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ich sammle Kastanien.

In der Schule habe ich noch gelernt, dass sich eine Lücke im Lebenslauf schlecht macht, wenn mensch keine gute Erklärung dafür hat.
Bei mir ist es eine riesige Lücke und meine Erklärung dafür ist weder gut, noch schlecht.
Sie ist einfach ehrlich: Ich habe drei Jahre lang ein Kind gepflegt
und seitdem es vor zwei Jahren gestorben ist, vermisse ich es.

Ich kann diese Lücke erklären.
Ich kann fremden Menschen erzählen, was mir passiert ist, ohne weinen zu müssen.
Weil ich es geübt habe.
Schon als dieses wundervolle Kind noch lebte, war klar,
dass es sterben und sich das Jetzt für immer verändern würde.
Ich spreche seit fünf Jahren über das Sterben und Fehlen meines Kindes.

Eine riesige Lücke, so leer. So voll.
Voll von Liebe und Leben.
Vermissen und Wut.
Und Ohnmacht. Überall Ohnmacht.

Ich habe unterschätzt, dass mit dem Tod meines Kindes
auch mein Leben danach in keinen schicken Lebenslauf mehr passt.
Es ändert sich nicht nur das Jetzt, sondern alles, was kommt.

Wer sitzt mit mir auf dem Spielplatz,
wenn hier tatsächlich noch einmal ein Kind geboren wird?
Wer ist da, wenn die eigenen Kinder zu alt geworden sind, um im Sand zu buddeln?
Die Lücke in meinem Lebenslauf ist so lang wie eine halbe Kindheit.

Was füllt diesen Raum zwischen den Schwestern, die dann Teenager sind und mir,
die doch nur ein bisschen noch heilen will?
Was wohnt zwischen uns, die wir waren und neben Fritzi, die für immer bleibt.

Es ist die Liebe, denken alle sofort und das klingt doch auch schön.
So groß und berührend, wohlig und warm.
Und ich glaube, das reicht nicht.

Wir werden Freunde brauchen, die mit nackten Füßen und sehr großen Kindern durch den Sand toben wollen, weil wir ihnen immer noch wichtig sind.
Wir werden uns erinnern müssen an eine Fritzi, die zu Ostern lieber Kastanien gesammelt und von Käse nie genug bekommen hat.
Wir werden Mut aufbringen müssen, um diesen Raum mit Geschichten und Tränen, mit Lachen und Freude, mit Sinn und Ehrlichkeit zu fluten.

Eine Lücke im Lebenslauf muss mensch nicht gut erklären können.
Sie ist da, weil sie da ist.
Was wir brauchen, ist ein Anschluss.
An den Riss in der Zeit und dem Schmerz tief im Herzen.
Und Liebe. Natürlich.

Vermutlich habt ihr diesen Text von mir auf instagram schon gelesen.
Ich arbeite aktuell viel. So viel, dass ich einen Monat lang nicht geschafft habe, hier einen Text zu veröffentlichen. Und das tut mir leid. Für euch, die ihr wartet und mich finanziell dabei unterstützt, einen Teil meines Lebensunterhaltes mit Schreiben zu verdienen.
Es tut mir leid. Und ich kann gut damit leben.

Das ist eine wichtige Erkenntnis, denn ich spüre, dass ich ganz langsam verstehe, dass meine Leistung nicht meinen Wert bestimmt.
Ihr seid hier, weil ihr an mich glaubt. Weil meine Gedanken und Worte euch geholfen haben, euch abholen, euch bewegen, euch nachdenklich machen.
Was auch immer: Ich bedeute euch etwas und ich bin es euch wert.
Und ich bin es mir wert.

Postkarte “Botschaften für Dich 1” (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) von Jasmin Sturm @farbflausen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

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