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#010 Löcher bohren für den Weltfrieden

Hallo! Dies ist die gratis Text-only-Version des CM MAGAZIN.

In der 🎧-Version diskutiert heute Chris mit Thomas Brandt & Monika Andrae & Holger Klein über die Artikel.

Chris sagt Hallo:

Hallo ihr Lieben. Ich freue mich gerade sehr darüber, dass immer wieder neue Menschen dazukommen und dieses Projekt hier unterstützen, diese Woche waren es vier neue Unterstützer:innen und ihr seid einfach mal super! Das Magazin ist noch ein zartes Pflänzchen, jetzt im Augenblick unterstützen das hier 12 mutige Menschen mit insgesamt 71,94 € im Monat. Und gerade deshalb freue ich mich echt sehr über euer Vertrauen. Ich verbringe ca. 15 Stunden mit jeder Ausgabe. Bei 4 Ausgaben pro Monat kommt das nach Steuern ungefähr auf einen Stundenlohn von 1 €.

Das ist noch nicht viel, aber alles Neue fängt mal irgendwo an und auch Kinder können ja erstmal nicht alleine gehen.

Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland ist derzeit übrigens 9,82 € pro Stunde. Mein erstes offizielles Ziel für das Magazin ist, dass ich hier mindestens mit dem Mindestlohn rauskomme. Umgerechnet auf Unterstützer:innen sind das dann auch ziemlich genau einhundert. 12 haben wir schon!

Wenn das Magazin mit vier neuen Unterstützer:innen pro Woche weiter wachsen würde, dann wären wir in 22 Wochen bei 100. Das wäre dann Ende August.

Ihr könnt mir natürlich gerne dabei helfen, dass das Magazin noch etwas mehr sichtbar wird. Unter dem Twitter-Account @dascmmagazin schreibe ich mehrere Posts die Woche und alleine ein Retweet davon wäre schon hilfreich. Habt ihr weitere Ideen? Immer her damit!

Jedenfalls Danke schonmal für eure Unterstützung, ihr gebt mir Mut.

Eine kleine Änderung im Ablauf habe ich noch: Das CM MAGAZIN erschien bisher immer Samstags. Das wird auch so bleiben, allerdings nur für die Unerstützer:innen. Die 🎧-Podcast-Version landet auch weiterhin Samstags in eurer E-Mail und der Podcast-Teil auch in eurem Podcast Client.

Die Gratis-Version ohne Podcast-Teil erscheint ab jetzt (seit der letzten Ausgabe) erst am Wochenanfang. Das hat zum einen organisatorische Gründe, zum anderen soll es aber auch die unterstützende Gemeinde belohnen. Wer unterstützt, bekommt zuerst.

Bi-Ba-Bonus-Content!!1!

Ich packe diesmal statt einem Gratis-Audio-Schnipsel eine vollständige Podcast-Folge hier rein, und zwar die aus vierten Ausgabe. Zum Hören - einfach so, und vielleicht macht's ja auch etwas Appetit auf mehr :)

Zur aktuellen Ausgabe:

Mit Moni: Caffenol, den Entwickler aus dem Supermarktregal gibt's jetzt auch als Fertigmischung. Instant sozusagen.

Mit Thomas: Ob die Vereinfachung der Schnittstellen zwischen Mensch und Technik etwas mit unserer Fähigkeit anrichtet, kritisch zu denken?

Mit Holgi: Über kognitive Last beim Fotografieren und ob wir damit Schuldgefühle erzeugen.

Mit Holgi: Über Hersteller, die ihre Kunden bevormunden und wie sich das mit dem Bohren von Löchern umschiffen lässt. Das hatten wir schon mal vor 40 Jahren bei der Fünfeinviertelzolldiskette.

So und jetzt genießt diese Ausgabe und den Podcast und habt 'ne fluffige Woche!

