Ist Arbeiten für Adidas so peinlich wie ein Inlandsflug?
Der vollkommen subjektive Newsletter über Medien, Digitalgedöns und extrem viel Privatleben. Diesmal: Der Trend geht zum Purpose-Job. Aber eigentlich auch wieder nicht.
Kürzlich schrieb eine Gründerin aus Gen Z bei LinkedIn: "Ich habe eine 20-köpfige Agentur aufgebaut und wir arbeiten mit Kunden wie Ikea und Adidas". Good for her, dachte ich. Überrascht war ich aber schon. Eigentlich dachte ich, Gen Z fände Arbeiten für fette Konsum-Kings bereits scheiße – oder würde es zumindest so ungern zugeben wie einen Inlandsflug. Immerhin mache ich mir mit meinen Millenial-Peers darüber auch schon seit einigen Jahren so meine Gedanken.
Versteht mich nicht falsch. Hier geht es um eine ohnehin privilegierte Gruppe von Leuten, die zu Hause am Schreibtisch arbeiten darf und generell überhaupt eine Wahl hat. Für jene mit Wahl ist Arbeiten für fette Marken aber schon nicht mehr so geil wie 2011, oder? Mit meinem kurzen Intermezzo bei Axel Springer mit 20 Jahren kann ich heute jedenfalls aus guten Gründen nicht mehr groß punkten.
Ey, don't @ me. Mir ist klar, dass wir alle überleben müssen. Wer nicht schon für fragwürdige, gut bezahlende Ideen gearbeitet hat, werfe den ersten Stein (AUS PUREM GOLD). Aber finde nur ich, dass die LinkedIn-Bohème es sich durchaus leisten könnte, ein bisschen reflektiertere Takes zu posten, als das übliche leere Business-Gestammel? Mit der entsprechenden Begeisterung fürs eigene geglückte Projekt, aber eben auch den Fragen, die man sich unterwegs stellen musste? Wenn ich mir die überwiegend mit toten Augen getippten Posts bei LinkedIn mit Verstand angucke, geht es mit wenig Reflexion und viel Flexen aber noch munter weiter. Und das in Zeiten, in denen Authentizität zum so viel beschrienen Produkt geworden ist. Die echte Trendwende hin zum Purpose Job ohne Green- und Wokewashing kommt dann vermutlich in der nächsten Generation? Bin ich naiv? Ich glaube, ich bin naiv.
Ein bisschen cringen musste ich schon, als der rbb im Februar verkündete, sich diverser aufstellen zu wollen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Denn kurz zuvor hatte ich dort mit einer Freelance-Stelle geliebäugelt, die allerdings mit einem Bewerbungsformular aus der Hölle kam. Nationalität, Familienstand, Ausbildungsabschluss und natürlich ein Uploadfeld fürs Foto – Unconcious Bias, ick hör dir trapsen! Das Formular ist übrigens immernoch bei allen ausgeschriebenen Stellen default Standard.
Eigentlich bin ich derbe genervt von den Neuauflagen im TV. Wetten, dass...?!, TV Total, so lasst sie doch bitte in Frieden ruhen. Jetzt hat Prime Video die Neuauflage von Takeshi's Castle, der Mutter aller Action-Gameshows, für 2023 angekündigt und, verdammt, vielleicht hat die Nostalgiewelle mich jetzt doch.
Der Diskurs um die Ohrfeigen in Deutschland nimmt seltsame Züge an. Weil ein paar Tage vor Chris Rock auch Oliver Pocher überflüssigerweise eine Bombe kassierte, wird recht hurtig eine Kulturwende gefolgert. "Die Verschulhofisierung der Öffentlichkeit schreitet voran", schreibt Arno Frank bei SPON (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) – oder zwei extrem peinliche Aktionen an verschiedenen Enden der Welt sind zufällig in einer einzigen Woche passiert. Immerhin, der Diskurs regt auch das dringend notwendige Gespräch um toxische Männlichkeit und häusliche Gewalt wieder an.
Weil Meta es mega unfair findet, the Main Villain im Internet zu sein, bezahlte es eine PR-Agentur jetzt dafür (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), das Auge Saurons auf TikTok zu richten. Angeprangert wird TikToks schädliche Wirkung speziell auf Kinder. Neben Gastbeiträgen und Briefen besorgter Eltern wurden toxische Trends und Challenges gesammelt, die allerdings in Wirklichkeit bei Facebook selbst entstanden waren (lel). So peinlich die Aktion von Meta ist, regt sie doch zum Träumen an: Wenn schon Politik und Gesellschaft die sozialen Bestien nicht gebändigt bekommen, zerfleischen sie sich vielleicht irgendwann einfach gegenseitig? Plötzlich fühlt sich die Verschulhofisierung der Gesellschaft gar nicht mehr so scheiße an!
Das war die 6. Ausgabe des vollkommen subjektiven Newsletters über Medien, digitales Gedöns und extrem viel Privatleben. Abonniert und empfehlt HEISE SCHEISE (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) euren kleinen Freundinnen und Freunden! Und antwortet mir doch, wenn euch mal danach ist.