Was in deinem Gehirn passiert, wenn du über einen Witz lachst
Jeden Freitag erzähle ich dir von Erkenntnissen aus Neurowissenschaft und Psychologie, die du kennen solltest. Heute: wann du Witze witzig findest – und wann nicht.
Eigentlich ist es schade, dass du diesen Newsletter alleine liest (davon gehe ich jetzt mal aus). Denn: Wenn du in Gesellschaft von jemandem bist, ist es 30-mal wahrscheinlicher (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), dass du lachst. Lachen ist etwas Soziales. Und Humor eine Art Klebstoff für unsere Gesellschaft. Eine witzige Bemerkung kann jemanden auch dann sympathisch wirken lassen, wenn ich ihn gerade erst kennengelernt habe. Insiderwitze wiederum können kleinere Gruppen eng zusammenschweißen (und andere Menschen ausschließen).
Warum lachen wir also über manche Witze, während wir bei Mario Barth nicht mal müde lächeln können? Die Antwort darauf hat natürlich mit unserem Gehirn zu tun. Sie erklärt auch, warum du und deine Freund:innen oftmals den gleichen Humor haben.
Alles beginnt mit Konflikten
Hirnforscher:innen sprechen schon länger davon, dass Menschen permanent Hypothesen aufstellen. Wir berechnen ständig, was als Nächstes passieren wird und wie sich jemand als Nächstes verhält. Damit wir wissen, was wir als Nächstes tun sollen.
Ein einfaches Beispiel:
„Ich esse meine Suppe am liebsten mit einem großen Fahrrad.“
Bei jedem Wort dieses Satzes berechnet dein Gehirn, welches Wort als Nächstes kommen könnte. Du hast schon einige Suppen gegessen und weißt deshalb einiges über die Tätigkeit des Suppeessens. Deshalb bist du dir auch relativ sicher, dass am Ende des Satzes „Löffel“ kommt. Stattdessen: „Fahrrad“. Dein Gehirn löst ein Fehlersignal aus. Et voilà: ein Konflikt im Gehirn. Oder, umgangssprachlich: eine gebrochene Erwartung. Oder, hochwissenschaftlich: Inkongruenz.
Das klingt stressig, ist aber eine Belohnung. Das Gehirn schüttet Dopamin aus, wenn eine der vielen tausend Minihypothesen, die wir täglich aufstellen, gebrochen wird. Wie beim Sex! Wie beim Schokoladeessen! Überraschungen gehören zu den positivsten Emotionen, die wir überhaupt erleben können.
Wir lachen nicht bei jeder gebrochenen Erwartung
Eine gebrochene Erwartung ist aber erst dann witzig, wenn sie zwei Skripte miteinander vermischt, die normalerweise nicht vermischt werden. Skripte sind abstrakte allgemeine Erinnerungen für die typischen Aktivitäten, die bei Routineereignissen auftreten. (Wie genau unser Gedächtnis funktioniert, habe ich in diesen sechs Ausgaben (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) erklärt.) Klingt kompliziert, ein Beispiel: Wenn wir an eine klischeehafte Einbruchsszene aus einem Film denken, ist in unserem Gedächtnis alles abgespeichert, was wir damit verbinden. Ein Einbrecher macht sich an der Tür zu schaffen, das Haus ist dunkel, jemand wird mitten in der Nacht überrascht.
Und nun, ein Witz:
Neulich habe ich einen Einbrecher in meinem Pyjama verjagt. Warum er meinen Pyjama trug, weiß ich nicht.
In unserem Gedächtnis gibt es Skripte über Einbrecher und über Pyjamas. Nur: Normalerweise gehört das Skript des Pyjamas zu dem Bewohner des Hauses. Der Witz vermischt die Skripte. Das überrascht und zeigt uns eine Perspektive auf die Welt, die wir bis dahin noch nicht hatten (ein Einbrecher in meinem Pyjama?). Diese neue Perspektive auf die Welt nennt der US-amerikanische Neurowissenschaftler Scott Weems Auflösung, durch den Konflikt entsteht ein neues Bild in unserem Kopf.
Wir haben übrigens so viel intuitives Wissen darüber, wie Humor funktioniert, dass wir auch Erwartungen an die Struktur von Witzen haben. Wenn diese gebrochen werden, kann das witzig sein.
Ein Rabbi, ein Priester und ein Mönch gehen in eine Bar. Sagt der Barkeeper: „Was ist das? Ein Witz?“
Warum du und deine Freund:innen wahrscheinlich den gleichen Humor haben
Ob wir einen Witz als Witz erkennen, hängt nicht nur vom Witz ab, sondern auch von uns, unseren Merkmalen und Zuständen. Merkmale sind konstant: Ich bin 1,82 Meter groß, weiß, männlich, ein wahnsinnig guter Basketballer. Mein Zustand ist flexibel: Ich bin heute morgen etwas verklatscht aufgewacht, weil bei uns die Heizung ausgefallen ist und ich mit drei Decken schlafen musste.
Ob wir etwas witzig finden, hängt auch von unserer Einstellung zum Thema des Witzes ab und davon, ob wir gerade gut drauf sind. Wenn mein Chef mir den Urlaub cancelt, finde ich gerade überhaupt nichts witzig. Wissenschaftler:innen sprechen da zusammenfassend vom Referenzrahmen.
Wenn der Referenzrahmen gleich ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit schon mal höher, dass du und dein bester Freund über einen Witz lachen. Wenn der Referenzrahmen nicht gleich oder nicht zumindest ähnlich ist, dann kommt es zu großen Unterschieden. Manche lachen dann über den Komiker Mario Barth, andere finden ihn überhaupt nicht witzig. Beides sagt etwas darüber aus, woher wir kommen, was uns wichtig ist und welche Erfahrungen wir in unserem Leben bisher gemacht haben. Sich über Menschen lustig zu machen, die Mario Barth witzig finden, gehört schon fast zum guten Ton. Aber man kann über fast alles lachen, wenn man in der richtigen Stimmung ist.
Das ist der witzigste Witz der Welt
Eigentlich hätte ich dir diesen Newsletter um 18.03 Uhr schicken müssen. Das ist nämlich die witzigste Uhrzeit des Tages, sagt jedenfalls der britische Psychologe Richard Wiseman. In seinem sogenannten LaughLa (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)b ließ er Menschen online darüber abstimmen, wie witzig sie vorgegebene Witze finden. Sie konnten auch eigene Witze einreichen. Als er die Daten auswertete, kam das dabei heraus: Um 18.03 Uhr fanden die Besucher:innen der Webseite die Witze durchschnittlich am witzigsten. Es gibt sogar einen Witz, den die Teilnehmer:innen am witzigsten fanden. Und da über 1,5 Millionen Menschen mitgemacht haben, könnte man diesen durchaus als den witzigsten Witz der Welt bezeichnen. Hier kommt er:
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