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Das Denken der Künste - Gilles Deleuze zum 100. Geburtstag

Das Werden statt des Seins? Philosophen als Begriffsfiguren, nicht Personen? Begriffe erfinden, anstatt sie zu klären? Pipi-Kaka-Sprache, so sinngemäß Manfred Frank, einst einflussreicher Philosophielehrer, in einer Kritik des "Anti-Ödipus" von Gilles Deleuze und Flexi Guattari? Rhizomatisches Denken? Was soll das denn heißen, wo doch die wenigstens wissen, dass die Begonie auf ihrem Balkon Rhizome ausbildet?

 Ich bin kein Deleuze-Experte und wage diesen Text dennoch. Er gehört für mich zu den eher späten Inspirationen meines Denkens und sogar auch filmischen Schaffens. Der Name war zuvor mir lange schon geläufig, zumeist als Freund und philosophischem Weggefährten Michel Foucaults - oder als jemand, den Germanisten in Philosophieseminaren in Zitaten aus dessen Werk eher beschworen denn verstanden, um sich von Herbert Schnädelbach dann einen Rüffel einzufangen: "Ist ja schön und gut, aber was soll denn das heißen?"

 Nicht zufällig begegnete er mir später als harte Währung in der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg. Ein Graduiertenkolleg "Ästhetiken des Virtuellen" wurde dort von meinem mitten im Dissertationsprozess plötzlich verstorbenen Doktorvater Hans-Joachim Lenger ins Leben gerufen. Die Konzeption der "Aktualisierung des Virtuellen", dazu später mehr, ist zentral u.a. in den Kinobüchern von Gilles Deleuze. Michaela Ott, sie übernahm die Betreuung meiner Doktorarbeit, ist anerkannte Deleuze-Expertin.

 Habermasianer wie ich galten dort als gar keine richtigen Philosophen. Berührungsängste verspürte ich allerdings keine, als ich mich in ein Seminar zu dem "Zeit-Bild - Kino 2" von Deleuze begab. Hans-Joachim Lenger und Pepe Danquart als Professor für Dokumentarfilm leiteten es gemeinsam. Begleitend bot Hans-Joachim eine Übung an, in der wir "Materie und Gedächtnis" von Henri Bergson lasen - eine ungemein hilfreiche Lektüre und Erweiterung meines Horizontes, die ich dankbar annahm. Die Bergson-Bezüge ziehen sich durch beide Bände der Kino-Bücher von Gilles Deleuze.

 In den Diskussionszusammenhängen der Älteren (Horkheimer, Adorno, Marcuse) und Neueren Kritischen Theorie (Habermas, Honneth) taucht der nur als Vorgeschichte der "Lebensphilosophie" auf, eben jener aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die "Leben" als zentralen Begriff betrachtete und vielen als Wegbereiter der Existenzphilosophie wie auch eines irrationalistischen Präfaschismus galt.

 Die Lektüren belehrten mich eines Besseren. Bergson thematisiert in "Materie und Gedächtnis" zwei Weisen des Erinnerns: körperliche, "sensomotorische" Einübung wie im Falle des Erlernens eines Instruments, irgendwann "weiß" man die Tonleitern und Akkorde, sie sind im "Körpergedächtnis" installiert, und kann sie spielen. Und eben der Raum des "Virtuellen", ein freier Assoziationsraum vergangener Eindrücke, Empfindungen und Erfahrungen, die sich zu Erinnerungsbildern verdichten können. Erkenntnis erfolgt, wenn diese verdichteten Erinnerungsbilder mit aktuellem Geschehen abgeglichen werden. So ungefähr funktioniert die "Aktualisierung des Virtuellen"; zudem eine Struktur der Koexistenz von Vergangenheit und Gegenwart, die immer schon vorbei ist. Zeit denkt Bergson dabei nicht als Abfolge von Zeitpunkten, sondern in Ver- und Abläufen von einer gewissen Dauer. Diese Annahmen wendet Deleuze auf das Kino an. Deshalb: "Bewegungsbild". Man sieht Bewegungen, keine Abfolge von einzelnen Bildern.

