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Rechte Musik und ihre Texte

Hi,

na, musstest du vergangene Woche deinen Lieblingshit von Gigi D’Agostino zu Grabe tragen?

Keine Sorg - weil es in diesem Newsletter um Pop und Populismus geht, um rechtsextreme Musik und AfD-Klänge - haben wir mit der KI suno.ai (Opens in a new window) einen eigenen Hit für diesen Newsletter kreiert. Hör mal rein und lass uns wissen, welche Variante dir am besten gefällt! 🎤🤖

Pop-Ballade

Big Band Stück

Hip-Hop-Track

Außerdem noch zwei Reminder:

1️⃣ Morgen, am Sonntagabend, 2. Juni, findet um 18 Uhr ein Gespräch zwischen Philosoph, Lyriker und Verschwörungsexperte Jan Skudlarek und uns auf Zoom statt. Seid dabei, nehmt euch etwas zu trinken und redet nach der Podcastaufzeichnung mit uns! Hier gehts zum Talk: Zoom-Link (Opens in a new window).

2️⃣ Für alle Mitglieder gibt es ab der nächsten Ausgabe unseren Newsletter auch zum Anhören - nicht gesungen, sondern gesprochen. So könnt ihr ihn bequem unterwegs konsumieren. Wer noch schnell Mitglied werden will ☝️ klickt auf den oben stehenden Button.

Herzliche Grüße und hoffentlich hören wir uns am Sonntag!

Mit Spielzeugwaffen gegen “Klimakleber” - rechte Narrative in der Musik

Nazis mit Springerstiefeln und Glatze auf Rechtsrockkonzerten? Die gibt es immer noch. Aber: Rechte und rechtsextreme Musik kann mittlerweile auch subtil. So gab es in den vergangenen Jahren einige Vorfälle wie auf “Sylt” (Opens in a new window) - nur ohne bundesweiten Aufschrei.

Wir wollten deshalb wissen: Wie nutzen die Neue Rechte Musik und Liedtexte, um ihr Gedankengut zu verbreiten?

Darüber haben wir mit Mario Dunkel (Opens in a new window) gesprochen. Er ist Professor für Musikpädagogik am Institut für Musik der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen unter anderem die Zusammenhänge zwischen Musik und Politik. Außerdem leitete er das Forschungsprojekt “Popular Music and the Rise of Populism in Europe (Opens in a new window)”.

WRR: Herr Prof. Dunkel: L’amour toujours - wie nutzt die Neue Rechte dieses Lied für sich?

Reine Naziparolen stoßen bei den meisten Menschen auf Ablehnung oder lösen zumindest Unbehagen aus. Deshalb nutzt die Neue Rechte Popmusik, um ihre Parolen in einem neuen Gewand massentauglicher zu machen. Gleichzeitig wirkt es - gewollt - komisch: Naziparole und Partyhit, das passt doch eigentlich nicht zusammen! Und damit ist die Ausrede bei Kritik gleich mitgeliefert. Wer “Deutschland den Deutschen” zu einem Disco- oder Technobeat singt, kann sich herausreden mit: “War doch alles nur Spaß”. Nur: Es ist natürlich kein Spaß. 

Erklären Sie uns bitte, wie die Vereinnahmung des Lieds genau funktioniert.

Zunächst ist es ein beliebter Hit, der oft auf Partys läuft. Viele Menschen kennen ihn. Durch die Umgestaltung des Textes und die dadurch sehr “eingängige Hook” lässt er sich leicht mitgrölen und bleibt, wenn auch ungewollt, lange im Gedächtnis - wie das Ohrwürmer eben tun. Dazu kommt der subversive Humor, der hier mitschwingt und der Spaß an der Provokation, den Menschen offensichtlich dabei empfinden. Und wenn das Lied verklungen ist, bleibt die Parole in den Köpfen und wird dadurch normalisiert und sagbar gemacht.

