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Vier Ratschläge zum Umgang mit dem Krieg.

Ich habe mir aber auch wirklich einen selten bescheuerten Starttermin für meinen Newsletter ausgesucht. Letzten Freitag. Alle reden über den gerade ausgebrochenen Krieg, ich muss meinen Newsletter bewerben. Tolle Situation.

„Hey Leute, ich weiß, die Welt geht vielleicht unter - aber könntet ihr vorher noch kurz HIER auf abonnieren klicken?! Dankeeee.“.

Und damit Willkommen bei Newsletter Nummer zwei. Ich hatte mir so schöne Themen ausgedacht (Die besten Kopfhörer 2022, Jogpants für Einsteiger, 10 Gründe gegen Lastenräder) und sehe trotzdem – zumindest derzeit – keine andere Möglichkeit, als über den Krieg zu schreiben.

Beide Situationen – meine persönliche, sehr unbedeutende Bredouille und die allgemeine, dann doch recht bedeutende Schieflage der Welt – ließen mich neulich in einem stillen Moment an einer Neuköllner Bar eventuell leicht seufzend und definitiv sehr ratlos „Was soll man machen?“ denken.

Aber in einem Tonfall und der Ratlosigkeit des berüchtigten „Woran hat es gelegen“-Videos, an das ich direkt im Anschluss an mein „Was soll man machen?“ denken musste. Schaut es euch an (Opens in a new window), falls ihr es nicht kennt, es lohnt sich. Dauert nur 30 Sekunden.

Zu sehen ist ein Fußballer, der anscheinend nach dem Spiel gefragt wird, „woran es gelegen“ hat und danach eigentlich nur diese Floskel wiederholt.

Im Orginalton:

„Ja jut: "Woran hat et jelegen"? Dat is natürlich immer so die Frage... Ich sach natürlich immer: "Woran hat et jelegen?". Äh... Das fragt man sich nachher natürlich immer woran et jelegen hat. Ich sach immer woran et jelegen hat, weißte nich immer. Woran hat et jelegen? Äh... Ja gut, ich sach ma so: "Woran hat et jelegen?" Da sacht man... nachher natürlich immer fragt man sich "Woran hat et jelegen" und... fragt man sich immer woran et jelegen hat. Isso.“

Im Grunde deckt sich diese Antwort sehr mit meiner Einschätzung, warum Putin die Ukraine überfallen haben könnte. Ich kann es mir immer noch nicht recht erklären – erst Recht mit Einberechnung der mittlerweile gigantischen Sanktionen und Konsequenzen für Russland, die Putin aber doch sicherlich antizipiert haben müsste. „VW stoppt Russland-Geschäft“, lese ich passend dazu gerade auf meinem Handy. Vielleicht wird es langsam Zeit für eine Eilmeldung, WENN ein Unternehmen überhaupt noch was in Russland macht.

Wie auch immer: Da ich diesen Newsletter ernst nehme, habe ich ein bisschen zu dem genannten Fussball-Video recherchiert und zwei für mich komplett neue Fakten entdeckt. Erstens zeigt dieses Video keine reale Situation nach einem Fussballspiel. Davon war ich eigentlich immer ausgegangen. Zweitens ist hier nicht mal ein Fussballer zu sehen, sondern der Stadionsprecher, Schauspieler und Moderator Torsten Knippertz. Er selbst (Opens in a new window)sagt über das Video:

„Ein Regisseur, der seine Diplomarbeit an der Filmhochschule in Ludwigsburg machte, wollte Videos mit Fußballer-Floskeln aufzeichnen für einen fiktiven Werbespot. Er hatte sich Astra ausgesucht und dann mit mir und einigen anderen Schauspielern im Stadion von Mainz 05 gedreht.“

Und weiter:

„Das Video ist improvisiert, entstanden am Ende des Drehs. Micky Sülzer, der Regisseur, hat gesagt: "Mach einfach mal…" und dann hab ich gemacht. Weil Astra den Werbespot dann aber nicht gekauft hat, hat Micky den Clip irgendwann mal auf Youtube gestellt. Da ist der über Jahre bei 250 Klicks herumgedümpelt, ehe sich das Video vor einigen Jahren über die sozialen Netzwerke verbreitet hat. Das Schöne ist, dass viele Menschen oft nicht wissen, dass es nicht echt ist. Wenn man immer wüsste woran es gelegen hat, dann wäre man viel schlauer. Is so!“ 

Und damit sind wir natürlich wieder direkt beim Krieg. Nur ist es hier nicht schön, dass viele Menschen oft nicht wissen, ob etwas echt ist.

