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Die Weihnachtsgeschichte in der 2024 Edition

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Weihnachten 2024

 

Aller Orten wird in diesen Tagen die Weihnachtsgeschichte gelesen von Maria und Josef und dem Jesusbaby in der Krippe. Falls sich euch der Sinn dieser Geschichte nicht mehr so recht erschließt, möchte ich versuchen, euch moderne Worte zu geben. Worte einer anderen Geschichte, die sich auch ganz in deiner Nähe abgespielt haben könnte.

 

In einer kleinen deutschen Stadt, irgendwo zwischen Niedersächsischen Windrädern und winterlich brachliegenden Maiswüsten, vielleicht in der Nähe eines Weihnachtsmarktes, beginnt unsere Geschichte. Die Menschen trinken Glühwein, obwohl das Wetter mild und regnerisch ist, viel zu warm für diese Zeit mitten im Dezember. Viel zu kalt wiederum ist es in vielen Herzen, in denen Rassismus und Vorurteile, Ignoranz und Nächstenlieblosigkeit herrschen - von vielen unbemerkt.

 

Mara und Jo waren ein Paar, wie es unterschiedlicher nicht sein könnte. Mara, eine Afro-Deutsche mit großer Leidenschaft für Musik und offene Jugendarbeit, hatte immer ein Lächeln parat und ein Lied auf den Lippen, mit denen sie die Menschen erfreute, die sich in ihrer Nähe aufhielten. Jo, ein nicht-binärer Mensch mit syrischen Wurzeln, arbeitete als Sozialarbeiter*in und kämpfte täglich für die Rechte Geflüchteter in seiner Stadt. Die beiden lebten in einer kleinen Wohnung über einem arabischen Imbiss, sie hatten nicht viel, aber sie hatten es warm und gut in ihrem Zuhause und ihr Miteinander strahlte viel Zufriedenheit aus, wann immer sie Gäste hatten. Dass sie einen ganz besonderen Gast erwarteten, der sein Kommen überraschend für Ende Dezember angekündigt hatte, wussten sie, als Mara im Frühjahr einen positiven Schwangerschaftstest in Händen hielt. Beide spürten: Dieses Kind würde etwas Besonderes sein.

Als Maras Bauch wuchs, wurde ihnen plötzlich das Städtchen zu eng. Die Wohnung war zu klein und ebenso die Herzen ihrer Nachbarn, von denen einige hinter vorgehaltener Hand zu reden begannen: Manche hatten Vorbehalte gegenüber Jos Herkunft, andere, die die queere Beziehung der beiden noch akzeptiert hatten, waren sich nicht sicher, ob eine Schwangerschaft in so einem Fall das richtige sei. Also entschieden die beiden, in die Großstadt zu ziehen, weil sie sich erhofften, dort mehr Akzeptanz zu erfahren. Ihr Ziel war Hamburg, eine Stadt der Freiheit und Vielfalt, so hofften sie zumindest. Doch kurz vor Weihnachten waren ihre Mittel knapp. Als ihr altes Auto in der Nähe eines kleinen Dorfes, Brothausen, „Bethlechen“, wie man so schön sagt, liegen blieb, war ihnen klar, dass sie entweder den Rest des Weges würden trampen oder zu Fuß zurücklegen müssen. Aber niemand nahm die beiden mit, die Menschen hatten es eilig, jeder war mit sich selbst beschäftigt. Am Heiligen Abend, kurz vor dem Einbrechen der Dämmerung, erreichten sie die Ausläufer des Dorfes und kamen auf einen Pferdehof, den ein altes Ehepaar, Auguste und Mehdi, betrieb. Weil Mara müde war, ihre Mäntel zu wenig wärmten und ihre Füße sie nicht weiter trugen, baten sie um einen Unterschlupf und die alte Auguste bot ihnen einen Platz in der Scheune an.

Noch in dieser Nacht, als die Sterne hell über diesem kleinen Dorf in der Nähe von Hamburg funkelten, brachten Mara und Jo ihr Kind zur Welt. Sie sangen dem kleinen Wesen Einschlaflieder in drei Sprachen: Deutsch, Arabisch und Englisch.

In den frühen Morgenstunden tauchten überraschend Besucher*innen in der alten Scheune auf, angelockt von den wärmenden Vibes und dem liebevollen Leuchten, das von dieser kleinen Familie ausging. Sie waren eine bunte Mischung: eine feministische Aktivistin aus Altona, ein Geflüchteter aus Afghanistan, eine ältere Dame, die stolz ihren „Omas gegen rechts“ Rucksack trug. Sie brachten Geschenke mit, als da waren: Eine Kette mit einer Friedenstaube, eine Prideflagge, in die sie das Baby einwickelten und ein Liederbuch mit Weisen aus aller Welt, die von Nächstenliebe und Hoffnung handelten. Mara und Jo erzählten voller Stolz, dass sie in eben dieser Hoffnung ihrem Kind den Namen „Hope“ gegeben hatten. „Wir wünschen uns, dass dieses Kind ein Brückenbauer und Mauer-Niederreißer wird, ein Lichtbringer, dort, wo es kalt und dunkel ist. Sollten wir nicht deshalb die Geburten aller Kinder feiern, weil in ihnen immer die Hoffnung lebendig ist, dass die Zukunft ein freundlicher Ort sein wird?“

Die Botschaft aus dem Pferdestall in Brothausen/Bethlechem, einem Dorf in der Nähe von Hamburg verbreitete sich wie ein Lauffeuer: Ein Kind ist geboren und es ist lebendige Hoffnung, Hope, das die Menschen daran erinnern soll, was wirklich wichtig ist: Dass nicht Herkunft und Hautfarbe, nicht Geschlecht oder sexuelle Orientierung wichtig sind, sondern einzig und allein die Fähigkeit, dass wir einander so annehmen, wie wir sind. Du kannst es Antirassismus nennen, Feminismus oder Pridelove. Letztlich sind das alles Synonyme für das eine, was uns noch retten kann: Liebe. Und die Hoffnung, dass es niemals zu spät ist, um sich von dieser Liebe entzünden zu lassen.

 

Und wer an dieser Stelle skeptisch mit den Augen rollt, dem möchte ich sagen: Dem hätte sich die Botschaft der Weihnachtsgeschichte von Jesus vor 2000 Jahren auch nicht in ihrer Tiefe erschlossen.

 

Amen

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