicherweise der schlimmste Alptraum für rechtsgerichtete Parlamentarier", sagt sie. Es gehe dabei nicht nur um Beecher-Stowes "Onkel Toms Hütte", den Roman, der die Sklaverei in das Bewußtsein einer breiten, bürgerlichen Öffentlichkeit brachte, sondern auch um viele eher unbekannte Autoren, "Weiße, Schwarze, Native Americans", es gehe um gesellschaftlichen Wandel, Aktivistenbewegungen und wie Literatur dies spiegelt und ein Teil davon ist. "Offensichtlich ist einiges, was ich zu sagen habe, das, was Parlamentarier nicht an der Hochschule gesagt haben wollen", ist sie sich sicher. 

Der "stop woke act", we DeSantis ein Gesetz zur Regulierung von Bildungseinrichtungen bezeichnet hat, wurde 2022 verabschiedet. Die geplanten neuen Bestimmungen für die Hochschulen seien noch nicht in Kraft, weil ein Gericht noch nicht über Klagen dagegen entschieden habe. Deswegen könne sie immer noch ihren bisherigen Stoff unterrichten, erläutert Schoolman. Doch die Wirkung sei jetzt schon spürbar: Andere Hochschullehrer würde die Titel ihrer Seminare und auch den Inhalt ändern, um so weniger angreifbar zu sein, hat sie beobachtet. "Die Leute wollen keinen Ärger." 

Zum Beispiel würden sie die Namen etablierter Wissenschaftler der bei Konservativen unbeliebten "Critical Race Theory" nicht im Kurstitel erwähnen. Oder das "1619-Projekt" der New York Times, in dem die Geschichte der USA aus Sicht der Afro-Amerikaner und mit Blick auf die Auswirkungen der Sklaverei erzählt wird, würde erst einmal nicht auf der Medienliste eines Kurses stehen, um so nicht vorab Kritik zu provozieren. Es seien Kleinigkeiten. Lehrkräfte seien nicht mehr ganz so offen mit dem, was sie machten, um sich nicht angreifbar zu machen. "Auf der einen Seite ist dies Selbstschutz, auf der anderen Seite gibt man dadurch akademische Freiheiten auf", sagt Schoolman. 

Politisch besetzte Gremien versuchten, so viel wie möglich zu regulieren, was auf welcher Ebene des Bildungssystems in welchen Kursen thematisiert werde. "Sie wollen nicht, dass Schüler in der High School viel über Wahlrecht für Schwarze, über Bürgerrechte, über Black Live Matter  lernen. Es steht allerdings immer noch in den Büchern. Es ist zu diesem Zeitpunkt schwer zu sagen, wie es sich entwickelt."

Die Konservativen, auch die in den Bildungsausschüssen, denen DeSantis mehr Macht bei Entscheidungen über Personal und Programme der Hochschulen geben will, verlangten immer, dass "factual history" gelehrt würde. "Aber es gibt einen Ozean an Fakten, Ursachen, Folgen und Bedeutungen." Es gebe diese Phantasievorstellung, dass die Fakten übrig blieben, wenn man Interpretation oder Meinung außer acht ließe, mahnt sie. 

Was in den entsprechenden DeSantis-Gesetzen steht, erinnert an die "Konsens"-Theorie von Historikern aus den 1950er Jahren: Sie interpretierten die USA in ihrer Entwicklung als beispiellos, sahen eine dominierende weiße und christliche Mehrheitsgesellschaft als Hüter "amerikanischer Werte" und des Zusammenhaltes in der Gesellschaft. Wer anderes unterrichte, "spalte" die Gesellschaft, so der Vorwurf an Wissenschaftlerinnen wie Schoolman, die die US-Geschichte eher als eine von Konflikten und Interessen wahrnehmen. "Wenn Sie US-Literatur und US-Geschichte studieren, und wollten etwas haben, das nicht kritisch ist, würden Sie gar nichts mehr haben", sagt Schoolman.

Sie wird im Gespräch ziemlich deutlich, wenn sie über populistische konservative Politiker spricht: "Ihr Ziel ist es, zu kontrollieren, wieviel Wissen zur Verfügung stehen soll, um die politische Meinung zu formen. Das ist faschistisch. Nicht nur etwas nicht haben dürfen, sondern etwas nicht wissen dürfen, ist ziemlich repressiv. Wir gewöhnen uns daran, beschränkten Zugang zu Wissen zu haben, was undemokratisch ist. Wir gewöhnen uns an die Idee, dass es bestimmte Personen gibt, die sich nicht in Büchern oder Themen, die im Seminar behandelt werden, wiederfinden sollen, dass es bestimmte Personen oder Erfahrungen gibt, die es nicht wert sind, dass wir etwas über sie wissen."

Studierende seien in einem Zwiespalt: Gerade im vielfältigen Südflorida erlebten sie  das, was sie an der Universität erführen als Gegensatz zu ihren persönlichen Erfahrungen zuhause: "Wenn sie hören, dass die USA weiß und anglo-amerikanisch und christlich sind, wenn niemand im Zimmer dies ist – wie sollen sie sich verhalten?" Auf der einen Seite wollten sie eine gute Note bekommen, um mit einem guten Abschluss eine vernünftige Arbeit annehmen zu können, auf der anderen Seite sei der Widerspruch zu den eigenen Lebenserfahrungen. 

Martha Schoolman: "Junge Leute werden ausgenutzt, als Teil eines rechten Experiments. Vielleicht ist es kurzfristig erfolgreich. Aber es ist eine Kriegserkläung an junge Menschen, bei der ich nicht mitmache."

Sujet Colleges & Universitäten

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