Woplanele #8
Meine Lieben,
neulich habe ich “Gideon the Ninth” von Tamsyn Muir gelesen. Ein wilder Sci-Fi-Horror-Fantasy-Mix, wo die Leibeigene eines Todeskultes ihre Pornosammlung einpackt und zum 87. Mal von Zuhause abhaut. Muir garniert ihr ohnehin grotesk-makabar-absurdes Schauspiel mit einem interessanten Kniff: Immer wieder benutzt sie Wörter, Memes, Analogien, die nur dem Leser verständlich sind und absichtlich die vierte Wand brechen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Das ist cool, weil es einen verschwörerischen Ton erzeugt, die Erzählstimme und ich, wir wissen beide, dass das hier alles Quatsch ist, aber oh, was für ein toller Quatsch es ist!
Warum ich das erzähle? Weil Dragon Age sowas ähnliches macht, bloß´scheiße. Es lässt nämlich seine Figuren, unsere Begleiter, laufend Begriffe nutzen, die in dieser fiktiven Fantasywelt eigentlich keinen Platz haben dürften. Und das macht mich ungemütlich, weil es im Gegensatz zu Muir so gedankenlos, so respektlos der eigenen Welt gegenüber, so plump und so billig ist. Da lässt mich ein Professor wissen, dass sein Sabbatical längst überfällig sei, was natürlich keinen Sinn ergibt, wenn es weit und breit keinen Sabbat gibt und allenthalben niemand jüdisch ist, hebräisch spricht oder weiß, dass Moses kein Brandwein aus Ferelden ist.
Auch die Konstruktion “non-binary” fällt, was etymologisch sogar glaubhaft wäre, wenn man sich die Mühe gemacht hätte, es irgendwo innerhalb der Welt und ihrer Sprache zu verorten. Aber man wirft es rein, wenn man es gerade braucht, wer sich dran stört, ist schließlich eh ein unsensibler Trampel oder ein intolerantes Arschloch, pick your poison. Bloß stört mich die Transstory gar nicht, die sticht aus dem ganzen mittelmäßigen Schmonsens noch positiv hervor. Mich stört die “no fucks are given”-Mentalität, mit dem Figuren den in diesem Kontext extrem modernen Begriff non-binary verwenden, ohne dass man binäres Denken im fiktiven Kosmos verankert hätte. Das ist faul und billig und effekthascherisch und ja, ich finde auch respektlos den non-binären Menschen gegenüber, die sich über diese Figur und ihre Story freuen. Leute, ihr schreibt Fantasy. Bei euch kann buchstäblich alles cool und akzeptiert und ermächtigt sein. Aber gebt euch halt bei schwulen, lesbischen, non-binären und anderen Minderheitsfiguren zumindest ansatzweise so viel Mühe wie ihr euch bei Drachen, Blutmagie oder Dämonen gebt, jesses.
Aber ach! Mühe und Dragon Age. Das wird eine lange Geschichte am Sonntag. Und keine Sorge, nicht jeder Teil dieser Geschichte dreht sich darum, was genau an Dragon Age scheiße ist. Manche Sachen sind auch überhaupt nicht scheiße. Meine süße Liebesgeschichte mit Scout Harding. Der Umstand, dass ich das Kunststück vollbracht habe, aus lauter Verzweiflung über den Charaktereditor einen Trans-Charakter zu spielen und sie feiere.
Aber ach!
Wenigstens kann ich Scout streicheln, wenn es zu schlimm wird.
(ja, das sind diese Socken, die man als Kind anhatte, um sich nicht auf dem glatten Boden voll aufs Maul zu legen, bloß für erwachsene, und sie sind geil)
1 Meldung, 5 Gedanken
Hogwarts Legacy hat mehr als 30 Millionen Exemplare verkauft (Quelle: So ziemlich jede Gamingwebseite der Welt. Und die meisten anderen auch noch)
Erster Gedanke: Holy Shit. 30 Millionen ist eine Hausnummer. Klar, das ist inzwischen in jedem Sale, trotzdem. Wenn Warner das richtig spielt, haben sie endlich ihr eigenes GTA. Oder zumindest 2/3 davon.
