Ruhe in Frieden, lieber Harry

Getauft wurde ich katholisch. Zwar war ich nie Messdienerin, aber zu Grundschulzeiten war ich in der Reli-AG aktiv, habe Schulgottesdienste mit vorbereitet, gebetet und Fürbitten vorgelesen.
Keine Ahnung, ob ich eine vorbildliche Gläubige war, aber ich denke, grundsätzlich war ich ein artiges Schaf, das ganz gut mitgemacht hat.
Nach und nach sind mir Dinge aufgefallen …
Ich gehe zur Kirche, bin katholisch, aber darf nicht auf die katholische Schule, auf der all meine Cousinen sind – denn meine Mutter ist geschieden.
Gott kümmert sich um all seine Schäfchen, heißt es, aber warum nicht um die Kinder die hungern?
Wenn Gott alles erschaffen hat, warum dann auch Aids und Krieg?
Liebe deinen Nächsten, habe ich gelernt, aber warum dürfen schwule Männer oder lesbische Frauen nicht in der Kirche heiraten?
Die Fragen häuften sich, die Antworten blieben aus oder unbefriedigend.
Irgendwann bin ich also aus der Kirche ausgetreten. Ich kann nicht für alle Religionen sprechen, denn ich habe nur die katholische kennengelernt, aber für mich kann ich sagen: das Konzept ging nicht auf. Es ergab für mich schlichtweg keinen Sinn. Fühlte sich falsch an und je älter ich wurde, umso mehr verstand ich, was hinter Religionen steckt und dass Vieles wofür sie einstehen, nicht zu meinem Wertesystem passt.
Ich fand mein „Seelenheil“ stattdessen im Kreativsein, in Geschichten, in Freundschaften und Musik. (Entering the room: Fandoms.)
Auch wenn ich damals natürlich nicht wusste, was daraus wird, meine Jugend wurde getragen von den Animorphs und Harry Potter. Zwei Buchreihen, die bis heute starke Fandoms haben, Gleichgesinnte, mit denen man sich noch immer über die Bücher und Figuren austauschen kann. Dort habe ich mich wohlgefühlt, das war mein sicherer Hafen.
Beide Reihen wurden von Autorinnen geschrieben, zu denen ich aufgesehen habe. Die mich beeindruckt und inspiriert haben. „Wenn ich mal Bücher schreibe, dann möchte ich Bücher schreiben wie Joanne K. Rowling und Katherine A. Applegate“, hab ich mir gedacht.
Die Fandoms waren meine Religionen, sie waren heilig für mich, mein Leben.
Und dann begann Rowling auf Twitter Dinge zu posten, die so gar nicht zu dem Bild passten, das ich von ihr hatte. Noch weniger zu der Welt, die sie geschaffen hatte. Was war da los? Warum wurde sie plötzlich selbst zu einer Person, die in ihren Büchern (zumindest der Potter-Reihe) noch Bösewichte gewesen waren?
Wieder ergab etwas keinen Sinn und die Fragen häuften sich, die Antworten waren enttäuschend und erneut musste ich mich fragen, passt das in mein Wertesystem?
Versteht mich nicht falsch. Ich habe nicht beim ersten Anzeichen von Rowlings transfeindlichem Charakter all meine Harry-Potter-Sachen aus dem Fenster geworfen, aber der Stein war ins Rollen geraten und je weiter er rollte, um so unbequemer empfand ich es, die Bücher und den Merch im Haus zu haben.
Wenn ich die Sachen ansah, sah ich nicht mehr etliche Sommerferien die ich in Hogwarts verbracht und mich gut gefühlt hatte, ich sah nur noch den Hass, den die Autorin verbreitete und der für mich nicht nachvollziehbar war und bis heute nicht ist.
Also zogen die Dinge nach und nach aus. Mit Schwermut und Trauer, wie immer, wenn man sich von etwas Geliebtem verabschiedet. Aber es war richtig so für mich.
Der Tod dauerte seine Zeit, aber er war gekommen.
Ein Computerspiel in Hogwarts? Interessierte mich nicht mehr.
Eine Serienverfilmung der Buchreihe? Mir egal.
So wie ich der Kirche seinerzeit kein Geld mehr geben wollte, sollte von nun an auch kein Geld mehr in die Tasche der Autorin wandern. Ich wollte und will nicht Teil von etwas sein, dass gegen meinen eigenen Werte arbeitet.
Mittlerweile ist es bestimmt 5 Jahre her, dass das letzte Harry-Potter-Teil aus dem Haus geworfen wurde (bildlich gesprochen).
Der Hype um Hogwarts scheint nicht abzuebben. Gleichzeitig unterstützt die Autorin finanziell die Gruppe “For Women Scotland”, die dafür gesorgt hat, dass trans-Frauen im UK nicht mehr durch das Gleichberechtigungsgesetz geschützt werden und ich frage mich: Kann es einem wirklich so egal sein oder sind all die Menschen, die der neuen Harry-Potter-Schmuckausgabe entgegenfiebern ebenfalls transfeindlich?