Guten Morgen! Hier kommt dein Überblick über die Bundespolitik-Recherchen der Woche. Inklusive Tipps zum Lesen, Sehen und Hören. Ich habe in mehreren Nachrichtenredaktionen gearbeitet und schaue jetzt immer die Medien durch, damit du das nicht musst. Starte gut in die Woche!
Die Recherchen
Obst und Gemüse aus Spanien: Erntehelfer leben “wie Sklaven”
Damit wir im Supermarkt das ganze Jahr über billige Gurken, Tomaten und Orangen kaufen können, “arbeiten in den Agrarbetrieben vor Ort viele Erntehelfer unter sklavenähnlichen Bedingungen”. Das berichtet das ZDF-Magazin Frontal 21 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Anhand des Beispiels widmet sich die Sendung dem geplanten Lieferkettengesetz. Das Gesetz soll sicherstellen, dass Zulieferbetriebe deutscher Unternehmen die Menschenrechte einhalten. Immer wieder würden Recherchen zeigen, “wie deutsche Unternehmen von Ausbeutung und Unrecht ausländischer Zulieferer profitieren”, so Frontal 21.
Trotzdem seien Wirtschaftsminister Peter Altmaier und seine Partei, die CDU, dagegen, “dass Unternehmen Strafen zahlen sollen, wenn deren Zulieferer irgendwo auf der Welt Lohndumping betreiben”, heißt es im Bericht weiter. Frank Schwabe, menschenrechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, sagt, CDU und CSU hätten den Gesetzentwurf bereits verwässert. Von den vom ZDF angefragten großen Supermarkt-Ketten wollte sich kaum eine konkret zu den Recherchen über Ausbeutung in Spanien äußern. Einzig Aldi Süd teilte mit, es werde die geschilderten Verstöße untersuchen.
https://twitter.com/Frontal21/status/1376545679473016838 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)Gemüse für Deutschland: Das Elend spanischer Erntehelfer (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
Munitionsklau und Häftlingsmisshandlung: Vorwürfe gegen Polizei und JVA in Sachsen
Das Landeskriminalamt Sachsen ermittelt gegen 17 Polizist:innen, die Munition gestohlen und gegen ein Schießtraining “eingetauscht” haben sollen. Wie ZEIT Online schreibt (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), war Frank T., der das Training angeboten haben soll, Mitglied bei “Nordkreuz”. Nordkreuz gilt als rechtsextreme Preppergruppe. Dort vernetzten sich Polizist:innen, Bundeswehrreservist:innen und Mitarbeiter:innen von Behörden. 2020 trat der damalige Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier, zurück, weil er eine Waffe bei T. gekauft hatte. T. bildete auch Spezialkräfte der Bundeswehr, Zollbeamte und Polizeispezialeinheiten aus, schreibt ZEIT Online. Gegen ihn ermittelt das LKA in Mecklenburg-Vorpommern - unter anderem wegen mutmaßlichen Verstößen gegen das Waffenrecht.
FOCUS Online (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) wiederum berichtet über Chatnachrichten von Beamt:innen einer sächsischen Justizvollzugsanstalt (JVA). Diese sollen im Jahr 2018 ausländische Häftlinge misshandelt und ihre Taten auf Whatsapp bejubelt haben. Die Staatsanwaltschaft Dresden erhob im August 2020 Anklage gegen sechs Mitarbeiter:innnen, unter anderem wegen des Vorwurfs der schweren Körperverletzung im Amt. Ein Prozess steht noch aus. Im Text heißt es “(…) Seit langem beklagen JVA-Beamte nicht nur in Sachsen die Zustände den Gefängnissen: Überbelegung bei zeitgleichem Personalmangel, zunehmende Rivalitäten zwischen ausländischen Häftlingen, Drohungen und Beleidigungen gegenüber JVA-Beamten, massive psychische Belastung der Gefängnismitarbeiter (…).”
https://twitter.com/rprtrn/status/1377230254901714949 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) https://twitter.com/DoreenReinhard/status/1376959687959134212 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)Astrazeneca: Bundeskanzlerin frühzeitig über drohenden Impfstopp informiert
Angela Merkel und Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) wussten mehrere Tage im Voraus, “dass der Impfstoff von Astrazeneca für bestimmte Altersgruppen aller Wahrscheinlichkeit nach erneut gestoppt werden muss”: Wie das ZDF meldet (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), ließ die Kanzlerin dennoch weiterimpfen. Sie und Braun baten die Ständige Impfkomission (Stiko) den Angaben zufolge darum, vor einer endgültigen Entscheidung noch mehr Expert:innen anzuhören. Bis es soweit war, wurden noch mehr als 300.000 Menschen geimpft. Zuvor hatte der Stiko-Chef das Kanzleramt persönlich über die zu dem Zeitpunkt 31 Fälle von Hirnthrombosen nach Impfungen informiert.
