Am dünnen Faden
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Ich sitze in der Tram und will über Hoffnung schreiben. Vor dem Fenster ziehen Plattenbauten unter grauen Wolken vorbei. Wie ich schon meinte: Ich will über Hoffnung schreiben, weil ich glaube, dass sie wie ein Muskel ist, den ich trainieren kann. Außerdem aus der Erkenntnis heraus, dass es ohne Hoffnung keine Hoffnung gibt.
Leicht fällt es mir nicht.
Ich merke seit Tagen diesen Druck, dass ich Donnerstag irgendwas abliefern will, dann ist wieder Newsletter-Tag. Deep soll es sein, am liebsten universell. Aber alles, was mir einfällt, fühlt sich konstruiert an, fadenscheinig. Ich glaube es selbst nicht ganz, wie soll es dann jemand glauben, der es liest.
Ein Satz, geschrieben, von jemandem, der mir nahesteht, hat mich kürzlich noch mal komplett rausgekickt: “Und wenn eine Gesellschaft euren Weg nicht mitgehen will, dann akzeptiert das. Kann ja sein, dass das dann zerstörerisch ist. Auch das muss man dann akzeptieren.” Die Auslöschung von 96 Prozent allen Lebens auf diesem Planeten akzeptieren, wenn die Alternative ist, die deutsche Ordnung zu stören. Ich kann es immer noch nicht ganz glauben, dass jemand das wirklich so sehen könnte. Lieber Friedhofsruhe als Klimagerechtigkeit.
Am ehesten geben mir die Menschen Hoffnung, die ich derzeit treffe. Peter Donatus steigt gerade bei uns ins Projekt Menschlichkeit (Opens in a new window) ein. Der Journalist und Autor organisierte einen Generalstreik in Nigeria, im Protest gegen seine korrupte Regierung, wurde dafür verhaftet und gefoltert, kämpft trotzdem unablässig gegen Shell und Konsorten, die Teile seines Heimatlandes zerstört haben, setzt sich für ein Ökozidgesetz ein, wie es die EU gerade endlich beschlossen hat.
Weitermachen, gegen alle Widerstände, auch in den eigenen Reihen, das ist es, was mich an ihm beeindruckt. Bei unserer Kick Off-Party fürs Projekt Menschlichkeit hielt er eine Rede und forderte, dass Klimabewegungen des Globalen Nordens zehn bis zwanzig Prozent ihres Budgets an Bewegungen aus dem Süden geben sollten. Das Verursacherprinzip schreibe das vor, wobei er sich selbst durchaus mit einschloss: er lebt mittlerweile seit über 30 Jahren in Deutschland.
Für seine Position bekam er viel Applaus. Dass es Menschen wie ihn gibt, die nicht den einfachen, sondern den richtigen Weg wählen, das gibt mir Hoffnung.
Aber wie viele wie er sind da draußen? Meine Hoffnung fühlt sich an diesem Schreibtag an, als hinge sie an einem sehr dünnen Faden. Nächste Woche ist vielleicht schon besser.
*In jedem Newsletter reagiert Mara Klein bildlich auf das Geschriebene. Ihr Assistent: Dall-E.