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Über das Leben mit ME/CFS - Ein Erfahrungsbericht von Lara

eingesprochen von Anna:

1. Stell dich gerne kurz vor. Wer bist du?

Ich heiße Lara, bin 16 Jahre alt und wohne in Nordrhein-Westfalen.

2. Was ist ME/CFS? Wofür stehen die Buchstaben und was sind Symptome von ME/CFS und ihre Auswirkungen (z.B. auf Deinen Alltag, Beruf, Leben) 

ME/CFS ist eine neuroimmunologische Multisystemerkrankung. Die Abkürzung steht für Myalgische Enzephalomyelitis/ Chronisches Fatigue Syndrom, wobei Chronisches Fatigue Syndrom ein sehr stigmatisiernder Name für diese stark einschränkende Krankheit ist, weshalb viele Betroffene lieber nur den Begriff ME verwenden.

Das Hauptsymptom, das ME von allen anderen Erkrankungen abgrenzt, ist PEM (Post-Exertionelle Malaise), auch "Crash" genannt. Ein "Crash" bedeutet eine massive Verschlechterung der Symptome, möglicherweise neue Beschwerden und einen rapiden Abfall des körperlichen und geistigen Leistungsniveaus. Die Erholung kann Wochen, Monate oder sogar Jahre dauern.

Die Auslöser sind individuell und je nach Schweregrad verschieden:

• Körperliche Aktivität, wie Sport, Stehen oder sogar den Kopf heben

• Kognitive Anstrengung, wie Lesen, Unterhaltungen oder Fernsehen

• Emotionen, wie Freude, Angst oder Trauer

• Reize, wie Licht, Geräusche oder Berührungen

Das führt dazu, dass oft selbst ein Krankenhausaufenthalt schädlich sein kann und zu einem massiven Crash führt.

Zur weiteren Symptomatik gehören zum Beispiel schwere Fatigue (krankhafte Erschöpfung), orthostatische Intoleranz, kognitive Störungen, ausgeprägte Schmerzen, eine Überempfindlichkeit auf Sinnesreize und eine Störung des Immunsystems sowie des autonomen Nervensystems.

Auf meinen Alltag wirkt sich das so aus, dass ich seit einem Jahr bettlägerig bin und auch im Bett weder ein Buch lesen noch viel schreiben, geschweigedenn lernen kann. Früher war ich sehr sportlich und habe Geschichten mit 600 Seiten geschrieben. Wenn ich jetzt trotz der enormen Anstrengung versuche auch nur eine Seite am Stück zu schreiben, verschlechtert sich meine Symptomatik stark. Teilweise bedeutet das, dass ich mich überhaupt nicht mehr bewegen kann und auch nicht mehr sprechen kann. Außerdem ertrage ich keinerlei Umweltreize mehr. Etwas Licht, ein leises Geräusch oder eine sanfte Berührung sind mir dann bereits zu viel. Auch ohne einen Crash kann ich aber zum Beispiel auf Grund von Muskelschwäche und orthostatischer Intoleranz nur noch wenige Sekunden stehen.

3. Wodurch entsteht ME/CFS bzw. Was sind die Ursachen? 

Wie genau ME entsteht, ist bislang nicht ausreichend geklärt. Obwohl ME seit 1969 von der WHO als neurologische Erkrankung anerkannt ist und KEINE seltene Erkrankung ist, wurde es bislang in der Forschung stark vernachlässigt. Es gibt jedoch Hinweise auf eine Fehlregulation des Immunsystems & autonomen Nervensystems. Ein Teil der Betroffenen berichtet von eindeutigem und akutem Krankheitsbeginn nach viraler oder bakterieller Infektion. Ein häufiger Auslöser ist dabei zum Beispiel der Corona-Virus. LongCovid kann sich zu ME/CFS entwickeln. Auch Inpfungen, Operationen, Traumata oder hormonelle Veränderungen werden als Auslöser genannt, allerdings ist es auch nicht immer möglich, den Krankheitsbeginn eindeutig zu identifizieren. Vermutet wird ein Zusammenspiel aus mehreren Faktoren (umweltbedingt & genetisch).

4. Gibt es Behandlungsmöglichkeiten?

Die Behandlung kann nur symptomorientiert stattfinden, denn eine kausale Therapie, die heilt oder den Zustand maßgeblich verbessert, gibt es nicht! Die wichtigste Therapie ist Pacing, also Symptommanagement, was bedeutet innerhalb seiner durch die Krankheit vorgegebenen Belastungsgrenze zu bleiben, um keinen Crash auszulösen. Das bedeutet körperliche und geistige Schonung.

5. Seit wann hast du ME/CFS?

Ich habe mich am 01. Dezember 2022 zum ersten Mal positiv auf Corona getestet. Erst war ich drei Wochen lang akut krank (allerdings ohne besonders schlimmen Verlauf), dann kamen chronische Schmerzen in Kopf, später in Armen und Beinen und eine starke Erschöpfung nach größerer Belastung hinzu. Schleichend bekam ich immer mehr Symptome, bis ich durch Überlastung in der Schule nun seit Anfang 2024 fast vollständig bettlägerig bin.

