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Ein Zoo für Mikroben in Amsterdam und meine Tipps für den April

Mikrobenzirkus-Kolumne im April 2024

Liebe Leser und Leserinnen,

“To move, to breathe, to fly, to float,
to gain all while you give,
to roam the roads of islands remote,
to travel is to live.”

heute starte ich mit einem Gedicht von Hans Christian Andersen. Ich hoffe, dass ihr schöne Osterferien hattet. Im März war ich gefühlt nur am Koffer ein- und auspacken. Ich war bei noch recht eisigen Temperaturen und trotz Bahnstreik in Kopenhagen, hatte schon richtige Frühlingsgefühle bei 20 Grad in Straßencafés in Amsterdam und bin von dort per Schiff über die Nordsee zu einer Stippvisite nach Newcastle upon Town weiter. Ohne “Reisedropjes” im schaukelnden Bett. Diese kurzen Städtetrips waren so randvoll von Eindrücken und kommen mir im Nachhinein so viel länger vor. To travel is to live! Und mein Notizbuch ist natürlich immer dabei ;-)…schließlich recherchiere ich schon wieder für ein neues Sachbuch.

Das ist hier zwar kein Reiseblog - aber trotzdem einige Science & Culture -Tipps für euch neben den üblichen Tourismusattraktionen - falls ihr in diesem Jahr diese Städte noch besucht.

Kopenhagen:

  • Für Botanik-Fans: Das “Alte Palmenhaus” aus dem Jahr 1874 ist besonders eindrucksvoll im Botanischen Garten mitten in der Stadt: Es ist 16 Meter hoch und eine schmale gusseiserne Wendeltreppe führt zu einem Höhengang in der Spitze. Insgesamt gibt es 27 historische Gewächshäuser. Zu bestaunen sind tropische und subtropische Pflanzen - sogar arktische oder fleischfressende Arten .
    Homepage: Botanischer Garten (Opens in a new window)

  • Für Sternengucker: Das älteste funktionstüchtige Observatorium könnt ihr in der Kuppel des Runden Turm (Rundetaarn) aus dem 17. Jahrhundert anschauen. Dänemark ist zwar bekannt für Tycho Brahe (gest. 1601), der hat aber keinen Fuß mehr in das Observatorium gesetzt. Christian IV. ließ den Turm erbauen, um dessen Forschungen an der Universität fortzusetzten. Von der Außenplattform habt ihr einen fantastischen Ausblick über die Kopenhagener Altstadt.

    Auch innen ist der Turm außergewöhnlich, weil ihr ihn über einen sehr breiten Schneckengang erklimmen müsst, auf dem früher Kutschen hochgefahren sind und auch das eine oder andere Auto. Der Weg führt am Bibliothekssaal vorbei - der Runde Turm war früher auch ein Buchladen für die Studenten der nahen Bibliothek und auch Hans Christian Andersen begegnet uns hier wieder - der als regelmäßiger Besucher in der Bibliothek Inspirationen für seine Werke suchte.

    Homepage: Der Rundetaarn ( (Opens in a new window)visitdenmar (Opens in a new window)k.de) (Opens in a new window)

Amsterdam:

  • Ganz viel Kunst: Frans Hals Ausstellung im Rijksmuseumbis 9. Juni 2024: Das Rijksmuseum lohnt sich ja immer. Ich empfehle euch auf alle Fälle die Führung “Das Beste vom Rijksmuseum” (Audioguide) um in etwa zwei Stunden einen ausgewählten Überblick zu bekommen inklusive den bekannten Meisterwerken wie “Die Nachtwache” , “Das Milchmädchen” von Vermeer etc.

  • Für Mikroben-Liebhaber: Micropia der weltweit erste Mikrobenzirkus:
    Das lohnt sich richtig für biologieinteressierte Laien und auch noch für Fachleute. Darum soll es hier heute auch etwas ausführlicher gehen im mikrobiologischen Thema für den April.
    Homepage: Micropia (Opens in a new window)

Micropia - ein Zoo für Mikroben mitten in der Stadt

Ich war 2017 zum ersten Mal dort und hatte Gelegenheit, mir dieses Eldorado für Mikrobiologen selbst vor Ort anzuschauen: sozusagen ein Recherchetermin für mein Sachbuch "Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Türklinke".

Micropia ist eine kleine aber feine Untereinheit des Stadtzoos Artis mitten in Amsterdam. Vom Bahnhof Amsterdam Centraal ist der Zoo ganz einfach mit der Tramlinie 9 zu erreichen ‑ wunderschön gelegen im Stadtteil Plantage.

Am Eingang wurden wir von freundlichen Besucher-Guides in weißen Laborkitteln empfangen, die uns die Tour durch das Museum und für Kindern eine Art Stempel-Rally erklärten. Dann ging es schon ab in den Fahrstuhl zur ersten Ebene des Museums. Dieser Einstieg durch eine Schleuse in den Mikrokosmos war sehr gut gemacht. An der Decke des Fahrstuhls sahen wir uns auf einer Videowall zuerst selbst in voller Größe. Dann zoomte das Kamerabild über unseren Köpfen an das Auge eines Besuchers im Lift heran und zeigte uns die Mikroorganismen, die für gewöhnlich auf unseren Wimpern leben. Guter Effekt!

Aufwändige multimediale Exponate

Micropia ist wirklich ein einzigartiges und sehr aufwändiges Museum. Das Sehen und das Erleben der Mikroorganismen stehen für das Publikum im Mittelpunkt.