Obwohl in dem Zusammenhang neun Menschen gestorben waren, sagte die Bundeskanzlerin auch bei ihrem Auftritt in der ARD-Sendung “Anne Will” nichts dazu. Stattdessen rechnete sie dort vor, man habe “für über 50 Millionen Menschen schon ein Impfangebot Ende des zweiten Quartals”. Das ZDF schreibt: “Dabei weiß sie da schon, dass vielen Millionen Menschen unter 60 Jahren der Impfstoff (…) wahrscheinlich nicht mehr empfohlen werden kann.” Bevor Bundesregierung und Ministerpräsident:innen das schließlich offiziell beschlossen, hatten mehrere Städte und Länder bereits von sich aus auf Basis eines Stiko-Entwurfspapiers entsprechende Maßnahmen ergriffen.
https://twitter.com/ZDFheute/status/1377694776489877504 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) https://twitter.com/quarkswdr/status/1377902641297117184 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)CDU, CSU, Geld: Neues zu Corona-Geschäften und Aserbaidschan
Der durch “Maskengeschäfte” bekannt gewordene Alfred Sauter (CSU) soll sich beim Büroleiter von Bayerns Ministerpräsident Söder für einen Corona-Schnelltest eingesetzt haben - dann soll seine Kanzlei der Firma 300.000 Euro Honorar berechnet haben. Das berichtet die Süddeutsche Zeitung (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) (€) über den Landtagsabgeordneten und früheren Landesjustizminister Sauter. Dieser hatte in der Vergangenheit einmal gesagt, sein Nebenjob sei Abgeordneter.
Apropos Maskengeschäfte: Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will die Namen der Abgeordneten, die ihm in dem Zusammenhang schrieben, nicht nennen. Es sei zu aufwändig, da es die Durchsicht des kompletten Posteingangs von Altmaier für einen Zeitraum von mehreren Monaten nach Absender und Inhalt des Schreibens erfordern würde, so eine Sprecherin auf Anfrage des Tagesspiegels (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Das würde das “zumutbare Maß” überschreiten, teilte das Ministerium mit. VICE (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) wiederum berichtet erneut über die sogenannte Aserbaidschan-Affäre und Thomas Bareiß (CDU). Der Staatssekretär (Bundeswirtschaftsministerium) war demnach mehrmals “begleitet von Männern mit zweifelhafter Regime-Nähe” in dem Land. Er will aber nicht sagen, wer diese Reisen bezahlt hat.
https://twitter.com/xileffff/status/1377618377812942848 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) https://twitter.com/SaschaDueerkop/status/1377609782723481603 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)Palantir und Behörden: Umstrittene Kooperationen mit Datenfirma
“Interne Unterlagen zeigen, wie sich die Firma in europäische Behörden einschleicht – auch die deutsche Polizei ließ sich auf ein Geschäft ein.” Das schreibt DER SPIEGEL (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) (€) in einer Recherche mit The Guardian und Lighthouse Reports über Palantir, laut Bericht “eines der umstrittensten Unternehmen der Welt”. Die CIA finanzierte den Aufbau der Firma mit und ist wie andere Sicherheitsbehörden und Geheimdienste eine Kundin Palantirs. Auch Airbus und das UN-Welternährungsprogramm nutzen die Dienste der Firma. Zu Beginn der Corona-Pandemie bot Palantir der EU-Gesundheitsbehörde und mehreren Mitgliedsländern Hilfe an, was manche annahmen.
Die Firma behauptet, “durch die Analyse riesiger Datenmengen Lösungen für die ‘großen Probleme unserer Zeit’ zu finden”, wie es im Text heißt. Laut SPIEGEL bestünden an den Verheißungen der Palantir-Produkte aber ebenso Zweifel wie an deren Vereinbarkeit mit Datenschutzregeln.“ Immer wieder werden Skandale bekannt, etwa dass Kund:innen von Palantir "eine Kampagne aus ‘Desinformation’ und ‘Cyberangriffen’ gegen WikiLeaks und Journalisten wie Glenn Greenwald” angeboten wurde. In Hessen gab es einen Untersuchungsausschuss wegen der Vergabe eines Auftrags an Palantir. Die Polizei dort nutzt seit 2017 eine auf einem Produkt der Firma basierende Analysesoftware, die beim Kampf gegen Terror und organisierte Kriminalität helfen soll.
https://twitter.com/mathieuvonrohr/status/1378038744956162050 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) https://twitter.com/matthimon/status/1378299262946185216 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)Weitere Recherchen
taz: Bundeswehr-Panzer für den König (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
-> Jordanien erhält Waffen aus Deutschland - und das, obwohl Jordanien Waffen an das Bürgerkriegsland Libyen liefert, was die Vereinten Nationen (UN) verbieten.