 Ohne allgemeine Expertise im Falle von Deleuze zu beanspruchen, scheint es mir nicht unzutreffend zu sein, hier einen Kern seines Philosophierens zu entdecken. Das Werden als Zentrum seines Denkens steht auch am Anfang des zusammen mit dem Psychiater Felix Guattari verfassten "Was ist Philosophie?”. Deleuze hat u.a. Bücher über Nietzsche, Kant, Leibniz und Foucault verfasst (letzteres eine Zusammenstellung von einzelnen Schriften) und sein Denken in einer sehr unorthodoxen Kommunikation mit der Philosophiegeschichte entwickelt. Er operiert dabei sprunghaft, manchmal assoziativ, im "Flow", experimentell und nicht wie der klassische Aufsatz zu Hegel bei irgendeinem Symposium in Deutschland in strengem didaktischem Aufbau. Die zusammen mit Felix Guattari verfassten Schriften präsentieren sich anarchisch und komplex. Das "Rhizomatische", oben erwähnt, fordert im umfangreichen Gemeinschaftswerk "Milles Plateau" programmatisch ein antisystematisches Denken, dass sich verzweigt, wuchert, Triebe bildet, ohne dass nun alles aus Prinzipien, Grundgedanken oder Axiomen abgeleitet wäre oder sich wie im Falle Hegels gar als dialektische Entfaltung der Vernunft in der Geschichte begreift. Es wird von Warhol bis Pasolini, von musikalischen Motiven bis hin zu Zertrümmerungen der Psychoanalyse allerlei Außerphilosophisches hinzugezogen, neu gewürfelt und dann originell weiterverarbeitet. In manchen Phasen, vor allem rund um den "Anti-Ödipus" herum, erschienen 1972, wird auch gefickt und ins Vulgäre hinein formuliert, um die anständigen Korsette der Philosophie zu sprengen. Dennoch bewegt sich der oft gar nicht hergeleitete, sondern behauptete Bezug zur Philosophie stets auf höchstem Niveau und wird immer produktiv gewendet, nicht einfach nur als Hermeneutik zum Textverständnis installiert.

 Einen Abschnitt, der sich bei mir festgesetzt hat, bildet das Kapitel zu "Das Denken und das Kino" im "Zeit-Bild". Dieses "Denken des Films" und dass es letztlich der Film selbst sein könnte, der denkt, hat sich dabei in mir festgesetzt.

 Die Ausführungen beginnen damit, dass durch den Film, die Selbstbewegung des Bildes in einer Apparatur, Kamera wie Projektor, einen Schock im Denken verursacht habe. Kein Geist, kein Körper habe die Bilder in Bewegung versetzt; sie bewegen sich durch das Einstarten des Film mechanisch, anders als die Gemälde Rembrandts. Deleuze ist Kinogänger, kein Filmproduzent. Dass da immer noch Kameraleute operieren, das ist deshalb sein Thema nicht. Die Automatisierung der Bewegungsbilder lasse ein Denken entstehen, das ihr folge, nicht mehr Gedanken voneinander ableite. Es trete in den Bewegungskreislauf ein, in die Dynamisierung (S. 205), die Denken im Schockzustand erzwinge. In vulgärer Form setze es einfach auf die schockierende Wirkung von Gewalt in seiner figurativen Dimension und sei für Propaganda nutzbar. Das Sprengen des Denkens erfolge jedoch durch den Charakter der Bewegung in den Bildern selbst; gleich dem Erhabenen erzeuge es eine Welt, die Denken übersteige. Das ist Rekurs u.a. auf Kant, für den z.B. Naturkatastrophen in Wahrnehmenden eine Wirkung entfalten, die das begriffliche Fassungsvermögen sprengen und der die Einbildungskraft nicht mehr folgen könne.

Frühe Regisseure wie Murnau und Fritz Lang, hätten je unterschiedlich im Rahmen solcher Konzeptionen des Erhabenen operiert. Eisenstein entwickelte daraus eine dialektische Konzeption - das Denken bewege sich von der Wahrnehmung hin zu Konzepten und ziele darauf, dazu zu zwingen, das Ganze, die Totalität zu denken. Nicht als logische Wirkung, sondern als tatsächliche Einwirkung der Bewegungsbilder auf die "Gehirnrinde". Man komme nicht umhin, zu synthetisieren, schaut man Filme, in der Relation von physischen Wahrnehmungen und dem Versuch, sie begrifflich zu fassen.

