Du kannst Demenz wahrscheinlich verzögern – und zwar so
Jeden Freitag erzähle ich dir von Erkenntnissen aus Neurowissenschaft und Psychologie, die du kennen solltest. Heute: über Risikofaktoren für Demenz, die jeder kennen sollte.
Ein Grund, warum ich Hirnforschung liebe, ist dieser: Es gibt erstaunlich viele Forschungsstränge, in denen man lange dachte, etwas sei so und so, bis man herausfand, dass es ganz anders ist.
Ein Beispiel? Lange dachte man, Demenz sei eine Art neurobiologisches Schicksal. Entweder du bekommst es – oder eben nicht. Und obwohl Demenz durchaus genetische Grundlagen hat, weiß man heute: Wir haben erstaunlich viel Einfluss darauf, ob wir tatsächlich an Demenz erkranken oder nicht.
Die gute, und vor einigen Jahren noch als völlig unrealistisch einzuschätzende Zahl lautet: Fast jeder zweite Demenzfall wäre vermeidbar oder ließe sich verzögern. Zumindest, wenn man die Faktoren kennt, die das Risiko senken. Darum geht es heute.
Das Ziel: Weniger Eiweißglibber zwischen den Neuronen
Wie ich letzte Woche schon beschrieben habe, ist die häufigste Demenz-Erkrankung auf Alzheimer zurückzuführen. Das Zusammenspiel von zwei Schurken – Amyloid-beta Plaques und Tau-Fibrillen – schädigt das Gehirn nachhaltig: Zuerst blockieren die Amyloid-Plaques die Kommunikation zwischen den Nervenzellen, und dann führen die Tau-Fibrillen zum Absterben der Zellen selbst.
Wer versteht, wie Alzheimer (zumindest nach dem heutigen Wissensstand) entsteht, versteht du auch, warum man ein mögliches Alzheimer-Medikament (das es noch nicht gibt) ziemlich sicher jetzt schon nehmen würde – und nicht erst, wenn man erste Symptome bemerkt.
Ganz salopp gesagt, geht es darum, den Zeitpunkt nach hinten zu verschieben, an dem zu viel Amyloid-beta Plaques zwischen deinen Nervenzellen rumglibbert. Das würde die Kommunikation zwischen den Nervenzellen so stark einschränken, dass deine kognitiven Fähigkeiten wiederum leiden. Wir müssen uns übrigens nichts vor machen: Wenn du über 40 Jahre alt bist, hast du sehr wahrscheinlich schon eine erhöhte Anzahl an Plag zwischen deinen Nervenzellen. Du bekommst davon nur nichts mit.
Die Risikofaktoren: Zwischen logisch und überraschend
Das Magazin The Lancet ist eines der renommiertesten Wissenschaftsjournals. Eine Lancet-Kommission hat sich jetzt in einer Übersichtsarbeit (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) die neuesten Forschungsergebnisse seit ihrem letzten Bericht im Jahr 2020 angeschaut. Sie schreiben: „Es gibt immer mehr Beweise dafür, dass die Bekämpfung der vielen Risikofaktoren von Demenz das Risiko der Demenzentwicklung verringert.“
Einige dieser Risikofaktoren liegen auf der Hand, zum Beispiel diese hier:
Übergewicht
Bewegungsmangel
Rauchen
Alkohol
Kopfverletzungen
Depression
Andere wiederum haben mich überrascht. Oder wusstest du, dass diese Faktoren dein Demenzrisiko steigern:
Geringe Bildung
Mangel an sozialen Kontakten
Schwerhörigkeit
Sehschwäche
Diabetes
Bluthochdruck
Hoher LDL-Cholesterinspiegel
Luftverschmutzung
Beugen Demenz vor: Brillen und Hörgeräte
Manche dieser Faktoren schädigen das Gefäßsystem im Gehirn, sodass sie direkt zu den krankhaften Veränderungen beitragen. Das gilt zum Beispiel für Übergewicht, Diabetes, hohe Cholesterinwerte, Bluthochdruck, Rauchen und sogar Luftverschmutzung. Der Zusammenhang: Sind Gefäße verletzt, können sie schädliche Stoffe – zum Beispiel Eiweißablagerungen – nicht mehr so gut abtransportieren.
Andere Faktoren wirken eher indirekt und auf den ersten Blick vielleicht überraschend, so wie Hör- und Sehschwächen, soziale Kontakte und gute Bildung.
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