Zweiter Gedanke: Ich glaube, meine Generation (also die, die für Harry Potter ein paar Jahre zu alt war) unterschätzt die Zugkraft von Harry Potter
Dritter Gedanke: Dafür überschätzen wir sowas wie Indiana Jones oder Star Wars, halt Krempel, der groß war, als wir klein waren. Klar, Star Wars hat trotz Disney immer noch massig Potenzial, aber wenn mich jemand fragte, welche Franchise ich lieber hätte, ich würde Harry Potter nehmen
Vierter Gedanke: Wenn JK Rowling nicht wäre
Fünfter Gedanke: Trotzdem freue ich mich halbwegs aufs nächste Hogwarts Legacy. Weil ich damals zu alt dafür war, riecht die Welt für mich noch angenehm neu und frisch, außerdem war es tatsächlich eines der besten Open World-Spiele der letzte Jahre. Und wenn ich schon laufend Young Adult-Fantasie serviert bekomme (hallo, Dragon Age!), hab ich dort wenigstens auch Young Adult-Protagonisten
Was wir gerade so am Spielen sind
Sebbe spielt Kingpin, was mich neulich dazu brachte, aber warum?! zu rufen. Stellt sich raus, es ist für ein Altbier, also will ich das gerade nochmal durchgehen lassen, auch wenn es garantiert alten, gewalttätigen Krams gibt, den mehr als drei Menschen kennen.
Nein, André, stell das Soldier of Fortune wieder hin, es ist noch nicht so weit.
JRs neuer Todfeind ist der Ameisenbär, was bedeutet, dass er Empire of the Ants spielt, was bedeutet, dass ich ihm bei der Wertschätzung zuhöre, damit ich zum siebenhundertneunundfünfzigsten Mal verkünden kann, wie großartig Sim Ant damals war. Ameisen sind einfach cool. Unfassbar gewalttätig, aber cool.
Nein, André, das war immer noch nicht das Stichwort für Soldier of Fortune.
Was sonst noch so passiert (ist):
Erschreckend viele Kollegen wollen sich alsbald Gladiator 2 angucken. Ich habe nicht aber warum?! gerufen, weil das bloß wieder dazu führt, dass man fälschlicher- und unverschämterweise meinen Filmgeschmack bezweifelt, aber wer sich auf das Sequel eines 24 Jahre alten Films freut, der viel besser war, als er “Braveheart” hieß, der hat die Kontrolle über sein Leben verloren und bis zum Blasenkontrollverlust kann es nicht mehr weit sein.
Peak Russel Crowe, sagte neulich einer dieser Cretins.
Peak Russel Crowe war LA Confidential, du Cretin, hätte ich am liebsten gerufen, aber habe ich nicht, weil siehe oben.
Das ist eh die Tragik guter männlicher Schauspieler, die das Pech haben, auch noch gut auszusehen. Irgendwann steckt sie jemand in was Ärmelloses und dreht einen mittelmäßigen, aber enorm erfolgreichen Film, bei dem sie ganz vielen anderen Ärmellosen die Gesichter aufräumen, und danach werden sie scheiße, weil sie sich für Actionstars halten, anstatt gut zu schauspielern.
Gibt’s übrigens auch umgekehrt, das Phänomen. Siehe Reeves, Keanu.
Das Rätsel zum Sonntag
Ich glaube, ich kenne keinen Roman, der von Menschen, die es eigentlich besser wissen müssten, kolossaler überschätzt wird als “Der Fänger im Roggen” von JD Salinger. Ein Roman, in dem ein 32jähriger Schriftsteller, der mutmaßlich schon mit 64 Jahren auf die Welt kam, krachend daran scheitert, wie ein 17jähriger zu klingen.
Ja, das war der Tipp.
Okay, noch einer.
Beim Spiel am Sonntag versuchen Millenials (und älter) verzweifelt so zu klingen wie die Generation Y.
Noch einer?
Na schon. Reimt sich auf beige, wenn man beige falsch ausspricht.
Ein letzter Blick auf das, was am Horizont wartet:
Weihnachten wirft nicht nur im Supermarkt mit Lebkuchen und Spekulatius um sich, sondern auch bei uns. Also eigentlich wirft bei uns niemand mit Lebkuchen, schade eigentlich, aber ich meinte das natürlich metaphorisch gesprochen, so im Sinne von “wirft seine Schatten voraus”, und dann ist mir die ganze verdammte Analogie verreckt, aber ich will verflucht sein, wenn ich dieses tote Pferd jetzt nicht reite, bis es tot ist. Bleibt.
Egal. Weihnachten. So früh wie dieses Jahr sind wir nämlich in der Geschichte dieses Podcasts noch nie drauf gekommen, dass das am 24. Dezember stattfindet. Mit mehr als einem Monat Vorlauf sind wir bereits in die Produktion unserer, also eurer Podcast-Geschenke eingestiegen, eins besinnlicher als das andere.
Und wenn ich Produktion sage, dann meine ich, dass wir Arbeitsgruppen gebildet und sie dann prompt wieder vergessen haben.
Das machen wir sonst frühstens Mitte Dezember. Ich bin so stolz auf uns.
Jochen