 In der Montage zeige sich Eisenstein zufolge der intellektuelle Prozess, damit umzugehen; die einzelnen Bestandteile kleben die Produzierenden zum ganzen Film zusammen, der nicht in seinen Einzelteilen aufgehe und dabei auch noch Emotionen anstachele. In diesen Passagen referiert Deleuze Eisensteins konzeptionelle Texte wie die eines Philosophen. In Pasolinis "Teorama" spürt er axiomatisches Denken auf, bei Orson Welles "Citizen Kane" entdeckt er später im Buch eine komplexe Philosophie der Zeit, die jene Bergsons, oben skizziert, ins Bild setze. "Citizen Kane" arbeitet mit einem Konzept der Tiefenschärfe; der Hintergrund im Bild ist nicht unscharf, sondern ist präzise aufgenommen. Der ganze Film ist erzählt als eine Art inszenierter Rückblende. In einer Rahmenhandlung sucht ein Reporter Menschen auf, die Hauptfigur Charles Foster Kane, einen Medienmogul, kennen gelernt und mit ihm zusammengearbeitet haben. Um zu wissen, was Kane meinte, als dieser auf seinem Sterbebett "Rosebud" sagte, begibt sich der Reporter auf die Suche. Spoiler: es ist der Name eines Schlittens aus Kindheitstagen des Verstorbenen. Eine frühe Erinnerung. Der Film enthält viele visuelle Effekte, die heute üblich sind, die Übergänge zu den Inszenierungen zwischen Rahmenhandlung und der filmischen Dramatisierung des Lebens Kanes sind fließend - es wird aus der Interviewsituation mit Zeitzeugen in die Inszenierung des Lebens von Kane gewechselt. Deleuze stellt die These auf, dass der scharf gefilmte Bildhintergrund die Vergangenheit sei und sie sich aktualisiere, bewegt sich ein Protagonist aus ihr heraus in den Vordergrund der Einstellung, die Gegenwart. Insofern "denkt der Film" die so komplexe Zeitphilosophie Bergsons im Wechselspiel zwischen Zuschauenden und Leinwand. Er illustriert sie nicht nur. Der Film IST das Denken dieser Philosophie. Er führt sie prozessual durch.

 Deleuze beschäftigt sich jedoch wenig mit den Produktionsbedingungen, Lieblingsthema hier auf dieser Seite, des Kinos. Er stellt die These auf, im Kino seien alle anderen Künste enthalten; die Mitwirkung von Dali an Hitchcock-Filmen mag das buchstäblich belegen. Deutlich wird es auch in expressionistischen Filmen wie "Das Kabinett des Doktor Caligari" oder den Filmen Peter Greenaways, der mit Motiven und Einstellungen aus der bildenden Kunst arbeitet. Was in diesen Fällen noch die Kulisse bildet und die Set Designer herstellen, wird heute häufig im Computer generiert; die Schauspielenden agieren nur noch in Greenboxes, den Rest erledigt die Software. In dieser tauchen Prinzipien der Hell-Dunkel- und Schichtenmalerei alter Meister wieder auf. Oft wird erst ein 3D-Modell aus Rastern gebaut oder es werden reale Schauspieler mit Tracking Points versehen, auf die dann Schicht um Schicht das später Sichtbare "draufgerechnet" wird - wie auf eine Untermalung. Anwendungen von Picasso oder Schiele sind eher selten zu sehen. Die hängen in Filmen an der Wand oder werden im Thriller geraubt. Musik spielt eine große Rolle, Deleuze erwähnt diese auch. Mir scheint jedoch, dass ihm die Pointe der "Aktualisierung des Virtuellen", das Verhältnis des idealen Seins der Partitur und ihrer Aufführung, zudem ihr Sein im Werden und Prozessualen - ein Ton ist keine Symphonie - letztlich entgangen ist. Zumindest akustische Schockwirkungen konnte die Musik vor Automation im Orchester durchaus entfalten; in der Oper noch darüber hinaus. Deleuze jedoch bleibt zumeist beim Bild, wenn ich mich recht erinnere.