Jeden Tag bekommen wir Informationen aus Russland oder der Ukraine. Wir sehen Videoschnipsel, auf denen Gebäude bombardiert werden. Wir sehen kreischende Menschen. Wir verfolgen diesen fast immer noch unwirklichen, barbarischen Einmarsch Putins beinahe live in den sozialen Medien. Aber auch hier stimmt nicht alles.

Ich bin kein Experte und kann nicht sagen, wie viel in diesem Krieg gefälscht wird. Aber Russlands starke Cyber-Abteilung sowie Troll- und Bot-Fabriken sind ein Fakt. Und natürlich hat auch die ukrainische Seite zumindest Motive, manche Tatsachen zu verschleiern – wenn vielleicht auch nur zum Selbstschutz.

Was ich aber definitiv sagen kann: Schaut euch nicht alles an. Mir persönlich reichen die Eilmeldungen auf dem Smartphone und mehrfach am Tag die „Tagesschau in 100 Sekunden“. Zudem dann abends vielleicht noch mal das „heute journal“ oder Markus Lanz (sorry, bin indirekt beim ZDF beschäftigt, ich muss vertraglich festgelegt hier sehr viele ZDF-Sendungen nennen). Ich habe hingegen selten so wenig in Twitter hereingeschaut wie „dieser Tage“, um mal eine beliebte Lanz-Formulierung zu gebrauchen.

Ich kann wirklich empfehlen, sich nicht „zu viel“ zu informieren. Und wenn ihr euch informieren wollt, nutzt seriöse Medien wie die Öffentlich-Rechtlichen, große Privatsender wie RTL oder bekannte Zeitungen. Und natürlich deren Online-Angebote. Da ist die Wahrscheinlichkeit einer Fake News zwar nicht komplett ausgeschlossen, aber doch sehr gering. Doch das wisst ihr sicher schon alles!

Was ihr noch nicht wisst, ist wie ich persönlich mit diesem Krieg umgehe. Relativ gut, muss ich sagen. Ich habe einen großen Vorteil, von dem kaum jemand weiß.Durch meine Zwangsstörung habe ich vor allem Angst vor irrationalen Dingen. Gefahren, die ich nicht greifen kann. Die eigentlich nicht so recht erklärbar sind. Wie zum Beispiel ein Elektro-Kabel zum zwanzigsten Mal hintereinander zu kontrollieren, obwohl ich ganz genau weiß, dass es nicht defekt ist.

Aufgrund dieser Angst vor eher irrationalen Dingen bereiten mir rational erfassbare Bedrohungen merkwürdigerweise weniger Angst. Und auch wenn das Verhalten von Putin durchaus Züge eines endgültig verrückt gewordenen Despoten zeigen (siehe ebenfalls mein Newsletter letzte Woche), ist der gesamte Konflikt für mich einigermaßen rational zu erfassen.

Aber ich weiß, dass es nicht allen so geht. Ich habe in den letzten Tagen einige Nachrichten von Menschen erhalten, die nicht mehr richtig schlafen können. Oder bei denen eigentlich überwundene Depressionen oder Angststörungen wieder voll zuschlagen.

Daher habe ich hier vier Ratschläge zum Umgang mit dem Krieg (in Deutschland) aufgeschrieben, die mir persönlich in dieser Zeit helfen.


1. Mehr Adam Sandler

Wie eben schon gesagt. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass ganz besonders Unsicherheit und Angst schnell dazu führen können, sich mit möglichst viel Informationen „beruhigen“ zu wollen. Aber es ist ein bisschen wie mit Alkohol gegen Sorgen: Es hält nicht lange an und verschlimmert das Problem häufig. Nehmt euch also Pausen. Schaut abends eine sinnlose Komödie mit Adam Sandler statt das siebte mal Nachrichten. Es ist okay, auch in dieser Zeit Spaß zu haben. Zu lachen. Oder etwas Gutes zu essen. Oder alles zusammen.

Legt das Handy also auch mal weg und wenn das nicht klappt, teilt nicht sofort alles, nur weil ihr schockiert seid. Und wenn das nicht funktioniert, überprüft zumindest die Infos, die ihr teilt.

2. Redefreiheit

Statt alleine vor dem kleinen oder dem großen Bildschirm zu hocken, rede lieber mit anderen über den Krieg. Zu Hause, in einer Kneipe, mit Freunden, mit der Affäre, die in deinem Handy unter „Maxi Tinder“ steht, mit den Nachbarn, in einem Chat oder notfalls mit den Leuten, die immer anrufen, um deinen Handyvertrag „zu optimieren“. Du wirst sehen: ALLE haben ziemlich großen Redebedarf.

