Warum die Deutsche Bahn einen tollen Job macht
Liebe Newsletter-Abonnent*innen,
wenn Sie diese Zeilen lesen, hat die Ampelkoalition in der Bevölkerung eine Zustimmung von nur mehr drei Prozent. Das stimmt uns traurig. Denn bei solchen Werten vergeht sogar uns die Lust an der Satire. Gegen eine die Fünfprozenthürde verfehlende FDP sticheln, über eine sich über zweistellige Wahlergebnisse freuende SPD spotten – immer gerne! Aber eine Regierung verhöhnen, die drei verdammte Prozent Zustimmung hat, das wäre billiges Nachuntentreten.
Interessanter ist momentan ohnehin die Opposition. Seit dieser Woche ist offiziell, auf welches Pferd die CDU/CSU im Rennen um die Scholz-Nachfolge setzt:
Bis es so weit ist, hat die Ampel noch jede Menge zu tun. Ganz oben auf der Agenda steht jetzt nicht nur die Sprengung aller verbleibenden Brücken in Deutschland (Einsturzgefahr!), sondern auch die Sanierung des Schienennetzes. Doch Moment! Ist es wirklich so schlimm bestellt um den hiesigen Zugverkehr? Unser Autor David Schuh hätte da einen Einwurf zu machen:
Warum die Deutsche Bahn einen tollen Job macht und zu Unrecht kritisiert wird
Diese Zeilen schreibe ich selbstverständlich in der Deutschen Bahn, sie war selbstverständlich pünktlich, und nun liegen wir sogar drei Minuten vor dem Fahrplan. Ich fahre fast täglich mit der Deutschen Bahn, und nur einmal war sie unpünktlich, weil sich eine Person zum Zwecke des Suizids auf dem Gleis befand. Die gewohnheits- oder gewerbsmäßigen Bahnkritiker*innen würden wohl argumentieren, dass man die Person doch einfach hätte überfahren können, »die wollte doch eh sterben«, und so den Fahrplan eingehalten hätte. Die Deutsche Bahn denkt nicht so, für sie steht der Mensch im Mittelpunkt, der im Zug genauso wie der auf den Gleisen. Ich sitze übrigens in der ersten Klasse eines ICE, besitze neben dem 49-Euro-Ticket keine weitere Fahrkarte, und die Kontrolleurin wünschte mir soeben aufrichtig eine angenehme Weiterfahrt. Die Deutsche Bahn fühlt sich nämlich dem Humanismus verpflichtet, und das steht nicht nur in den AGB, sondern ist gelebte Praxis, jeden Tag. Sie hat ein feines Sensorium für die Diversität ihrer Fahrgäste, deren finanzielle Möglichkeiten und deren Bereitschaft, einen solchen Text zu publizieren.
Ich möchte an dieser Stelle einmal allen gewohnheits- oder gewerbsmäßigen Bahnkritiker*innen zurufen: Erst mal selber besser machen! Glaubt Ihr ernsthaft, Ihr könntet das, ja? Die ganzen Züge bauen, die Bahnhöfe, die Gleise verlegen, die Oberleitungen aufhängen, die vorzüglichen Speisen der Bordrestaurants kochen, die hochkomplexen Streckennetze koordinieren, die Anzeigetafeln auf den Bahnhöfen instand setzen, noch dazu in ansprechendem Design, die Lokführer ausbilden, die Wartung der ganzen Infrastruktur sicherstellen, die mundenden Getränke der Bordbistros in ausreichender Menge bereitstellen, das informative Magazin DB-Mobil herausbringen, die noch informativere Webseite bahn.de (Opens in a new window) erstellen und diese täglich, ja minütlich aktualisieren, bei Unwettern die ganzen umgestürzten Bäume von den Gleisen schaffen, die Klimaanlagen in den Zügen installieren, die schicke Kleidung des Bahnpersonals zusammennähen, diese Geräte zur Fahrscheinkontrolle anfertigen, die Nothämmer anfertigen, täglich unzählige Anrufe mit Fragen zum Fahrplan und anderem entgegennehmen und beantworten, zu verschiedenen Anlässen Sonderzüge bereitstellen, TV-Werbespots drehen, den Schienengüterverkehr so koordinieren, dass er nicht mit dem Personenverkehr auch buchstäblich kollidiert, sich mit den ganzen Stuttgart-21-Gegnern rumschlagen, die Digitalisierung von allem Möglichen vorantreiben, die ganzen Bahncards anfertigen, noch dazu in ansprechendem Design, die hochkomplexe Preispolitik gestalten, alle naselang irgendwas sanieren oder fit fürs 21. Jahrhundert machen, die Konzernzentrale errichten, noch dazu in ansprechendem Design, den Negativpreis »Verschlossene Auster« entgegennehmen und dabei stets freundlich bleiben, die ganzen Betten für die Nachtzüge schreinern, noch dazu in ansprechendem Design, das »Tren Maya«-Großbauprojekt in Mexiko stemmen, die Bananen, Äpfel, Erdbeeren und Himbeeren anbauen und ernten, die für den schmackhaften »Freche Freunde Fruchtpüree« benötigt werden, welcher in den Bordbistros neben vielem anderen die adäquate Bewirtung auch der kleinen Fahrgäste gewährleistet UND, UND, UND.
