89% der Araber lehnen die Anerkennung Israels ab
Das Arab Center for Research and Policy Studies hat am 10. Januar eine Umfrage veröffentlicht unter dem Titel „Arab Public Opinion about the Israeli War on Gaza“. („Arabische Öffentliche Meinung über den israelischen Krieg gegen Gaza“)
Ich hatte am 20.12.2023 bereits zwei ähnliche Umfragen (Opens in a new window) besprochen. Die zu ähnlichen Ergebnissen in den palästinensischen Gebieten kamen.
Die neue Umfrage wurde jedoch in 16 arabischen Staaten durchgeführt. Und sie zeigt ein größeres und durchaus erschreckendes Bild.
Ausgewertet wurden 8000 Beantwortungen mehrerer Fragen.
Die Umfrage entspricht den wissenschaftlichen Standards.
Das Arab Center for Research and Policy Studies wurde als Einrichtung zur Sozialforschung 2010 in Katars Hauptstadt Dohar gegründet und unterhält auch Büros in Washington und Paris.
Anzumerken ist, dass der Terroranschlag auf Israel konstant als „Militäroperation“ („military operation“) bezeichnet wird.
Das Paper habe ich im Original auf dem U.M.-Server bereitgestellt und werde es unter den Ergebnissen verlinken.
Die Ergebnisse
53% der Befragten verließen sich bei der Information auf Fernsehsender, 43% auf das Internet. (Vergl. dazu die vorherigen Befragungen)
Insgesamt beurteilten 67% der Befragten die „Militäroperation“ als „legitime Operation des Widerstands“.
In der Spitze fanden sich Libyen (91%) und Jordanien (84%). Im Westjordanland waren es 79%.Die Schlusslichter bildeten der Irak (49%) und Ägypten (34%). Doch dort war die Antwort „legitime Operation des Widerstands, bei der Fehler gemacht wurden“ am höchsten vertreten. Das könnte ein Hinweis auf den Informationskonsum sein, da dort auch andere Medien zugänglich sind.
Bei der Frage stach Saudi-Arabien heraus, da dort bei einem Spitzenwert von 18% der Befragten nicht antworten wollten.
67% der Befragten sahen die Hamas als etwas völlig anderes als den IS. 15% sah zumindest noch große Unterschiede. Nur 3% sahen keinen Unterschied zwischen Hamas und IS.
35% sahen die Besetzung palästinischen Landes bei Mehrfachnennung als primären Grund für die „Militäroperation“. (Was bedeutet, dass eine Mehrheit das heutige Israel als palästinensisches Land sieht.)
An zweiter Stelle kam erneut der Schutz der al-Aqsa Moschee in Jerusalem, was mit den früheren Befragungen übereinstimmt.84% aller Befragten empfanden einen hohen psychischen Stress durch den Krieg im Gazastreifen. Die meisten Befragten empfanden diesen hohen Stress im Jemen und in Libyen.
69% der Befragten gaben an, die Palästinenser und die Hamas zu unterstützen. 23% unterstützen die Palästinenser, aber nicht die Hamas. Nur 1% unterstützte die Palästinenser nicht.
Als wichtigsten Faktor Israels zur Fortsetzung des Krieges sahen bei Mehrfachnennung 50% die Unterstützung der USA. Abgeschlagen an zweiter Stelle kam die fehlende „maßgebliche Handlungen“ der arabischen Regierungen gegen Israel, dicht gefolgt von den vorherigen Normalisierungen der diplomatischen Beziehungen zu Israel.
59% der Befragten waren sicher, dass es keine Möglichkeit für einen Frieden mit Israel gibt.
94% der Befragten fanden die Position der USA schlecht oder sehr schlecht. Bei Deutschland waren es 75%. Die Positionen des Irans, Russlands und der Türkei wurden gemischt aufgenommen.
82% der Befragten befanden die Darstellung des Gazakrieges in den US Medien als zugunsten Israel verzerrt.
51% hielten die USA für die größte Gefahr für Stabilität und Sicherheit in der Region, 26% Israel.
92% aller Befragten hielten den Palästinakonflikt für einen, der alle Araber angeht.
89% aller Befragten lehnten eine Anerkennung Israels ab. Nur 4% waren für eine Anerkennung.
Keine kurzfristige Reaktion
Die Studie hätte eine ausführlichere Auswertung verdient. Dies würde hier jedoch den Rahmen sprengen.
Dennoch sei zumindest erwähnt, dass das Center die Frage nach der Anerkennung Israels den Ergebnissen seit 2011 gegenübergestellt haben.
Die Ablehnung ist zwar seit Beginn des Gazakrieges um 3% angestiegen. Doch sie war nie niedriger als 84% dagegen. Und das obwohl Israel zuvor Vorschläge für eine Zweistaatenlösung gemacht und sich einseitig aus dem Gazastreifen zurückgezogen hat.
Es handelt sich also nicht um eine Reaktion auf die israelische Bodenoffensive, sondern um eine inherente Einstellung.
Die Studie im Original: Link (Opens in a new window)(PDF, 1,92MB, U.M.-Server)
Auf ein Wort
In Jordanien hatte ein Schawarma Imbiss mit dem Namen „October 7“ eröffnet. Dazu habe ich auf der Facebook Fanpage einen Screenshot veröffentlicht. Woraufhin mehrere Accounts einen Fake nahegelegt haben, mit „Hetze“ vorwarfen und ähnliches.
Was mich daran mehr trifft als die implizite Unterstellung der Verallgemeinerung oder gar des Rassismus, ist das Absprechen von Fakten. Denn Verallgemeinerungen und Rassismus sind nicht mit Fakten in Übereinstimmung zu bringen. Ich bin jedoch aufgrund meines Weltbildes und meiner Ausbildung geradezu wissenschaftsverliebt und hinterfrage mich und jede Aussage, die ich öffentlich treffe, immer wieder selber.
Es kann nicht sein, was nicht sein darf.
Und deshalb werden meinem Eindruck nach in Europa und den USA aus Angst vor dem Rassismusvorwurfs beide Augen zugedrückt.
Die arabische Welt blickt auf eine über 1200-jährige Geschichte zurück, in der es ein geschlossenes Reich der islamischen Länder gab. Sicher innerlich zerrissen und in Kriegen zerstritten, doch immer auch als ein islamischer Komplex, ein „Kalifat“. Ganz ähnlich, wie Europa sich lange als Komplex des römisch-katholischen Christentums verstanden hat.
In diesem Weltbild ist Israel ein Störfaktor. Und dass die arabischen Länder nicht in der Lage sind diesen zu beseitigen, ist ein tiefsitzender Stachel und hat einen kaum zu unterschätzenden Einfluss auf die Selbstwahrnehmung und darauf, sich zurückgesetzt zu fühlen. Und das führt zu einer sozio-kulturell tief verankerten Ablehnung des Westens.
Es ist kein Rassismus, dies offen auszusprechen und dem Rechnung zu tragen. Die „westliche“ Öffentlichkeit muss lernen zu verstehen, was belegbare Fakten und Rassismus unterscheidet. Sonst besteht die Gefahr, dass unsere aufgeklärten Werte letztendlich gegen sie selber und gegen uns verwendet werden.
Im Grunde ist das nichts anderes, als was derzeit im Gazastreifen stattfindet. Die Hamas weiß sehr genau, wie die UN und „wir“ ticken, und nutzt das aus. Weil uns der Schutz der Zivilisten inzwischen näher ist, als das Ziel einen Feind zu bezwingen.
Man muss davon ausgehen, dass keine arabische Streitkraft uns umgekehrt die gleichen moralischen Werte entgegenbringen würde.