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Das Blyatmobil für Laien erklärt

Gestern habe ich das Blyatmobil 2 gepostet.
Kommentare und Antworten haben mir gezeigt, dass man es wohl erklären muss.

Die russischen Panzer, die in der Ukraine im Einsatz sind (vor allem Schützenpanzer BMP und Kampfpanzer T-72) sind beschissen gepanzert.
Ein weiteres Problem ist, dass die Besatzung beim T-72 auf dem Munitionsmagazin („Ladekarussell“) sitzt. Kommt eine Detonation ins Innere, explodiert die gesamte Munition und der Turm ploppt heraus, wie ein Sektkorken.

Sie versuchen also, die Panzer zusätzlich zu schützen.
Unter anderem durch Überbauten, die davor schützen sollen, dass Drohnen Granaten von oben in den Turm fallen lassen. Denn da die Dinger auch nicht klimatisiert sind, werden sie im Sommer so heiß, dass die Besatzungen die Luken auflassen (müssen).
Der Leopard 2 ist beispielsweise vollklimatisiert, kann „unter Wasser“ fahren und die Munitionsdepots sind so angebracht, dass eine Sollbruchstelle nach oben auffliegt, wenn es getroffen wird. Und das Ding noch nach Hause fahren kann.
Aber das kann schon Sinn machen. Es sind auch israelische Merkava mit so etwas unterwegs. Die einen Bordschützen, der oben mit dem MG schießt, gegen Drohnen schützen können.

Die russischen Panzer sind aber eher Kernschrott und wie die Kriegsführung aus der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. Da sind sie insgesamt stehengeblieben: Masse statt Klasse.

Also versuchen die Besatzungen den Schutz behelfsmäßig zu verbessern. Indem sie von außen Zeug anbringen. So weit, so ersichtlich.
Der Sinn dabei ist aber nicht, das Ding unmittelbar zu panzern. Dass ein Wellblech keine westliche Panzerabwehrrakete aufhält, wissen die auch.

Der Sinn ist, die Detonation vor der Panzerung passieren zu lassen.
Beispielsweise gibt es Raketen und Panzergranaten, die eine so genannte Hohlladung haben. Übrigens eine deutsche Erfindung.
Trifft so etwas auf die Panzerung, detoniert der Sprengstoff, der eigentlich hinter dem hohlen Raum steckt, und das ganze Zeug „spült“ sich durch die Panzerung und sorgt im Inneren durch die Schrapnelle und Splitter für eklige Zustände.

Eine Hohlladung "aufgeschnitten".

Trifft so ein Ding aber vorher auf einen Widerstand, beispielsweise auf ein Wellblech, verliert es bereits viel von seiner Wirkung. So zumindest der Plan.
Deshalb hat die Besatzung des Blyatmobil im Titelbild auch Reisig reingesteckt, Ketten davorgehängt und Holz dahinter geschichtet. Das soll dazu dienen, Platz zwischen der Zündung und der eigentlichen Panzerung zu bilden.
Grundsätzlich gar nicht dumm. Das macht schon Sinn. Ist aber eben typisch russisch.

Denn dadurch ergeben sich einige andere Probleme.
Beispielsweise haben moderne westliche Panzer, die dort im Einsatz sind, Nachtsicht. Bedeutet, wenn sich das alles durch den Motor erwärmt, leuchtet das Ding im Nachtsichtgerät wie ein Weihnachtsbaum. Oder wird durch merkwürdige Bildzeichen gut sichtbar.

Hamas-Kämpfer mit RPG

Die typische russische „Panzerfaust“, die RPG-7, die beispielsweise auch vom Iran und der Hamas gerne genommen wird („Kalaschnikow der Panzerabwehr“), hat so eine Hohlladung. Viele westliche Panzerabwehrwaffen sind aber viel ausgefeilter.
Die Javelin beispielsweise, die Panzerabwehrrakete, die die USA zu tausenden geliefert haben, hat eine Sprengladung vor der Sprengladung. Die TOW, die die Bundeswehr auch hat (und die im Irak mehr Panzer zerstört hat, als die eigenen Kampfpanzer), detoniert locker einen Meter über dem Panzer. Der sind solche Aufbauten also völlig egal.

TOW detoniert über einem Panzer.

Zudem haben die vom Westen gelieferten Waffensysteme alle auch Munition, die durch reine Energie funktioniert. Ein Leopard hat beispielsweise auch KE-Munition (Kinetische Energie), die bei einem BMP vermutlich auf der einen Seite rein und auf der anderen wieder raus geht.

Entgegen meiner Behauptung halte ich da nicht meine erste Schultüte, sondern eine KE-Übungsgranate. (Na und? Hab ich halt gelogen. Ruft doch die Bullen.)

Das größte Problem ist aber, dass dadurch die Bewegungsfähigkeit des Panzers enorm eingeschränkt wird.
Ein T-72 muss seine Fahrt eh auf unter 20 km/h verlangsamen, wenn er feuern will. Er kann nicht einmal rückwärtsfahren. Und da bauen die zum Eigenschutz nun auch noch etwas drum herum, dass es unmöglich macht, den Turm zu bewegen. Und womöglich die Sicht der optischen Systeme einschränkt.
Sie machen aus einem Panzer, der zumindest auf dem Stand der 1970er war (und damals schon eher preiswert denn hochwertig), zu einer Kanone auf einer Selbstfahrlafette, wie sie in den Napoleonischen Kriegen eingesetzt wurde.

Russischer Kampfpanzer mit Wellblechaufbauten.

Ein Kampfpanzer ist der Nachfolger der Kavallerie. Ein Kampfpanzer muss reiten. Er muss in Bewegung bleiben. Kanonen sind Artillerie. Vom Einsatzspektrum etwas völlig anderes. Auch wenn sie von außen für Laien vermutlich recht ähnlich aussehen.

Und deshalb sorgen diese Bilder bei Militärs weltweit immer wieder für Erheiterung.
Sie sind Ausdruck der schieren Überforderung der Soldaten. Des verzweifelten Versuchs, sich gegen überlegene Waffen zu schützen. Und damit auch des tatsächlichen Zustandes der russischen Rüstungsindustrie. Die international inzwischen nur noch als billiger Diskont angesehen wird.

Laut der Analysen von Oryx hat Russland bisher über 11.600 Panzer verloren, die Ukraine 3794.

Topic Krieg

1 comment

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