Die Themen:

  • Mehr Expertenmodus! #tech

  • Caffenol - Entwickler aus dem Küchenschrank #fotografie

  • Entscheidungsverzug: Der große Haufen digitaler Schuld #tech #memorylane

  • DRM im Wasserfilter #tech

## Mehr Expertenmodus!

"Now whenever I’m tempted to judge something as stupidly designed, I try to check myself and remember my seatbelt experience. My rule of thumb is: My willingness to judge something should be proportional to how much I know about it."

(Quelle: https://www.dannyguo.com/blog/my-seatbelt-rule-for-judgment/ (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre))

Kommentar:

Ich stelle mal eben eine steile These auf: Das zunehmende Verstecken von Komplexität tut uns als Gesellschaft nur bis zu einem gewissen Maß gut und wird irgendwann kontraproduktiv. (Beispiel (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre))

Über die Jahre bin ich vorsichtiger geworden, was Urteile über Neues angeht. Ich schreibe Dinge nur noch selten sofort ab. Ein Satz wie "das wird nie im Leben was" ist mir zumindest früher öfter über die Lippen gekommen als heute.

Danny Guo bringt es in seinem kurzen Artikel über sein Sicherheitsgurt-Erlebnis anschaulich auf den Punkt. Als neunjähriger legte er sich im Auto seiner Eltern den Gurt an und konnte sich trotzdem so weit nach vorne lehnen, bis er mit seinem Kopf das Lenkrad berührte. Das taugt nichts, dache der Neunjährige. Kurz später zog er dann mit einem Ruck am Gurt und der blockierte natürlich. Das hat ihm gezeigt, dass die Dinge oft komplexer sind, als sie zuerst scheinen.

Ich glaube ja, dass die Vereinfachung von Technik, das Herausnehmen von oberflächlicher Komplexität, dazu führt, dass wir insgesamt als Gesellschaft immer weniger sehen, wie komplex die Dinge wirklich sind. Und ich glaube, dass das tiefgreifende Folgen hat.

Meine (naive) Herleitung:

Früher war der Mensch mehr mit den Komplexitäten konfrontiert. Das befeuerte auch ein Grundgefühl von "ist alles nicht so einfach" und "vielleicht sollte ich nicht vorschnell urteilen."

Heute: Komplexität wird oft sehr gut versteckt. Der Mensch verliert das Grundverständnis für die Komplexität.

Auf der einen Seite ist es sicher erstrebenswert, die Schnittstelle zwischen Mensch und Technik soweit zu vereinfachen, dass diese Technik mehr Menschen zugänglich wird. Aus ökonomischen Gründen (mehr Geräte können verkauft werden) aber natürlich auch aus gesellschaftlicher Sicht (mehr Zugang erlaubt mehr Entwicklung).

Ein gutes Beispiel ist das iPad. Menschen, die früher einen Computer nur mit der Kneifzange angefasst haben, nehmen das Tablet nicht mehr als unnahbare Rechenmaschine wahr. Und das, obwohl es unter der Haube um ein vielfaches komplexer ist, als es jeder DOS-PC jemals war.

Und genau hier schrillen irgendwo tief in meinem Hinterkopf ein paar Alarmglöckchen. Denn je simpler die Schnittstelle zwischen Mensch und Technik, je mehr Komplexität wir verstecken, desto mehr wächst der Glaube, dass alles ganz einfach sei. Wir werden dadurch als Gesellschaft auch anfälliger für Stimmen, die behaupten, dass Zusammenhänge ganz einfach seien.

Wo das hinführt, überlasse ich eurer Phantasie. Das gehört in den Komplex "kritisches Denken lernen."

Ich will nicht, dass die Dinge für den Menschen wieder komplexer werden. Das würde Zugang reduzieren und Fortschritt zurücknehmen. Aber vielleicht brauchen wir heute wieder mehr "Expertenmodus"-Schalter, die uns zumindest zeigen, was unter der Haube steckt. Vielleicht brauchen wir weniger tamper-proof Schrauben und stattdessen mehr Bastelstunden, in denen Kinder auch mal was zerlegen dürfen um mit eigenen Augen zu sehen, wie die Dinge ticken.