Ich selbst stand am Sonntag nach der Demo in Berlin an einem Tisch und trank Bier. Erst kam ich mit einem Gefängnismitarbeiter ins Gespräch, dann mit seinem in Russland geborenen Freund, dann gesellte sich ein junger Brite hinzu, der seit einem Tag nach Deutschland gezogen war. Jeder wollte etwas über den Krieg sagen und seine Sorgen oder Fassungslosigkeit mit anderen teilen. Zusammen waren wir weniger alleine.

3. Das Floh-Prinzip

Ich habe häufig einen gesunden Optimismus. Ich gehe fest davon aus, dass am Ende alles gut wird. Und selbst wenn am Ende nicht alles gut wird, hatte ich vor diesem Ende eine gute Zeit in der ich dachte, dass alles gut wird.

Ihr wisst, was ich meine! Ich bin wirklich sehr zuversichtlich, dass es keinen „Weltkrieg“ geben wird. Aber für den sehr, sehr, sehr unwahrscheinlichen Fall, dass es einen geben sollte, möchte ich die Zeit davor nicht damit verschwenden, mich um einen zu sorgen.

Aber warum heißt es das Floh-Prinzip? Als das erste mal Floh-Alarm in der Kita meines Sohnes war, war Panik angesagt. Angst vor chemischen Mitteln, Flohkamm, Haare kahl rasieren, alles an Textilien, die das Kind auch nur angeschaut haben könnte, mindestens dreimal bei 550 Grad waschen müssen und schnell mal googeln, ob sie immer noch die Pest übertragen. Ist alles nie passiert. Er hatte nie Flöhe. Alle Sorgen und sein Kurzhaarschnitt zum besseren Nachschauen waren umsonst.

Wenn heute die Nachricht von Flöhen in der Kita die Runde macht, was immer mal wieder geschieht, denke ich mir sehr gelassen: Bis nicht in meiner Wohnung mindestens so viele von denen herumspringen, dass ich einen Flohzirkus daraus basteln könnte, werde ich keinen einzigen Gedanken an die Invasion der Sprung-Insekten verschwenden. Und genau dieses Floh-Prinzip versuche ich auch auf die Weltlage anzuwenden. Oder Corona.

(Das alles ist übrigens haargenau das Gegenteil von dem, was ich bei meinen Zwängen mache. Da sorge ich mich wegen nichts. Aber das sind eben auch die irrationalen Ängste.)

4. Stand with Ukraine

Informiert euch, wie ihr helfen könnte. Spendet Geld, wenn ihr es euch leisten könnt. Geht auf Demonstrationen, wenn ihr gehen könnt. Rollt auf Demos, wenn ihr rollen könnt.

Zeigt der Ukraine mit eurer Unterstützung, dass wir auf ihrer Seite sind. Es wird vermutlich nicht nur ihnen etwas helfen, sondern auch euch ein wenig.

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Das waren meine persönlichen vier Ratschläge.

Nummer vier unterstützen alle zahlenden Mitglieder dieses Newsletters übrigens schon ein wenig, da ich die Einnahmen aus Mitgliedschaften des ersten Monats spende (und von mir aus verdoppele). Theoretisch könnte ich ein wenig tricksen, da im ersten Monat relativ viele Gebühren und Ähnliches abgehen, aber ich nehme natürlich die Summe vor allen Abzügen oder Steuern.

Ich selbst werde ab Samstag Ratschlag Nummer drei und indirekt damit auch Nummer eins und zwei beherzigen, indem ich in den Ski-Urlaub fahren. Fühlt sich gerade zwar sehr komisch an, war aber natürlich schon lange im Voraus geplant und ich habe auch keine Lust, mich nicht auf der Piste zu blamieren, nur weil Putin irre geworden ist.

Den nächsten Newsletter gibt es daher erst in zwei Wochen – nach meinem Urlaub. Allerdings nur für zahlende Mitglieder. Zwei Newsletter monatlich sind kostenfrei, der dritte wird nur an zahlende Mitglieder versendet. Wer meint, nicht darauf verzichten zu können oder diese Arbeit finanziell unterstützen möchte, kann sehr gerne Mitglied werden. Ich freue mich – und danke an dieser Stelle allen, die schon dabei sind. <3

Bis in zwei beziehungsweise in drei Wochen! Alles Liebe – und alles wird gut.

Peter

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