Geht das auch nur mit der Melodie des Liedes?

Natürlich. Die AfD hat beispielsweise einige ihrer Tiktok-Videos damit unterlegt. Diese Strategie heißt in der Politikwissenschaft “dog whistle politics”, also Hundepfeifen-Politik. Der Song wirkte lange Zeit wie eine Hundepfeife, die nur Eingeweihte gehört haben. Lediglich Neurechte haben verstanden, dass es sich um einen rassistischen Code handelt - alle anderen hörten nur einen harmlosen Partyhit. Dazu kommt dann in Gesellschaft ein kleines Zulächeln oder ein angedeutetes rechtsextremes Zeichen, wie sie auch auf dem Video zu sehen waren - so etwas wirkt gemeinschaftsstiftend.

Die Amadeu Antonio Stiftung nennt so etwas einen niedrigschwelligen “Mitmachfaschismus (Opens in a new window)”, der “lustig und rebellisch” daherkomme und zum Mitmachen einlade. Aber ein Schritt zurück von dem aktuellen Diskurs. Sie haben das ja untersucht: Wie setzt die Neue Rechte Musik ein? 

Wir haben uns unter anderem politische Akteure, wie die AfD, angeschaut. Die setzt Musik gezielt auf ihren Veranstaltungen ein. Auf Demonstrationen spielen sie Lieder von Singer-Songwritern wie Reinhard Mey oder Gunter Gabriel, aber auch deutsche Schlager und Filmmusik. Wir haben “Conquest of Paradise” oder die Filmmusik zu “Fluch der Karibik” gehört, den “Walkürenritt” von Richard Wagner oder Xavier Naidoo mit “Raus aus dem Reichstag”. 

Warum gerade diese Musik?

Sie transportieren Botschaften: Manchmal geht es um den konkreten Text wie bei Naidoo, manchmal um das Gefühl. Filmmusik ist oft heroisch und symbolisiert das erwünschte Selbstbild. Auf einer Demonstration gegen den möglicherweise geplanten Bau einer Moschee in Rostock hat die AfD aber auch Muezzingesang eigespielt, also einen religiösen muslimischen Gesang. Damit unterstrich sie ihre Parole der “Islamisierung des Abendlandes” und verklanglichte ein vermeintliches Bedrohungsszenario für die Teilnehmenden der Demonstration.

Und wie ist es mit Videos in sozialen Netzwerken?

Auf Social Media untermalt die Musik oft die beabsichtigte Stimmung - teils bekräftigend, wenn es etwa um Krisenerzählungen geht, teils auch verharmlosend. Jazzähnliche Klänge erzeugen in Videos beispielsweise eine humorvolle oder leichte Stimmung. So etwas kann auch bei Menschen gut ankommen, die nicht mit den Positionen der AfD übereinstimmen, aber die Videos schauen, weil sie sie auf musikalischer Ebene lustig oder unterhaltsam finden. So kann die AfD auch neue Zielgruppen erreichen. 

Was ist eigentlich aus Rechtsrock geworden?

Den gibt es leider auch immer noch. Rechtsrock ist mittlerweile allerdings eher ein Sammelbegriff für viele Genres der Szene geworden, beispielsweise auch den sogenannten NS-Hiphop oder NS-Rap. Auf den Konzerten und Festivals geht es dann vor allem darum, das Netzwerk aufrecht zu erhalten und weiterzuentwickeln sowie Gelder zu generieren. 

Welche Rolle spielen Musiker:innen, die nicht der rechtsextremen Szene angehören für die Neue Rechte?