 Deleuze konzentriert sich ganz auf Film von den frühen Produktionen aus der Zeit des Stummfilms bis zum italienischen Neorealismus und "Letztes Jahr in Marienbad (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)" . Er zeigt auf, wie allmählich die Zeit selbst Material des Films wird; zu Sichtbarkeit gelangt. Manchmal wirkt es dabei seltsam, dass er auf diesen Kanon zurückgreift. Er zeigt auf, dass nach den Propagandabildern des Nationalsozialismus und Stalinismus der Glaube an die Repräsentierbarkeit von Wirklichkeit durch Film in sich zusammengebrochen sei. Das mag im Falle des  durchästhetisierten und verrätselten "Letztes Jahr in Marienbad" plausibel sein; weniger jedoch im als Beispiel angeführten "Fahrraddieb" von de Sica. Der Plot folgt einem verarmten Menschen, der, um irgendwie Geld zu verdienen, sich ein Fahrrad zulegt. Dieses wird ihm gestohlen - der Film zeigt die Versuche, es wieder zu erlangen und endet recht fürchterlich. Das Eindringen der Zeit als Zeit macht Deleuze nicht an den Bildern fest, sondern an Unterbrechungen der Story. Mitten in der Jagd nach dem Fahrrad beginnt es zu regnen; Menschen stellen sich unter und rauchen eine Zigarette. Er entwickelt zwar Begriffe für allerlei neue Zeichen im Film selbst, changiert dann aber immer wieder zwischen sprachlichen und inhaltlichen Ebenen im Falle von Filmen, die einen sozialen Realismus inszenieren und somit innerhalb der Repräsentierbarkeit operieren.

 Da er die Filme jedoch voraussetzt, einfach als Beispiele aufzählt, ohne sich allzu sehr in Analysen und längeren Beschreibungen derer zu vertiefen, verschwindet manchmal das, was das Buch doch zu zeigen versucht: das Denken des Films. Ja, die Überschrift des Kapitels ist "das Denken und der Film", das Wechselverhältnis. Dennoch ist die sich in der Rezeption präsente Deutung "Denken des Films" ein Sujet, das sich seinen Analysen in den Passagen zu "Citizen Kane", wo die Aktualisierung des Virtuellen der Erinnerung nichts ist, was konzeptionell nur einen reflexiven Rahmen bilden würde, sondern tatsächlich in den Bewegungsbildern zeigt, ein Beispiel für das Denken des Films, das in anderen Fällen nicht mit gleicher Plausibilität belegt wird.

 In dem oben erwähnten Seminar an der Hochschule für bildende Künste wirkte das produktiv. Eine mehrsprachige Studierendengruppe, die zudem mit verschiedenen Übersetzungen des durch und durch schwierigen Buchs von Deleuze arbeitete und dabei verschiedene Variationen seines Denkens erkundete, montierte ein Video aus den Filmen, die Deleuze behandelt, und sprach die deutsche Übersetzung darauf. Das Ergebnis war faszinierend; es wurde aber die Differenz des Denkens des Films und der eher konzeptionell-begrifflichen Ebene, auf der Deleuze operiert, ebenso deutlich. Das scheint merkwürdig, es einem Philosophen anzulasten, macht aber den Unterschied zwischen künstlerischen Praxen und ihrer Rezeption deutlich. Eine weitere Studentin zeichnete, was er denn mit dem "Kristallbild" meinen können, eine andere verfasste einen poetischen Essay über Deleuze als Kapitän auf den wogenden Meeren des Denkens, der in jeder Hinsicht das Gegenteil einer analytischen Rekonstruktion seines Werkes war.

