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Thema der Woche: Olympia ohne Russland

von Bernd Schwickerath

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Die russische Fahne wird 2026 in Mailand nicht zu sehen sein. © City-Press

Luc Tardif kommt gern etwas großväterlich daher. Nettes Lächeln, weiche Stimme, dazu dieser französische Akzent. So wirkt eigentlich niemand, der harte sportpolitische Debatten führt und Entscheidungen trifft. Und dennoch sollte man den IIHF-Chef nicht unterschätzen. Wie er gegenüber dem IOC auftritt, gegenüber der NHL oder gegenüber Russland – das unterscheidet ihn fundamental von seinem Vorgänger Rene Fasel.

Fasel war der Inbegriff dessen, was man an Sportfunktionären verachtet. Ein Wegseher und Schönredner, der unter dem Deckmantel der Verständigung mit jedem gekuschelt hat, auch gern mit Diktatoren. Unvergessen sein Anbiedern an die Machthaber aus Russland, aus Belarus, aus China. Ob Staatsdoping, Umweltzerstörung, Menschenrechtsverletzungen oder sogar Kriege – Fasel lächelte das alles weg. Es sei ja nicht die Aufgabe eines Eishockeyverbandes, sich politisch einzumischen. Aber natürlich tat er genau das. Wenn die IIHF unter seiner Führung Politikern erlaubte, den Sport für ihre Propaganda zu nutzen, dann agierte natürlich auch sie politisch.

Auch Tardif tut das, aber eben anders. Seit Beginn des Überfalls Russlands auf die Ukraine hat er sich klar positioniert. Zwar macht er keinen Hehl daraus, dass die IIHF finanziell unter dem Ausschluss Russlands leidet. Aber ihm scheint es da um mehr zu gehen. Ob es lediglich der interne (mächtige Mitglieder) und externe (Sponsoren, Öffentlichkeit) Druck ist, kann niemand sagen. Aber zumindest zeigt er klare Kante. In seiner Amtszeit gibt es von der IIHF öffentliche Ansagen an Russland, Rekordstrafen und eben den Ausschluss. Für Tardif steht fest: So lange in der Ukraine gemordet und zerstört wird, spielt Russland nicht mit.

Da war es keine große Überraschung, dass Tardif auch am Sonntag bei der Abschlusspressekonferenz bei der Eishockey-WM in Stockholm deutliche Worte sprach zum Thema Russland und Olympia 2026 in Mailand. Seine Sprecherin wollte das zwar vermeiden, gleich zu Beginn der PK bat sie die Medienleute darum, lediglich Fragen zur aktuellen WM zu stellen, aber natürlich hielt sich niemand dran. Und Tardif schien kein Problem damit zu haben, sprach offen aus, was in den vergangenen Wochen hinter den Kulissen abgegangen war.

„Wir haben Druck auf das IOC ausgeübt hat, eine Entscheidung zu treffen“, sagte er zum Beispiel. Als eher kleiner Verband die mächtigste Organisation im Weltsport vor sich hertreiben und das dann öffentlich erzählen – das bringt nicht jeder. Und auch den entscheidenden Satz sagte er laut: „Das IOC hat uns mitgeteilt, dass das Russische Olympische Komitee nicht an den Olympischen Spielen teilnehmen wird.“

Das war etwas kurios, weil es ja normalerweise die Aufgabe des IOC ist, solche weitreichenden Entscheidungen zu kommunizieren. Aber andererseits passte es zu Tardif, dass er selbst nun voranging. Im Hintergrund dürften seinen Medienleuten wahrscheinlich die Gesichter aus den Köpfen gefallen sein. Kein Wunder, dass es im Gegensatz zu den Vorjahren keine Zusammenfassung der PK auf der IIHF-Homepage gab. Wahrscheinlich wusste niemand, was er/sie da schreiben soll, ohne dem IOC vor den Kopf zu stoßen.

Das IOC selbst brauchte dann auch einige Tage, um sich dazu zu äußern. Aber diese Woche hat es die Worte des IIHF-Chefs dann doch bestätigt. „Die Empfehlung der IOC-Exekutive aus dem März 2023 bezüglich Mannschaften von Athleten mit einem russischen Pass bleibt bestehen. Sie basiert auf der Tatsache, dass eine Gruppe neutraler Einzelathleten per Definition nicht als Mannschaft angesehen werden kann", teilte das IOC mit. Soll heißen: Einzelsportler könnten eventuell bei Olympia teilnehmen, aber eben keine Teams.

In Russland kam das natürlich weniger gut an. Eishockey ist ja nicht irgendeine Disziplin, sie ist eigentlich die einzige der großen Mannschaftssportarten, in denen die Russen auf Weltniveau spielen und sich mit ihren geopolitischen Widersachern aus dem Westen messen können. Nicht wenige in Russland halten sich sogar nach wie vor für die Eishockeynation Nummer eins.

Schauen wir auf die Weltrangliste, stimmt das sogar. Kurioserweise stehen die Russen nach der WM 2025 nun ganz vorne. Sie wurden von der IIHF ja nicht komplett ausgeschlossen, sondern lediglich suspendiert. Oder eingefroren, wenn man so will. Bedeutet: Sie halten weiter ihre Punkte aus den Jahren vor ihrem Ausschluss. Und sie waren eben recht erfolgreich, während andere Nationen die üblichen Schwankungen hatten.

Mal waren die Finnen oben, mal die Kanadier, mal die Schweden, jetzt die USA, mal kamen Schweizer oder sogar Deutsche ins Finale. Die Russen wiederum hatten keine Schwankungen, weil sie eben gar nicht mitspielten konnten. Und dennoch behalten sie ihre vielen Weltranglistenpunkte einfach – damit sie nicht immer weiter absteigen und bei einer möglichen Rückkehr in der B- oder gar C- oder D-WM starten müssen.

