Knödel mit Nostalgie

Wer am hektischen Hamburger Hauptbahnhof in den Eurocity nach Prag steigt, hat eine gute Wahl getroffen. Ganz besonders, wenn für die Fahrt der Speisewagen dieses Zuges mit Halt auch in Berlin oder Dresden ausgewählt wurde. Denn hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, nostalgisch verklärt irgendwo in einer kleinen Oase des vergangenen Jahrhunderts.

Denn während im ICE-Restaurant auf dem anderen Bahnsteig alles auf Effizienz getrimmt wurde, wird im Eurocity noch frisch gekocht. Da wird in der Küche schon mal ein Schnitzel geklopft, die Bratkartoffeln brutzeln in einer echten Pfanne, die Knödel schmecken wie in einem böhmischen Landgasthof und der Schokoladenpalatschinken ist eine auf Schienen unübertroffene Süßspeise. Und für Bierfans gibt es gleich fünf verschiedene Sorten.

Da fällt der Ausstieg in Berlin schwer, zu viele verlockende Angebote auf der liebevoll gestalteten Speisekarte sind nach zwei Stunden Fahrtzeit noch unentdeckt. Doch die nächste Fahrt sollte rasch geplant werden, denn die tschechische Eisenbahngesellschaft will die ruckelnden Wagen ausmustern. Sie seien für die sich im Ausbau befindliche Strecke nicht mehr schnell genug. Nun kommen moderne „ComfortJets“ im emotionslosen Siemens-Style.

Ein Fortschritt, der für viele ein Rückschritt ist. Denn auf noch mehr Geschwindigkeit und auf Mobilfunknetz-verstärkende Scheiben würde man gerne verzichten zugunsten der tollen Speisen, der vielfältigen Getränkeauswahl und der gemütlichen Milchglaslampen. Doch das alles wird mit dem Austausch der Wagen in den kommenden Monaten eingedampft, auch hier übernehmen nun Mikrowellen das Kommando.

Bleiben wird hoffentlich die Freundlichkeit, auf der Rückfahrt verabschiedet sich der Kellner am Zielbahnhof Altona sogar per Handschlag. Ich nehme die Verpackung für das Besteck als Andenken mit, auf so eine Idee käme man in einem ICE sicher nicht.