Deleuze verliert auch keinen vertiefenden Gedanken an die Arbeit am Set. Er kann die Montage sehen, weil da ja Schnitte sind und Eisenstein auch darüber geschrieben hat. Die “Cutter” thematisiert er nicht. Der Herstellungsprozess ist aber auch Zeit, sensomotorisch agierende Menschen vor und hinter der Kamera - das interessiert ihn ebenso wenig wie das, was eben nicht im Bild zu sehen ist. Der oft als naiv verschriene Siegfried Kracauer bewegte sich in seinen Schriften näher an der Praxis, wenn er Formgebung als nicht realistisch begriff. Realistisch sei nicht eine Inszenierung wie im "Fahrraddieb", sondern das Rohmaterial, gewissermaßen - der schweifende Blick der Kamera in der Stadt. Eine Verdichtung in einer Story löse sich davon auch dann, wenn die mal eben vom Regen unterbrochen würde. Diese Prozesse des Verdichtens sind es neben den Vorgaben des Drehbuchs, die als Zeit im Film selbst unsichtbar bleiben, aber für ihn konstitutiv sind. Abgearbeitete Drehbücher sehen aus wie "Rote Rosen". Das, was das "Denken des Films" von denen unterscheidet, die Denken eher bleiben lassen, ist die Eigendynamik, die eine Produktion entwickelt. Das mag im Dokumentarischen und der Arbeit mit Archivmaterial noch ausgeprägter sein, wenn man aus unzähligen Quellen etwas Neues entstehen lässt und irgendwann beinahe zu spüren vermeint, was der Film will. Er zwingt dazu, ihm zu folgen, seiner immanenten ästhetischen Gesetzmäßigkeit im Schnittrhythmus, im "Pacing", also der ihm immanenten Geschwindigkeit.

 Ich vermute, dass die Faszination von Deleuze' auch darin liegt, dass dieses gar nicht fern seiner Schreibpraxis liegt. All die Fragen stellen sich Philosoph*innen, Schriftsteller*innen und Journalist*innen im besten Falle ja auch - wie vedichte ich, und was macht daraus ein offenes oder in sich geschlossenes Werk? Alleine die Geschwindigkeit des Deleuzschen Denkens, die Sprünge und Übergänge zu etwas ganz Anderem bilden selbst eine den Werken immanente Ästhetik, die atemberaubend ist auch, weil sie so viel weg lässt und durch den Stoff jagt.

 Diese Prozessualität der Gestaltung, die Eigendynamik gewinnt (und in der Malerei der Moderne ebenso Sujet ist wie im Jazz) und das Werk an einem Punkt des Umschlagens über das Denken seiner Schöpfer*innen hinaus treibt, es zu dominieren beginnt, macht ja gerade die ungeheure Faszination kreativer Praxen aus. Deleuze schillert, weil er in seinem Schreiben in der Hinsicht Grandioses zu komponieren vermag. Große Philosophen haben ihren Sound, selbst Habermas, der oft als trocken gilt - der von Deleuze ist ununterscheidbar und groovet auf seine eigene, sehr intensive Weise.

 Ich bin mir aber gar nicht so sicher, ob Deleuze den Sound von Filmen wirklich erfasst. In ihnen zeigt sich indirekt die arbeitsteilige Entstehung, die von Analytikern des "Autorenfilms" oft zugunsten eines männlichen Schöpfersubjekts weg redigiert wird. Dieses Orchester interessiert Deleuze nicht, es sei denn, ich habe etwas überlesen. Zudem er zu allem, was ab den 70ern geschah, dann auch nicht mehr viel zu sagen hat und anderes, was seine Thesen stützen würde wie "Scorpio Rising" von Kenneth Anger, nicht in den Mittelpunkt rückt. Syberberg taucht noch auf. Die Kino-Bücher erschienen 1983 und 1985. Dass in den 70ern im Kino nichts los war, lässt sich rückblickend schlecht behaupten.

 Die Lektüre der Kino-Bücher lohnt sich dennoch, vor allem aufgrund der beeindruckenden Verbindung des Sujets mit der Philosophie Henri Bergsons. Ich kann viele seiner anderen Werke nicht beurteilen, weil ich sie gar nicht gelesen habe - vermute jedoch, dass sich über sie Ähnliches sagen lässt. Deleuze fegt wie eine Wucht durch viele tradierte akademische Weisen zu philosophieren, denkt und konzipiert mutig und wagt teils atemberaubend das Experimentelle, so dass Philosophieren selbst zu einer Kunstform wird. Man sollte ihn lesen.

 

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Sujet Kunst

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