Für mehr Expertenmodus! Für mehr Zerbasteln!

## Caffenol - Entwickler aus dem Küchenschrank

"Pulver zum Ansatz von: 600 ml"

(Quelle: https://www.fotoimpex.de/shop/fotochemie/labeauratoire-caffenol-concoction-zum-ansatz-von-600-ml.html (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre))

Kommentar:

Convenience siegt. Die Menschen sind bereit, für Shortcuts zu bezahlen. Selbst bei gefühlt banalen Dingen. Solange wir selbst tief in der Materie stecken, sehen wir das natürlich nicht. Selber kochen statt Convenience-Food. Selber machen statt kaufen. Der eigene Einsatz führt oft zu besseren und auch günstigeren Ergebnissen.

Ein aktuelles Beispiel fürs Selbermachen ist Caffenol, der Entwickler aus dem Küchenschrank. Günstige Zutaten können Film genau so gut entwickeln, wie die Industrie-Chemie. Und da es nur wenige Zutaten sind, ist das mal eben schnell selbst angemischt.

Caffenol Concoction will das noch einfacher machen und bietet sich an als Shortcut für die Filmentwicklung mit Kaffee. Das im Handel erhältliche Pulver ist bereits zu richtigen Anteilen gemischt und muss nur noch mit Wasser angerührt werden. Dabei sagt der Hersteller sogar selbst, dass es kein Geheimnis ist, Caffenol selbst zu machen. Die Rezepte stehen online und die Zutaten (billiger Instant-Kaffee, Vitamin-C, Waschpulver und Salz) gibt's im Supermarkt.

Es ist also wie bei Hummus. Oder vielleicht sogar besser. Der aus dem Supermarkt ist nie so gut, wie der selbst gemachte (Rezept auf Anfrage) wobei ich (ohne es selbst getestet zu haben) davon ausgehe, dass Caffenol Concoction wohl genau so gut sein dürfte, wie die selbstgemachte Variante. Halt nur etwas teurer.

## Entscheidungsverzug: Der große Haufen digitaler Schuld

Kommentar:

Eines meiner Lieblingsthemen ist ja die Spannung zwischen analoger und digitaler Fotografie.

Auf digitaler Seite regiert der glatte Workflow, die präzision der digitalen Sensoren, die flotte Ansammlung vieler Bilder und die automatische Ablage derselben auf Platten und in Wolken.

Auf analoger Seite herrschen eher Ruhe und Bedächtigkeit, das langsame Füllen von Filmrollen, das präzise Messen der Belichtung, die Digitalisierung durch Scannen oder Abfotografieren und die parallele Ablage in Ordnern und auf Platten.

Was dabei oft vergessen wird ist, dass die Reihenfolge in der Entscheidungen getroffen werden dabei grundsätzlich unterschiedlich ist. Das hat Auswirkungen auf die Zufriedenheit.

Kurz gesagt: Beim Film stehen viele Entscheidungen am Anfang des Prozesses. Welche Farb-/Kontrastanmutung, d.h. welcher Film? Welche ISO? Schwarzweiß oder Farbe? Außerdem sind es generell einfach weniger Entscheidungen, die zu treffen sind. Digital kann ich viele dieser Entscheidungen erst mal ignorieren. Farbanmutung, Kontraste? Egal, wird später erledigt. Welche ISO? Überlasse ich der Automatik. Schwarzweiß? Hat noch Zeit. Bildausschnitt? Ich croppe das nachher. Timing? Ist noch Platz auf der Karte, das erledige ich durch einen Burst und entscheide später.