Rein sportlich ist das sogar verständlich. Wem würde es etwas bringen, falls die Russen nun noch ein paar Jahre gesperrt bleiben und dann ganz unten wieder anfangen müssten? Wenn sie 100:0 gegen Hobbbymannschaften aus Singapur und Mexiko gewinnen würden und Jahre bräuchten, um wieder oben dabei zu sein? Aber andererseits zeigt das gut, dass sich die IIHF eben doch nicht komplett von Russland emanzipiert hat.

Allein, dass es 2018 die vollen Punkte für seinen Olympiasieg bekam, ist absurd. Offiziell war Russland ja wegen Staatsdopings gesperrt, am Start war lediglich die Auswahl „Olympischer Athleten aus Russland“. Aber das störte niemanden in der IIHF so recht, wo russische Funktionäre auch weiter in Gremien sitzen. Das mag noch ein Erbe der Fasel-Zeit sein, aber wir sollten auch nicht so tun, als zeigten alle in der IIHF klare Kante.

Auch Tardif hat vor ein paar Monaten noch mal gesagt, dass er Russland „so schnell wie möglich“ wieder dabei haben will. Zumindest weiß er, dass das unter den aktuellen Voraussetzungen eben nicht möglich ist. Da kann Russland eine noch so große Eishockeynation sein. Und dafür braucht es nicht mal diese absurde Weltrangliste. In Russland selbst schaut man vor allem auf die Sowjets der 70er und 80er, die bei Olympia und Weltmeisterschaften alles gewannen. Aber dort gab es eben nie den Vergleich mit den NHL-Stars.

Den gab es dafür 1972 bei der Summit Series – und da waren die Sowjets dann deutlich stärker, als es die Kanadier vorher wahrhaben wollten. Zwar gewann Kanada die Serie hauchdünn im letzten der acht Spiele, aber vor allem die ersten Spiele hatten das Mutterland des Eishockeys geschockt. Nun gehört natürlich zur Wahrheit, dass die Sowjets viel länger und mehr gemeinsam trainiert hatten, die Kanadier waren eher eine kurzfristig zusammengewürfelte Mannschaft. Aber wie eng die Serie wurde, das überraschte dann doch viele. Die Sowjets hatten ihren Status als Eishockey-Großmacht eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Nach der Wende in Osteuropa sah das allerdings anders aus. Natürlich hatten die Russen auch seit Beginn der 90er Superstars: Pavel Bure, Sergej Fedorov, Alexander Mogilny, Pavel Datsyuk, Igor Larionov, Sergej Zubov, um nur einige zu nennen. Und die gibt es immer noch, aktuell sind sie bei den Torhütern durch Andrei Vasilievski, Igor Shesterkim, Ilya Sorokin oder Sergei Bobrovsky wahrscheinlich am tiefsten besetzt, in Alexander Ovechkin haben sie den ewigen Rekord-Torjäger der NHL, zudem gibt es noch Leute wie Nikita Kucherov, Kirill Kaprisov oder Artemi Panarin.

Aber insgesamt reicht das nicht mehr, um an Kanada heranzukommen. Vielleicht auch nicht mehr für die USA oder Schweden. Nicht zufällig hat Russland als eigenständige Nation noch kein Best-on-Best-Turnier gewonnen. 2018 gab es zwar Olympiagold, aber ohne NHL-Spieler nahm das kaum jemand ernst.

Nächstes Jahr in Mailand wird es also wieder kein Gold für die Russen geben. Wobei sie das Verbot nicht auf sich sitzen lassen wollen. Mehrere Sportfunktionäre kündigten diese Woche an, gegen den Olympia-Ausschuss juristisch vorgehen zu wollen. Denn wie gesagt: Eishockey ist in Russland vor allem Politik.

Dafür muss man nicht mal auf die lange Geschichte des politischen Sports in der Sowjetunion zurückschauen. Zwar soll hier jetzt nicht so getan werden, als sei Sport als Propaganda im Westen unbekannt. Aber in Russland ist der Staat noch mal ganz anders involviert, auch im Eishockey.

Man schaue nur auf die KHL, die nicht nur über den Staat und Kreml-nahe Oligarchen finanziert wird, es gibt dort auch offene Propaganda für den Krieg in der Ukraine. Da wird auch mal ein Torwart wie Ivan Fedotov, der einen gültigen Vertrag mit den Philadelphia Flyers unterschrieben hat, vom Wechsel in die NHL abgehalten, indem er in ein Militärlager gesteckt wird. Und vergessen wir bitte nicht die klebrige Nähe zwischen Putin und Ovechkin, der vor einer Präsidentschaftswahl ein eigenes Wahlkampfteam aufstellte und sich bis heute nicht vom Diktator oder dem Krieg distanziert hat.

Dass eben jener Ovechkin nun um seine wohl letzte Olympia-Chance gebracht wird, wird in Russland als besonders bitter betrachtet. Zumal die NHL-Stars der anderen Nationen ja endlich wieder dabei sind. Als kämen alle zur großen Party, aber man selbst ist nicht eingeladen. Die Schuld dafür müssen wir aber natürlich nirgendwo anders suchen als in Russland selbst.

Rein sportlich ist das dennoch ein großer Verlust, da müssen wir nicht drumherum reden. Eine der größten Eishockeynationen ist nicht dabei, wenn sich endlich mal wieder die Besten der Besten gegenüberstehen – das ist nicht gut für den Sport. Aber hier geht es eben um mehr als Sport. Und um mehr als Geld.

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