Buzzfeed News/BR: Importstopp für umstrittenes Medikament in der Geburtshilfe (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
-> 2020 hatten Buzzfeed News, der BR und die Süddeutsche Zeitung über Komplikationen im Zusammenhang mit Cytotec bei der Geburtseinleitung berichtet.
DER SPIEGEL: Die Kongo-Connection des Günter Nooke (€) (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
-> Der Afrikabeauftragte der Bundeskanzlerin wirbt für ein Kraftwerk in der Demokratischen Republik Kongo und zeigt dabei “eine fragwürdige Nähe zu einem dubios wirkenden Leipziger Unternehmer”.
Süddeutsche Zeitung: Fünf Jahre Panama Papers (€) (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
-> In der Bilanz zu den Folgen des Steuerskandals heißt es, Behörden hätten international rund 1,2 Milliarden Euro durch Geldstrafen und Steuernachzahlungen eingenommen.
Buzzfeed News: Pflegeheime in Hessen wurden während der Corona-Pandemie kaum kontrolliert (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
-> “Die seltenen Kontrollen (…) folgen einem Trend: In den vergangenen gut zehn Jahren hat sich die Zahl der Arbeitsschutzkontrollen in ganz Deutschland insgesamt etwa halbiert.”
Die Medientipps
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Woche entschieden, dass die 2019 wegen illegaler Waffenexporte gegen frühere Angestellte von Heckler und Koch verhängten Urteile bestehen bleiben. Zudem muss der Waffenkonzern rund drei Millionen Euro zahlen. Die zwei Männer waren zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt worden. Der SWR zeigte zu dem Skandal bereits 2020 die Dokumentation “Tödliche Exporte 2 - Rüstungsmanager vor Gericht” (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).
Mit Waffen beschäftigt sich auch das ZDF in der Dokumentation “Waffenschmugglern auf der Spur”. (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) In diesem Fall geht es aber nicht darum, wie sie Deutschland verlassen. Sondern darum, wie sie hierher kommen. Oft sind sie vom Balkan, stammen laut Doku dabei häufig ursprünglich aus Beständen der ehemaligen Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR. Und spielen meist dann immer wieder eine Rolle, wenn es um Rechtsextremismus geht.
Wer keine Lust auf Probleme mit Waffen hat, kann sich Problemen mit Bauvorhaben widmen. In der Dokumentation Baustelle Bürokratie - Warum Großprojekte scheitern (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) geht es um die systemischen Gründe hinter den üblichen Verdächtigen wie dem Flughafen BER (Berlin), dem S21-Bahnhof (Stuttgart) und der Elbphilharmonie (Hamburg). “Wenn der Staat baut, droht oft Chaos”, heißt es bei 3Sat.
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Die Auskunft
Dank des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) kann jede:r in Deutschland Anfragen an öffentliche Stellen stellen, auch Nicht-Journalist:innen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Jede Woche stelle ich eine Recherche vor, für die das IFG genutzt wird.
Stichwort “Nordkreuz”: Das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern wollte einen Bericht über die als rechtsextrem geltende Prepperszene geheim halten. Die Transparenzplattform FragDenStaat verklagte das Land deshalb und bekam Recht. Mecklenburg-Vorpommern kann gegen die Entscheidung noch gerichtlich vorgehen. Als Prepper werden Menschen bezeichnet, die sich auf einen großen Krisen- oder Katastrophenfall vorbereiten.
https://twitter.com/fil_ter/status/1377177717569822725 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)Das noch
Am Freitag war Internationaler Faktencheck-Tag. Ja, sowas gibt es wirklich. Das Thema ist nicht nur für Journalist:innen interessant. Mit verschiedenen “Tipps und Tools” kann jede:r selbst überprüfen (oder zumindest Hinweise darauf finden), ob echt ist, was man online so findet. Dabei hilft das ursprünglich auf Englisch erschienene “Verification Handbook” (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Es wurde im Auftrag der Landesmedienanstalt NRW von einem Journalisten übersetzt.
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