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Drei Bücher, ein Thema: Späte Lust aufs Lesen

In der Bücherei bin ich immer beeindruckt: Regalmeter um Regalmeter sind gefüllt mit Erstlesebüchern. Das ist wunderbar für alle Kinder, die "dem Standard entsprechend" mit sechs oder sieben Jahren lesen lernen, denn an sie richten sich die Themen: Schulanfang, lustige Monsterchen, Tiergeschichten, Feuerwehr, Fußball, Ponyhof oder Kindergeburtstag. (Rollenklischees sind da häufig nicht weit, aber dazu mal an anderer Stelle.) Doch was ist mit den Kindern, die etwas später dran sind? Vielleicht tun sie sich mit dem Lesenlernen schwer, vielleicht entwickeln sie erst spät Interesse an Büchern (vielleicht weil sie darin zu wenig unterstützt wurden), vielleicht haben sie erst vor Kurzem Deutsch gelernt. Meine persönliche Erfahrung - mein Sohn ist auch ein eher "später Leser" - zeigt: Mit Erstlesebüchern, die ihrem Leseniveau entsprächen, braucht man Acht-, Neunjährigen nicht mehr kommen, weil sie sie inhaltlich einfach nicht mehr interessieren.

Systematische Leseförderung ist hier natürlich hilfreich. Darüber hinaus haben einige Verlage genau für diese Zielgruppe Konzepte und Bücher entwickelt. Drei von euch stelle ich euch vor - und freue mich über weitere Anregungen! Als Mitglieder*innen könnt ihr mir Nachrichten schicken und meine Beiträge kommentieren.

Nina George, Jens Kramer, Horst Hellmeier: Stinknormal ist anders - Die Abenteuer des Super-Pupsboy

Paul hat ein Problem: Wenn er die falschen Dinge isst, muss er pupsen - und dann passieren wilde Dinge: Der Marzipan-Pups lässt alle einschlafen, der Lakritz-Pups löst Lachsalven aus und der Erdbeer-Pups, oweh: Der bringt alle Leute im Umkreis dazu, die Wahrheit zu sagen. In diesem ersten Band versuchen Paul, sein bester Freund Blümchen und ihre neu gewonnene Freundin Sam, die verschiedenen Pups-Auswirkungen herauszufinden - und mit dieser "Fähigkeit" klarzukommen.

Ich war zunächst skeptisch. Mir fehlt einfach die Begeisterung für Pipipupskacka (und auch das Verständnis für diese Begeisterung). Zum Glück habe ich die Geschichte trotzdem gelesen! Sie ist nämlich auch für Fäkalwitz-Skeptiker*innen lustig und für die anderen (zum Beispiel meinen Sohn) eh bester Lesespaß - nimmt aber auch die schwierigen Situationen, in die Paul gerät, gebührend ernst. Wie alle Bücher der "Lese-Checker*in"-Reihe besteht der Text aus einer Schriftart ohne Serifen (also den Häkchen an den Buchstaben) und ist zusätzlich aufgelockert durch einzelne Sätze oder Wörter in verschiedenen comicartigen Schriften und kleinen Zeichnungen. Die Sprache ist leicht verständlich, ohne zu langweilen - und ein Daumenkino, bestehend aus einer Wolke, die eine Punktereihe hinaufwandert, zeigt an, wie weit man in der Geschichte schon gekommen ist. Für die knapp 200 Seiten muss man im Lesen schon einigermaßen sicher sein. Die Lesemotivation wird hier aber auf jeden Fall wach - auf angenehm unaufdringliche Weise.

Reihe "Lese-Checker*in", Planet Verlag, ab 8 Jahren, 13 Euro.

Cover von "Stinknormal ist anders - die Abenteuer des Super-Pupsboy" aus dem Planet Verlag.

Vashti Hardy: Molly und das Rätsel von Moorland.

