Monday Motivation #16
E-Mail: Der stille Produktivitätskiller
Als IBM in den 1980er-Jahren ein internes E-Mail-System einführte, wurde wegen der damals noch hohen Kosten für Rechenleistung genau analysiert, in welchem Umfang die Menschen mit Memos und Telefonaten kommunizierten. Die Annahme war, dass sich diese Kommunikation auf E-Mail verlagern würde. Dennoch war der recht großzügig dimensionierte Server schon in den ersten Wochen massiv überlastet.
Weil es so viel einfacher war, über E-Mail zu kommunizieren, machten die Mitarbeiter deutlich mehr Gebrauch davon, als für ihre eigentliche Arbeit zu erwarten gewesen wäre. Das wäre nachvollziehbar, wenn es der Produktivität zuträglich gewesen wäre. Leider war das schon damals nicht der Fall. Im Gegenteil. Cal Newport zitiert etwa die Klage eines Ingenieurs, der an diesem Projekt arbeitete: „Auf diese Weise wurde in nur einer Woche oder so der potenzielle Produktivitätsgewinn durch E‑Mail erzielt und wieder zunichtegemacht.“ (Newport 2016).
E-Mail ist unglaublich praktisch, verleitet aber zu einer schlampigen Zusammenarbeit, die im Wesentlichen durch Zuruf funktioniert. Der unbeabsichtigte Nebeneffekt von E-Mail ist massenhaft unstrukturierte Ad-hoc-Kommunikation. Den daraus resultierenden Arbeitsstil bezeichnet Cal Newport treffend als hyperaktives Schwarmbewusstsein (Newport 2021).
In großen Teilen besteht der Alltag von Wissensarbeitern heute darin, eine immer größere Flut von Nachrichten zu verschicken, zu lesen und zu beantworten. Was ursprünglich der Unterstützung der wertschöpfenden Arbeit dienen sollte, wurde damit unbeabsichtigt zum wenig produktiven Kern der Arbeit. Und mit Instant Messaging und Smartphones wurde die Kommunikation nochmals einfacher und schneller und dieses Problem nur noch größer.
Eine Studie von RescueTime kommt etwa zu dem Ergebnis, dass der durchschnittliche Wissensarbeiter seine E-Mails oder Instant Messaging alle sechs(!) Minuten prüft und als Konsequenz daraus schaffen 40 % der Wissensarbeiter weniger als 30 Minuten konzentrierter Arbeit am Stück (Newport 2021).
Ein Teil des Erfolgs von Scrum oder Kanban geht deshalb vermutlich allein darauf zurück, dass Arbeitsablauf und Arbeitsinhalte recht rigide strukturiert werden und viel weniger darauf, wie das konkret passiert. Der strukturierte Ablauf eliminiert viele E-Mails und Besprechungen. Und damit bleibt mehr Zeit für das, was Software-Entwickler wie alle anderen Wissensarbeiter am meisten brauchen, um gute Arbeit zu leisten: Fokus und Konzentration.
Ich wünsche dir einen strukturierten Start in eine produktive Woche,
Marcus
Literatur
Newport, Cal. 2016. „A Modest Proposal: Eliminate Email“. Harvard Business Review, 18. Februar 2016. https://hbr.org/2016/02/a-modest-proposal-eliminate-email (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).
Newport, Cal. 2021. A World Without Email Reimagining Work in an Age of Communication Overload. New York: Penguin Publishing Group.
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