Ich war noch nie so lange verliebt
Zuhause, im Nahen Osten, geht es drunter und drüber. Wir sitzen im Flieger von Rhodos nach Berlin und ich könnte darüber kaum glücklicher sein.
Im August bin ich eh nicht gerne in Tel Aviv, die Luftfeuchtigkeit ist mir zu hoch, das Meer ist mir zu warm und die Aktivitäten, um die Kinder während der Sommerferien zu beschäftigen, sind mir zu teuer. Bei dem momentanen Balagan nach den gezielten Tötungen einiger Mega-Terroristen, bin ich aber ehrlich gesagt, umso froher, nicht in Tel Aviv sein zu müssen. Ich bin, wie sicher das ganze Land (die armen Geiselfamilien, Reservisten und Evakuierten natürlich nochmal ganz besonders) absolut kriegsmüde. Der ständige hohe Adrenalinspiegel, das konstante Wechselbad von „normalem Leben“ zu Ausnahmezustand, wow, ich bin davon wirklich sehr erschöpft.
Gottseidank haben wir jetzt mal eine Pause davon. Ich empfinde keinen Kriegsstolz. Ich erwähne oft, dass ich seit dem Libanonkrieg 2006 jeden Krieg in Israel miterlebt habe, aber ich sage das nicht aus einer merkwürdigen Geilheit heraus, zu zeigen, was ich schon alles krasses durch habe, sondern nur, damit Leute verstehen, dass ich schon sehr viel miterlebt habe und daraus meine Erkenntnisse ziehe. Die aktuelle Krise kriselt ohne mich und meine Kinder. Amit ist heute auch auf dem Weg nach Berlin. Der Vater meiner Kinder ist ebenfalls im Ausland. Ich erinnere mich nicht, wann ich das letzte Mal eine solche Sicherheit empfunden habe. Durch diese Sicherheit stellt sich eine gewisse innere Ruhe ein. Ich spürte sie ehrlich gesagt von Tag 1 auf Rhodos (vielleicht genügte es auch nur, meine Kinder in Sicherheit zu wähnen). Ich hatte wieder Geduld, weil ich durchatmen konnte.
Tag für Tag schwamm ich im Mittelmeer und jedes Mal ließ ich mich dabei auf dem Rücken im Wasser treiben. Meine Ohren unter Wasser. Und alles, was ich hörte, war Ruhe. Keine Alarme. Keine Booms. Kein Nachhören, was das für ein Geräusch war. Stattdessen ein völliges Vertrauen in den Moment. Nur ich, das Meer und meine Jungs. Dazwischen Gespräche mit meiner besten Freundin, die wir sonst am Telefon führten, an dem es sich immer so anfühlte, als hätten wir nicht genügend Zeit. Und plötzlich war da wieder Platz für andere Gedanken. Ich dachte über meine Kinder nach, wer sie sind und wer sie vor meinen Augen wurden. Welche Interessen sie hatten, worüber sie grübelten, wenn sie kurz vorm Einschlafen waren. Ich ließ plötzlich auch wieder viel mehr Platz für Zärtlichkeiten mit ihnen. Nicht nur das Festhalten bei Alarmen, oder wenn sie weinten, weil sie Angst vor den iranischen Raketen hatten, sondern Zärtlichkeiten, während wir einfach nur rumsaßen, wenn wir zueinander kamen, um zu kuscheln. Oder Händchen hielten auf dem Weg zum Pool. Ich dachte natürlich auch über das nach, was sie in den letzten Monaten erlebt haben und wie wichtig, als welchen Luxus ich es empfand, auch ihnen nun endlich eine Ruhepause zu verschaffen. Und ich dachte über die Liebe nach.
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