Dabei passiert jetzt aus psychologischer Sicht etwas ganz interessantes. Da, wo ich die Entscheidungen früh treffe, kann ich mich relativ unbeschwert dem kreativen Teil der Fotografie widmen. Mir liegt keine Last auf den Schultern. Da, wo die Entscheidungen nach hinten verlagert sind, häufe ich mit jedem Druck auf den Auslöser etwas Arbeit an. Die Entscheidungen, die ich am Anfang oder während des Fotografierens nicht getroffen habe, verschwinden ja nicht.

Entscheidungen, die einmal getroffen sind (und sei es durchs Medium diktiert), belasten einen nicht mehr und eröffnen an anderer Stelle ganz neue Freiräume. Ich glaube ja, dass exakt das einer der mit Abstand wichtigsten Faktoren ist, warum einen die analoge Fotografie so richtig packen kann und dann auch erstmal nicht wieder loslässt.

## DRM im Wasserfilter

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(Quelle: Chris)

Kommentar:

Das Gillette-Geschäftsmodell funktioniert ja fast überall ganz gut. Im CM MAGAZIN 001 sprachen wir darüber, wie die Chipknappheit das DRM der Canon-Tintenpatronen etwas ad absurdum führte.

Heute bin ich über einen etwas low-technischeren Versuch gestolpert. Nicht ganz DRM (weil nicht digital) aber trotzdem nicht weniger bescheuert. Wir nutzen seit Jahren für unsere Heißgetränke einen Wasserfilter von Brita. Der Wasserkocher verkalkt damit nicht mehr und Tee und Kaffee schmecken besser.

Was wir nicht nutzen, sind die Originalpatronen von Brita. Da gibt es Alternativen, die in das Filtergefäß passen, deutlich günstiger sind und für uns genau so gut funktionieren.

Vor zwei Monaten musste ein neues Gefäß her, das alte war gesprungen. Wieder Brita, wieder baugleich. Und wie sich das gehört, kommt auch eine Original-Filterpatrone mit. Heute war es an der Zeit, die Patrone zu wechseln (Wir lassen die Patrone übrigens immer doppelt so lange drin, wie es der kleine 4-Wochen-Timer suggeriert).

Die nicht-Original-Patrone hat dann erst mal den Dienst versagt. Es kam unten einfach nix raus.

Stellt sich raus: Brita hat jetzt Hardware-DRM in ihre Filter eingebaut. Ein Ventil am Boden des Patronenhalters öffnet sich erst dann, wenn es durch spiralförmige Rillen in der Patrone gedreht wird. Und die Fremdprodukte haben diese Spirale nicht.

Bild: links neue Patrone, rechts Patrone vom Dritthersteller

Bild: Das Ventil

Mit etwas Überredungskunst (aka Bosch Akkubohrer) ist das Problem dann doch recht einfach gelöst. Ich frage mich halt nur, wieviele Kunden bei einer so kleinen Hürde gleich aufgeben.

Bild: Akkubohrer to the rescue!

Und das war's wieder für diese Ausgabe. Herzlichen Dank an Thomas, Moni und Holgi für die Zeit und für die guten Gespräche.

An euch wie immer 1000 Dank für eure Unterstützung! Wie gesagt, der eine oder andere Retweet auf Twitter von dascmmagazin, dafür wäre ich euch dankbar. Und falls ihr Ideen habt, wie das hier vielleicht noch für mehr Menschen interessant werden könnte, immer her damit.

Ihr erreicht mich wie immer per E-Mail und auf Twitter.. ich habe jetzt noch ein paar Stunden Arbeit am Analogbuch vor mir.. da muss nämlich demnächst das Manuskript zum Verlag.

Macht's gut!

Chris

PS: Du kannst dieses Magazin gratis lesen, aber gerne auch finanziell unterstützen. Dafür bekommst Du dann zu vielen Artikeln zusätzlich noch zum Hören Diskussionen zwischen Chris und seinen Gästen. Diese Woche: Thomas Brandt & Monika Andrae & Holger Klein

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