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Der Fußball-Fan

Es gibt viele Gründe, sich zu setzen. Der häufigste ist der, dass man nicht stehen oder liegen möchte. Beim Stuhlgang zum Beispiel setzt oder hockt man sich in der Regel. Vermutlich kommt daher das Wort, auch wenn die Franzosen beispielsweise, vor allem die aus dem südlichen Teil des Landes, keinen Stuhl für den Stuhlgang benötigen. Gäste aus Deutschland bringt das schon einmal in Bedrängnis, denn diese Art des Stuhlgehens ohne Stuhl will gelernt sein. Ich meine natürlich den einen Stuhl, nicht den anderen. Du verstehst.

Richter sitzen zu Gericht. Auch wenn es angerichtet ist, setzt man sich meistens, es sei denn, man möchte im Stehen essen. Dann muss man es aber schon eilig haben. Oder man hat bereits lange gesessen und freut sich darüber, die Beine strecken zu können. Auch unsere Arbeit findet ja, zumindest bei sehr vielen, im Sitzen statt. 

Dieser Mann sitzt, weil er wartet. Er befindet sich auf dem Gelände eines Fußballvereins. Worauf er wartet, ist unklar. Es gibt möglicherweise nichts, was er sonst um diese Zeit tun könnte. Oder: Es gibt nichts, was er hier ansonsten tun könnte. Denn dass er jetzt hier sein möchte, das scheint er eindeutig zu wissen. Was sollte ich auch sonst tun? könnte er fragen. Du könntest antworten: Geh doch spazieren. Ein bisschen Bewegung würde dir gut tun. Hast du schon alles eingekauft, was du brauchst? Was ist mit deiner Wäsche? Triff dich doch mal mit jemandem. Oder lies ein Buch.

Aber all das möchte der Mann nicht. Er möchte hier sitzen. An genau diesem Ort. Warum? Vielleicht fühlt er sich zugehörig. Vielleicht hat er einmal selbst für den Verein gespielt. Oder er kennt jemanden, der das tut oder getan hat. Vielleicht schaut er auch nur dem Spiel zu, das gerade läuft. Aber besonders groß scheint sein Interesse nicht zu sein. Spielt sein Sohn gerade? Hat er ihn hergebracht, und wartet darauf, dass das Spiel abgepfiffen wird, damit sie gemeinsam wieder nach Hause fahren können? Warum gesellt er sich nicht zu den anderen Eltern, die am Spielfeldrand stehen und ihren Söhnen zuschauen?

Könnte es sein, dass es wirklich keinen anderen Grund für ihn gibt, hier zu sein, als der, dass er gerade nirgendwo anders sein möchte? Aber warum schaut er dann so missmutig drein? Wenn das der Fall wäre, würde er ja genau das tun, was er gerne tun will. Gerne? Danach sieht es nicht aus. Vielleicht gibt es wirklich nichts, was er lieber täte, als hier zu sein, aber das muss nicht bedeuten, dass er es gerne tut. Es könnte sein, dass ihm partout nichts Besseres einfällt.

Das klingt merkwürdig, beschreibt aber sicher die Lebensrealität vieler Menschen. Sie leben nicht das, was sie gerne leben möchten, sondern das, wogegen sie am wenigsten einzuwenden haben. Sie leben das geringste mehrerer Übel.

Zurück zum Mann. Es könnte doch sein, dass er sein Hiersein mit einer unbestimmten Erwartung verknüpft, nämlich einer Erfahrung, die ihm bestätigt, dass es gut ist, hier zu sein. Vielleicht kommt jemand auf ihn zu und grüßt ihn, fragt vielleicht sogar, wie es ihm geht. Er wird dann brummeln und antworten, dass alles in Ordnung ist, muss ja. Anschließend wird er nicht viel fröhlicher wirken, aber das unbestimmte Gefühl haben, dass sein Aufenthalt auf dem Vereinsgelände erfolgreich gewesen ist. Er wurde bemerkt. Ihm wurde bestätigt, dass es ihn gibt. Das ist nicht nichts.

Oder sind es die Erinnerungen, die ihn verweilen lassen, Erinnerungen an Erlebnisse, die sich hier zutrugen, Siege, Feiern, spannende Duelle, Aufmerksamkeit, Lob, vielleicht auch bittere Niederlagen? Diese Erlebnisse sind schon lange her, ihr Echo schwingt noch in der Luft, aber nur hier, an diesem Ort, der nicht ganz, aber immerhin teilweise noch so aussieht wie damals. Er ist dabei gewesen. Er erinnert sich. Am liebsten erinnert er sich hier. 

Soll man ihn bemitleiden? Sollte man ihn nicht lieber beneiden? Immerhin hat er seine Erfahrungen gemacht. Und es gibt einen Ort, an dem er sich an sie erinnern kann, der ihn an sie erinnert. Ein Ort, zu dem er gehört, an dem er richtig ist. Nicht jeder kann von sich behaupten, so einen Ort zu haben. 

Vielleicht schaut der Mann gar nicht so mussmutig drein, wie es den Anschein hat. Vielleicht ist er nur müde. Und deshalb bleibt es verborgen, dass er ein Glückspilz ist und dass er sehr zufrieden ist mit sich selbst und seinem Leben. Gleich, wenn ich die Kamera einpacke und weitergehe, wird er gähnen und dann entspannt lächeln. 

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