Kopf schräg, Stimme zu hoch - Souveräne Kommunikation für defizitäre Frauen?!
Beitrag von Almut Schnerring
„Rhetorik für Frauen“ – kennt Ihr solche Fortbildungsangebote,
die sich explizit an Frauen wenden? Im Kommunikationsbereich kommen sie in Wellen, sind immer mal wieder Mode, und dann lernen Frauen, dass Kopf schräg, Arme verschränkt, Stimme piepsig typisch weiblich sei und gar nicht geht. Aha, na, danke für nichts!
Ich bin Kommunikationstrainerin und Sprecherzieherin (DGSS) und die GenderGaps haben sich in mein Bewusstsein und mein Berufsleben gedrängt, seit ich zum ersten Mal für solche Seminare angefragt wurde, in denen Frauen lernen sollen, wie Mann richtig spricht. Kein Schreibfehler, sondern Fakt: Frauen werden hier als defizitär angesprochen, also die Frau als Abweichung von der (männlichen) Norm, die dringend Nachholbedarf habe, weil sie zu viele Konjunktive verwendet, zu viele Fragezeichen setzt, zu kleine Gesten…
Natürlich wollen alle Redner*innen souverän und sicher wirken, wenn sie sprechen, wenn sie vor Gruppen stehen und überzeugen müssen. Aber – alter Schuh – zur Kommunikation gehören zwei Seiten: wenn die, die zuhören, ihr Urteil schon gefällt haben, bevor die Person auf der Bühne alle Argumente vorbringen konnte, wenn sie schon als weniger kompetent gilt, allein weil sie frau ist, dann hilft auch kein Rhetorik-Kurs.
Unconscious Bias in der Kommunikation
Nach vielen Jahren und vielen Rhetorikseminaren und Kommunikations-trainigs in Sachen Stimme, Sprache, Sprechen habe ich mich Anfang des Jahres über die Einladung aus der Universität Freiburg gefreut, denn es ging hier darum, den GenderBias explizit in den Fokus zu nehmen. Anlass dafür gibt es genug. Hier nur mal nur 3 Studien, die belegen, dass Rhetorikseminare einen blinden Fleck haben, wenn sie das Thema nicht aufgreifen:
Emotionen:
Sind Männer ärgerlich, wird ihnen eher geglaubt als Frauen. Sind Frauen ärgerlich, bestätigt das Zuhörende in ihrer eigenen Meinung:
Redeanteil:
Der Redeanteil von Frauen, die sich in professionellem Kontext äußern, wird anders bewertet als der von Männern: Entweder sie werden überhört oder als aggressiv bewertet.
Ins Wort fallen:
Unterbrechen Frauen andere im Sprechen, stufen Männer sie als unfreundlicher, unhöflicher und weniger intelligent ein. Frauen nicht.
Senderin und Empfänger im Ungleichgewicht
Es ist also logisch, dass Kommunikationsseminare nicht nur die Senderin im Blick haben dürfen, sondern auch den Empfänger und seinen Bias sichtbar machen müssen. Und dass sich der Blick in so einem Seminar zwischendurch eine Stufe höher auf die gesellschaftliche Ebene richten muss.
Aus: Schnerring, Almut: Überzeugend und sicher präsentieren. Kompaktwissen XL, Reclam 2020
Fragen im Seminar
Und hier ein Einblick, welche Fragen die Student*innen mitgebracht hatten:
Rhetorische Wahrnehmungsschule !
Diesen Fokus werde ich beibehalten in zukünftigen Seminaren. Denn es kommt mir unvollständig vor, rhetorische Grundlagen zu vermitteln, ohne darauf einzugehen, wo die Grenzen liegen aufgrund einer gelernten Geschlechterhierarchie. Wir brauchen keine Kommunikationstrainings explizit für Frauen. Wir brauchen eine WahrnehmungsSchule für alle, die über den GenderBias informiert und die die Selbstreflexion bei der Bewertung von Gesprächspartner*innen einfordert!
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