6. Was tut dir gut/lindert die Symptome und was verschlechtert es? 

Ausruhen, dazu gehört Reizabschirmung lindert die Symptome und jegliche Anstrengung verschlechtert sie kurz- oder längerfristig. Dazu gehört sowohl mit dem Rollstuhl ins Bad geschoben zu werden, als auch zu telefonieren.

7. Was würdest du gerne anderen Betroffenen und Angehörigen sagen? 

Betroffenen würde ich gerne sagen, dass Sie Grenzen setzen müssen! Ansonsten verschlechtert sich die Krankheit immer weiter und weiter. "Durch zu pushen" ist keine Option. Das kann eine Zeit lang gut gehen, bis dann irgendwann ein Crash folgen wird und von Angehörigen würde ich mir wünschen, dass sie Betroffenen dabei helfen unter ihrer Belastungsgrenze zu bleiben und sie nicht dazu zu drängen, trotz stärker werdender Symptome einfach weiter zu machen, denn wie gesagt, das funktioniert nicht lange.

8. Wie können andere helfen? 

Außenstehende Personen können sich zum einen über das Krankheitsbild informieren, was Betroffenen sehr helfen würde, weil kaum jemand die Krankheit wirklich versteht oder überhaupt weiß, dass sie existiert. Außerdem kann man für die Forschung spenden, in die leider kaum investiert wird, obwohl es einige vielversprechende Therapieansätze gibt. Zudem kann man an Awareness-Aktionen teilnehmen, um mehr Aufmerksamkeit auf die Krankheit zu lenken. Zwei weit verbreitete Aktionen sind zum Beispiel die Lemonchallenge und LightUpTheNight4ME. Für letztere kann man ganz einfach sein Fenster am 12. Mai blau beleuchten, und dies gegebenenfalls noch mit dem Hashtag #LightUpTheNight4ME in den sozialen Medien teilen.

9. Was würdest du gerne Nicht-Betroffenen sagen? 

Pacing ist mit Abstand die wichtigste Therapie! Wenn wir Termine absagen oder auch dauerhaft im dunklen Zimmer im Bett liegen, sind wir nicht faul, sondern machen aktiv etwas für unsere Gesundheit und das fällt uns selbst meistens am schwersten, denn die meisten von uns, würden nichts lieber machen, als wieder richtig am Leben teilhaben zu können. Und nein, wir können uns nicht einfach aus unserem Zustand heraustrainieren. Das wäre überaus schädlich!

10. Was sind typische Vorurteile/Stigma bei ME/CFS? 

• Wir würden nur nicht genug wollen. - Wir wollen mehr als alles andere, wir können aber nicht.

• Training würde uns gut tun. - Training kann auf Grund von PEM (Zustandsverschlechterung nach Überlastung) den Zustand maßgeblich und dauerhaft verschlechtern.

• Wir wären nur müde. - Wir haben so viel mehr Symptome, außerdem sind die meisten nicht einmal müde, sondern haben extreme Einschlafstörungen.

• Weil es gestern ging, muss es ja heute auch klappen. - Nein, gerade weil wir uns am Vortag belastet haben, wird die Symptomlast am nächsten Tag sehr wahrscheinlich deutlich höher sein.

• ME wäre psychosomatisch. - ME ist von der WHO als neurologische Erkrankung anerkannt.

• ME wäre eine seltene Erkrankung, deshalb lohnt es sich gar nicht zu forschen. - Allein in Deutschland sind stand 2023 mindestens 620.000 Menschen betroffen (mit Dunkelziffer weitaus höher).

• Wir bräuchten keinen Rollstuhl, wenn wir noch laufen können. - Viele mit ME können nicht mehr laufen, aber selbst, wenn das noch geht, sind es oft entweder nur kurze Strecken oder wir müssen uns schonen, weil wir andere anstrengende Sachen vorhaben und keinen Crash bekommen wollen.

• Den ganzen Tag drinnen im Bett - da würde es jedem schlecht gehen. - Wir liegen nur drinnen im Bett, weil es uns so schlecht geht. Draußen sind für die meisten viel zu viele Sinnesreize. Außerdem können einige gar nicht mehr aufstehen, weil sie zu schwach sind, um das Bett zu verlassen.

• Viele wären viel zu jung, um so schwer krank zu sein. - Von ME sind am meisten junge Frauen betroffen. Außerdem sind in Deutschland mindestens 80.000 Kinder und Jugendliche an ME erkrankt (wahrscheinlich deutlich mehr).

11. Was wünschst du dir von der Gesellschaft? 

Ich würde mir wünschen, dass ME/CFS bekannter und auch anerkannter wird. Nur weil du eine Krankheit nicht kennst, kann sie trotzdem schwer sein und nur weil du nicht verstehst, wie sie sich auf die Betroffenen auswirkt, bedeutet das nicht, dass diese simulieren. Von der Politik beziehungsweise der Pharmaindustrie würde ich mir wünschen, dass endlich mehr Geld für Forschung ausgegeben wird und Medikamente zugelassen werden.

Sujet Gastbeiträge

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