Ich glaube, Ihr habt inzwischen verstanden, dass das Ganze doch nicht so einfach ist, wie Ihr Euch das vorgestellt habt. Sicher schämt Ihr Euch auch ein bisschen für die vorschnelle und ahnungslose Kritik. Und begegnet der Deutschen Bahn in Zukunft mit etwas mehr Demut, wenn nicht mit Hochachtung. Das wäre immerhin ein Anfang!
DS
Mit diesem Gedankenfutter entlassen wir Sie zwar noch nicht aus dem Newsletter, aber in den Sommer, der sich überraschend zurückgemeldet hat. Also: Warum nicht mal wieder mit dem Regionalexpress an die See fahren? Passende Kleidung nicht vergessen!
Legen Sie trotzdem schon mal die Herbstklamotten raus, denn nach dem Spätsommerhoch kommen die Herbststürme – eine Gewissheit, die sich bereits in das Unterbewusstsein unseres Kolumnisten Torsten Gaitzsch eingeschlichen hat …
Liebe Lesende,
vorgestern hatte ich einen Traum, der gleichermaßen banal, belastend und sonderbar spezifisch war.
Ein entfernter Bekannter verteilte anlässlich des finnischen Nationalfeiertags auf der Straße finnischen Obstkuchen. Er gab mir ein ganzes Kuchenviertel für zu Hause mit, hatte aber weder ein Tuppergefäß noch eine Pappunterlage anzubieten, so dass ich das Gebäckstück auf meiner baren Handfläche tragen musste. Auf dem Heimweg, welcher an meiner Grundschule vorbeiführte, herrschte starker Wind, der Kuchentransport geriet zu einer regelrechten Akrobatiknummer. Als ich vor meinem Wohnhaus den Schlüsselbund aus der Hosentasche zog, fielen mein Brillenputztuch sowie das Plastiktütchen mit Druckverschluss, in dem ich seltene Euromünzen für meine Sammlung zwischenlagere, zu Boden. Beides ist ersetzbar, doch ich duckte mich und wühlte – dabei weiter das vom Sturm inzwischen auf einen winzigen Quader reduzierte Kuchenteil balancierend – durch den Dreck, bis ich immerhin eine verschließbare Klarsichthülle zum Aufbewahren von Sammelkarten fand. »Ah, die kann ich als Ersatz zum Münzenverstauen nehmen«, dachte ich noch, bevor es mir endgültig zu blöd wurde.
Was wollte dieser Traum mir sagen? Dass ich enervierendste Widrigkeiten in Kauf nehme, wenn ich etwas kostenlos abstauben kann? Wahrscheinlich.
Nach dem Aufwachen malte ich mir aus, wie ein »finnischer Obstkuchen« aussehen könnte: Schokoladen-Tortenboden, eine Schicht Crème und obendrauf Früchtecocktail aus der Dose. Mhh. Backe ich vielleicht mal. Der finnische Unabhängigkeitstag ist am 6. Dezember.
Süße Träume wünscht
Torsten Gaitzsch
Verabschiedet sich ebenfalls und wünscht Ihnen ein gut informiertes Wochenende:
Ihre TITANIC-Redaktion
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