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#5 Der richtige Name

Kolumnenbeitrag vom 28.07.2024

Hallo!
Noch eine kurz in eigener Sache: Der Kolumne trägt, genau so wie ich, nun einen neuen Namen: Cosmo’s Kaleidoscope. Hier geht es ja immerhin um meine Sicht auf Dinge und die setzt sich aus verschiedenen einzelnen Teilen zusammen (eigene Erfahrungen, Theorie, Erfahrungen anderer...), die ein Thema beleuchten. Wie bei einem Kaleidoskop. Ich fand das irgendwie passend.
Im folgenden Text wird es auch um Namen gehen - nämlich meinen eigenen.
Viel Spaß und danke für‘s Lesen!
Cosmo

Inhaltswarnung: In diesem Text werden Transfeindlichkeit und Dysphorie erwähnt.

Als ich erfahren habe, wie ich hätte heißen können, war ich eigentlich ziemlich froh, dass sich meine Mutter bei der Namensgebung durchgesetzt hatte. Joana. Hitted different mit diesem schrecklichen Aprés Ski Lied im Ohr. Als ich diese Frage nach dem Entscheidungsprozess zu meinem Geburtsnamen stellte, war meine Mutter gerade dabei die Küche zu putzen. Während sie die Töpfe aus einem Regal räumte, lächelte sie und wir lachten darüber, wie ulkig Joana als Name für mich gewesen wäre. Der Name, der es für mich wurde, war derselbe den mein Onkel, ihr jüngerer Bruder trug. Ich weiß nicht mehr, ob sie erzählt hat, dass das so beabsichtigt war und ob ich deshalb so genannt wurde, weil die zwei früher ein sehr enges Verhältnis zueinander hatten oder ob ihnen der Name einfach so gefiel. Wichtig war in dem Moment für mich nur, dass der Name, den sie mir gaben, ihr scheinbar etwas bedeutete.

Eigentlich war ich aber auf der Suche danach, was dieser Name mir bedeutete. Außer dieses ziehen im Hinterkopf, wenn er denn gerufen wurde. Ich war immer froh, dass es Spitznamen gab. Spitznamen bedeuteten, so habe ich mir das zumindest zusammengereimt, dass man 1. einer Gemeinschaft angehörte, immerhin gibt die den Namen, 2. diese einen mag und 3., dass man damit automatisch cooler wurde. Außerdem, und das war für mich besonders relevant, hieß das, dass der volle Name weniger häufig für einen verwendet wurde. Doch ich versuchte mich trotzdem mit ihm abzufinden, immerhin hatte ich nur diesen einen Namen und er war wichtig für meine Eltern. Aus diesem Grund konsultierte ich das Internet und gab ihn auf Google ein, um herauszufinden, was er allgemein bedeutete. Die Antwort war wenig befriedigend oder hilfreich: „Anhänger des Glaubens an Jesus Christus“. Außer in einer kurzen Phase, in der ich regelmäßig in die Kirche ging, weil ich dachte, dass so meiner Familie nichts zustoßen könne (Gott belohnt ja die Gläubigen!), hatte diese Bedeutung nicht so viel mit mir zu tun. Also blieb es dann doch beim Spitznamen – egal wie langweilig ich ihn fand. Aber er war das kleinere Übel.

Als ich mit 15 Jahren in eine neue Schule kam, war es gerade die Hochzeit der Emo-Szene und die Anfänge von Social Media. Alle fanden für sich neue Namen und das war ziemlich aufregend, aber auch schwierig, denn der Name musste ein paar Kriterien erfüllen: Er musste am besten einzigartig sein, cool aussehen und auch so klingen. Bonus Points, wenn er auf English war. Mir fiel dazu nicht viel ein, aber eine Schulkollegin machte aus der Schreibweise meines alten Spitznamens, den Namen, durch welchen die meisten mich kennen und der es dann für einige Jahre wurde: Chrisieh. In dem Moment war das wie eine Initiation, doch war es außerdem eine Entspannung von dem Druck, den ich durch meine bisherigen Namen empfand. Ich liebte diesen Namen sehr und bis heute finde ich ihn super: Er sieht irgendwie sehr cool aus, man hat mich nicht mehr verwechselt, es war eigentlich derselbe Name wie zuvor, doch eine andere Schreibweise (deshalb unauffällig genug, um mich nicht dafür rechtfertigen zu müssen), im Internet war der Name nirgends bereits vergeben und er gehörte mir allein. Er hatte alles, was ich davon brauchte. Das Einzige, was ihm fehlte war, Professionalität. In späteren Arbeitskontexten und auf der Uni machte ich mir Sorgen, dass ich damit irgendwie zu „unreif“ wirken könnte, deshalb verwendete ich ihn nur mehr online und bei Freund*innen und versuchte mich einmal mehr, mit meinem vollen Namen anzufreunden.

Richtig warm wurden wir aber nicht und das hat mich sehr verwirrt. Ich verstand diese phasenweise mehr oder weniger große Abneigung zu ihm nicht. Er hatte mir nichts getan. Wenn andere Menschen ihn trugen, fand ich ihn eigentlich sogar total schön. Doch zu mir passte er irgendwie nicht. Vielleicht musste ich einfach nur an mir arbeiten und mich dem Namen anpassen? Aber wie? Dabei war vor allem meine große chosen Schwester ein Vorbild für mich und gab dem Namen eine neue Bedeutung. Ich verdanke ihr sehr viel und sie ist nicht nur ein wunderschöner Mensch, der in meiner Wahrnehmung alle immer verzaubert, die ihr begegnen, sondern auch einer der großherzigsten, integersten und schlausten Menschen, die ich je getroffen hatte. Niemand, den ich kenne, liebt so furchtlos wie sie. Das habe ich immer bewundert und das ist, was dieser Name für mich fortan bedeutete. Damit habe ich irgendwie Frieden mit dem Namen geschlossen und trug ihn voll Stolz.

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