Ein Beispiel dafür ist die Musikerin Nena. Ich würde sie nicht zu den Unterstützer:innen der Neuen Rechten zählen - sie erfüllt aber eine wichtige Funktion für die Neue Rechte. Denn Nena hat sich während der Coronavirus-Pandemie mit den Querdenken-Protesten solidarisiert. Und das ist eine Position, die auch die AfD einnimmt. Als Nena deshalb öffentlich kritisiert wurde, hat sich sofort die rechte und rechtsextreme Sphäre hinter sie gestellt. Durch das “Aneignen” von Celebrities kann man von deren symbolischem Kapital profitieren, weil Nena so bekannt und beliebt war und ist. Damit adressiert die Neue Rechte Anhänger:innen dieser Celebrities, auch wenn diese sich nicht zur AfD bekennen.

Ein anderes Beispiel sind Musiker:innen, die nicht offiziell als AfD-Unterstützer:innen gelten, aber mit typischen Themen der populistischen Rechten erfolgreich sind. So zum Beispiel die “Dorfrocker”, eine Schlagerband aus Franken. Die macht sich in ihren Songs über Klimaaktivist:innen lustig. Sie haben zum Beispiel den Paw-Patrol-Titelsong umgetextet in “Dorf-Patrol” (Opens in a new window) und ein Video inszeniert, in dem man sieht, wie Kinder einen “Klimakleber” mit Spielzeugwaffen aus dem Ort vertreiben. Aber es geht bei einigen Musiker:innen auch ums Gendern oder um vegane Ernährung – also typische Kulturkampfthemen, (Opens in a new window) die musikalisch verarbeitet und so in die Mitte der Gesellschaft getragen werden. 

Und sind sie damit erfolgreich?

Sehr. Die Dorfrocker wurden 2017 für den Musikpreis “Echo” nominiert. Sie sind also im sogenannten Mainstream, spielen auf Mallorca im Ballermann, laufen im Radio. Ein zweites Beispiel ist Andreas Gabalier, einige seiner Aussagen und Texte würde ich als rechtspopulistisch einordnen. Er spielt in den größten Stadien überhaupt - in München im Olympiastadion oder in der Schalker Veltins-Arena.

Rechte Musik kann mir also mittlerweile überall begegnen - von Radio bis Spotify?

Zumindest Musik mit rechtspopulistischen Motiven. Wir haben das in Deutschland, Italien, Ungarn, Österreich und Schweden untersucht und sind überall fündig geworden. 

Vielen Dank für das Gespräch!

Übrigens: Ein weiteres Problem entsteht gerade erst: rechtsextremistische oder Rechtsaußen-Pop - mit der Hilfe von Künstlicher Intelligenz. So lassen sich beispielsweise in der beliebten Musik-KI suno.ai (Opens in a new window), über die auch wir unsere Newsletter-Songs kreiert haben, einige AfD-Hits finden. Ein echter Beispiel-Prompt: “A Pop song why the AfD should win the german election”. Im Custom Mode kann man dann auch eigene Liedzeilen eingeben und sie von KI erweitern lassen. Dabei kommt dann beispielsweise so etwas heraus:

“Polen, Türken, Russen, auch Deutsche sind dabei, Wir sind Unterstützer der AFD, für ein starkes Land, das sei. Die AFD steht für unsere Verbrennermotoren ein, Erhaltung der Tradition, das soll ihr Grundsatz sein. Und nicht wie die Ampel ein Kriegsunterstützer.”

Es gibt aber auch Lieder gegen die AfD. Dann heißt es in der Kreation von Nutzer:in OnkelOm (Opens in a new window) etwa: “Mit Hass und Parolen, in Dunkelheit vereint. Höcke und Weidel, ihr Spiel ist bekannt, sie säen nur Zwietracht in unser Land.” Oder aber vom Karpatenkönig (Opens in a new window):

“Ihr redet von Remigration, als wäre es ein großer Plan, aber eure Wurzeln sind flach, gebaut auf sandigem Grund. Träumt von Moskau, wo die Rubel fließen, Aber denkt dran, in der Demokratie erntet man, was man sät.”

Es wirkt wie eine Art Song-Battle - ausgetragen mit einer KI - rechts gegen nicht-rechts.

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