Die meisten Exponate waren sehr aufwändig inszeniert mit lebenden Mikroorganismen z.B. Bakterien oder Algen in großen Kolben, die regelmäßig erneuert werden. Gleichzeitig konnte man selbst mikroskopieren und über einen Touchscreen den Mikroskop-Ausschnitt sehen. Je nach Interessenstiefe könnt ihr die mediale Erweiterung der Exponate durchforsten, die mittels Filmen, Bildern und Texten Einblick in das Aussehen, Verhalten und die vielfältigen Beziehungen der Kleinstlebewesen zum Menschen geben. Das funktionierte auch prima für die Eltern mit jüngeren Kindern neben uns.

Die Einzigartigkeit von Micropia liegt in der Mischung lebender und virtueller Mikroben. Die dramatischen Größenunterschiede zwischen den verschiedensten Kleinstlebewesen machten riesige Monitorwände erlebbar. In einem interaktiven Panorama mit extremophilen Mikroorganismen erlebten wir Mikroben an Orten, die extreme Lebensbedingungen wie hohe Radioaktivität oder Kälte mit sich bringen. Die virtuellen Mikroorganismen schwebten dank einer speziellen Projektionstechnik vor dynamischen 3D-Landschaften. Faszinierend!

Im Fokus: Positive Beziehung zwischen Mikroben und Menschen

Uns selbst und unseren Mikroben begegneten wir in der Ausstellung immer wieder. Am überraschendsten ist für die meisten Besucher in der Ausstellung der „Mikroben-Scan“ des eigenen Körpers, bei der sie interaktiv ihren Körper erforschen können. Ich trat sozusagen meinem virtuellen Ich gegenüber und konnte die durchschnittliche Masse von zwei Kilogramm an Mikroben erforschen, die an und auf mir an unterschiedlichen Stellen meines Körpers leben. Die Technologie, die hierbei zum Einsatz kommt, war ein hochentwickeltes Körpertracking.

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BU: Körper-Scan auf Mikroben (S. Thiele)

Neben den Mikroben standen immer wieder wir selbst im Zentrum der Ausstellung – und das auf mehreren Ebenen: als Betrachter, als interaktiv Handelnde und Forschende, und als Objekte, die es selbst zu erforschen gilt.

Sei es das „Kiss-o-meter“, bei dem wir erfuhren, dass wir gerade 1 Million Bakterien und 100 verschiedene Typen beim Kuss mit dem Liebsten ausgetauscht haben ;-). Oder eine beeindruckende Sammlung unterschiedlicher Kotsorten und Bakterien, die unseren Darm bewohnen.

BU: Sammlung von Proben von Darmbakterien (S. Thiele)

Sehr beeindruckt hat mich persönlich eine ganze Wand voller Petrischalen mit Mikroben: Sie zeigte eine Vielzahl von, in unserem Haushalt mit uns lebenden, kleinen Nachbarn: Bakterien aus dem Teppich, vom Handy oder der Zahnbürste usw.

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BU: Bakterien und Pilze, die mit uns im Haus leben (S. Thiele)

Mikroben im Kreislauf des Lebens

Bakterien und Pilze werden dringend gebraucht, damit der Kreislauf des Lebens funktioniert. Das wird in der Ausstellung extrem deutlich gemacht mit einem Exponat einer live verwesenden Giraffe.  Aber auch vor Lebensmitteln machen die Mikroorganismen nicht halt.

Fazit:

Nicht nur mir als Mikrobiologin sondern auch meiner Familie hat diese Ausstellung sehr gefallen. Das Museum erscheint auf den ersten Blick nicht sehr groß - bot aber für verschiedene Altersklassen ab ca. 10 Jahren eine Fülle an Informationen und interaktiven Möglichkeiten, sich spielerisch Wissen zu erarbeiten.  Die Exponate sind sehr gut gemacht und pflegeaufwändig. Zudem waren ständig Wissenschaftler:innen in der Ausstellung und kontrollierten Kulturen oder standen für Fragen zur Verfügung. Der Mikrokosmos blieb nicht nur beschränkt auf Bakterien, Viren Pilze oder Phagen. Auch Algen, Ameisen oder kleine Käfer fanden hier noch Platz.

Ausstellungsdesign und Multimedia

Die Ausstellung wurde vom niederländischen Ausstellungsdesignbüro Kossmann.dejong in enger Zusammenarbeit mit ART+COM Studios gestaltet. Während Kossmann.dejong für die Gesamtkonzeption des Ausstellungsdesigns und Szenografie verantwortlich war, arbeitete ART+COM in erster Linie an der Konzeption, Gestaltung und Entwicklung der medialen Exponate – von den ersten Skizzen zum Interaktionsdesign bis hin zur Programmierung und zum Hardwaredesign.

Unbedingt probieren!

Das Café-Restaurant „De Plantage“ gleich neben Micropia ist ein echter Insider-Tipp für die kommenden wärmeren Monate. Es ist ein gemütliches und nostalgisches Gartenrestaurant am Artis-Zoo mit einer schönen Sonnenterasse. Gegenüber kann man Flamingos und Störche beobachten.

Meine Empfehlung: Tartines (geroosterd desembrood) Crème van Hollandse geitenkaas (Ziege (Opens in a new window)nkäse) met gegrilde honingpeer (Honigbirne), rucola an hazelnoot. LEKKER!

Grüße aus dem Mikrobenzirkus

Susanne

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