Die 13-jährige Molly ist frustriert: Sie lebt in einer Familie von Wächtern, die für die Sicherheit von Moorland zuständig sind. Doch sie selbst ist noch zu jung für die Wächter-Einsätze, zu denen ihre Mutter und ihr Bruder über eine magische Karte gerufen werden. Doch eines Tages geht über die Karte ein Hilferuf ein und niemand ist da, der ihn annehmen kann. Molly schnappt die Chance, bricht auf - und gerät schnell in Gefahr: Denn der Hilferuf entpuppt sich als Verschwörung mit dem Ziel, Mollys Familie auszuschalten.

"Superlesbar" heißt die Reihe aus dem Beltz & Gelberg Verlag, zu dem auch Gulliver gehört, und dieses Versprechen löst das Buch voll ein. Auch hier ist die Schriftart serifenlos, zusätzlich ist der sprachlich sehr einfach gehaltene Text durch viele Absätze aufgelockert. Den "superlesbar"-Aufkleber auf dem Cover kann man abziehen, falls einem der Hinweis zu prominent erscheint. Die Geschichte selbst hat mich nicht ganz überzeugt: Der Einstieg gerät sehr unvermittelt, das macht die Orientierung schwer - und die Hauptfiguren und ihre Entwicklung sind etwas holzschnittartig. Aber es gibt ja noch viele weitere Bücher in der "superlesbar"-Reihe, sogar welche für 12- und 13-Jährige.

Gulliver Verlag, ab 9 Jahren, 11 Euro.

Cover von "Molly und das Rätsel von Moorland" aus der "superlesbar"-Reihe im Gulliver Verlag.

Katja Brandis, Stefanie Schur: Woodwalkers in Einfacher Sprache.

Für die, die es nicht eh schon wissen: "Woodwalkers" ist eine Bestseller-Reihe rund um den Jungen Carag, der sich in einen Puma verwandeln kann und mit anderen Gestaltwandlern ein Internat besucht und Abenteuer erlebt. Dieses Buch ist also nicht extra für Leseschwächere geschrieben worden, sondern das Original wurde gekürzt und in Einfache Sprache übertragen. Anders als für die Leichte Sprache, die für Menschen mit geistigen Einschränkungen entwickelt wurde, gibt es für die Einfache Sprache keine festen Regeln. Der Arena Verlag macht es so: Im Vergleich zum Original sind die Sätze kürzer und einfacher gebaut. Der Wortschatz ist entschlackt, Wörter wie "Killerblick" kommen nicht vor. Schwierige oder eher unbekannte, aber unverzichtbare Wörter wie "Hinterläufe", "Revier" oder "Trophäe" werden im Text unterstrichen und in einem Glossar erklärt. Längere Wörter wie "Krankenstation" oder "teilverwandelt" lassen sich dank eines Mediopunkts ("teil • verwandelt") leichter erfassen. Die Schrift ist nicht serifenlos, aber mit größerem Zeilenabstand gesetzt und durch viele Absätze unterteilt.

Ich habe dieses Buch einem zweifachen Test unterworfen: Meine Tochter hat es gelesen, die sämtliche "Woodwalkers"-Bände im Original bereits verschlungen hat. Und ich habe es gelesen, ohne einen der Bände vorher zu kennen. Unser gemeinsames Fazit: Wir sind begeistert! Klar ist diese Ausgabe "weniger detailreich" (sagt meine Tochter), ihr Lese-Erlebnis hat das aber nicht geschmälert. Und auch meine Lesefreude hat mit der Einfachen Sprache nicht gelitten. Besonders charmant finde ich, dass mit dieser und den anderen Ausgaben in Einfacher Sprache (etwa die "Duftapotheke") leseschwächere Kinder das Gleiche lesen können, was die anderen lesen. Von Büchern in Einfacher Sprache dürfte es noch viel mehr geben.

Arena Verlag, ab 10 Jahren, 10 Euro.

Cover von "Woodwalkers in Einfacher Sprache" aus dem Arena Verlag.

Sujet Drei Bücher, ein Thema

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