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Location, Location, Location

Wenn du deinen Freundinnen und Freunden eine Geschichte erzählst - mit welcher Information fängst du an? Vielleicht mit “Ich war in diesem Café am Marktplatz …” oder “Neulich im Büro …” oder “Der Wald ist zur Zeit so schön, ich war am Wochenende Spazieren und …”?

Könnte der Satz, mit dem du einleitest, so oder so ähnlich klingen?

Worauf ich hinaus will: Wenn wir von unseren Erlebnissen berichten, beginnen wir häufig mit dem Ort des Geschehens. Wir geben unserem Gegenüber ein Bild, in vierlei Hinsicht eine Szenerie, die er*sie sich vorstellen kann. Wenn nötig, kramen wir unser Handy hervor und zeigen ein Bild - so wichtig ist die Location, wenn es um unsere Storys geht.

In einem Buch spielt das Setting auch eine große Rolle. Als Schreibende entführen wir Leser*innen in eine neue Welt, an mehr oder weniger fremde Orte. Manchmal entspringen sie komplett unserer Fantasie, oft haben sie aber auch ein oder mehrere reale Vorbilder. Unabhängig davon wie nah sie tatsächlich an der Wirklichkeit sind, müssen sich Buchwelten real anfühlen. Sie dürfen nicht den Eindruck einer Kulisse erwecken. Eine Umgebung, die sich anfühlt, als wäre sie nur eine Häuserfront aus Karton, die kippt sobald man die falsche Tür öffnet, verhindert, dass man sich auf die Handlung so richtig einlassen kann. Eine Geschichte braucht ein stabiles Fundament, damit Leser*innen so richtig in sie eintauchen können. Um das zu erreichen, kann man sich an drei - im Grunde simple - Grundsätze halten.

  1. Write what you know! (Schreibe, was du kennst!)

Ob man sich nun komplett darauf konzentriert eine Gegend, die man im echten Leben schon erkundet oder bewohnt hat, aufs Papier zu bringen oder ob man sich die Location selbst zusammen baut: Bekanntes sorgt für Authentizität! Natürlich möchten Leser*innen gerne auch mit Neuem überrascht und unterhalten werden, aber man darf nicht zu abstrakt werden, sonst verpasst man die Chance zur Identifikation. Lesende bauen nämlich nicht nur (im besten Fall) eine Verbindung zur Hauptfigur bzw. zum Erzähler auf, sondern auch zu deren/dessen Umgebung.

Und falls du dich jetzt fragst: Was genau versteht man denn unter bekannt? Kann man denn davon ausgehen, dass Leser*innen kennen, was man selbst kennt? Bis zu einem gewissen Grad schon.

Zwar erlebt jeder Mensch die Welt um sich herum auf seine ganz individuelle Art, dennoch gibt es zahlreiche Überschneidungen in unseren Erlebniswelten. Als ich die fiktiven Städte Fichtingen und Buchingen für meine Romance-Novellen (Opens in a new window) entwickelt habe, bin ich bspw. davon ausgegangen, dass mein Publikum eine ziemlich konkrete Vorstellung davon hat wie eine deutsche (Klein-)Stadt aufgebaut ist. Dass es zum Beispiel einen Marktplatz im Stadtkern gibt und dass sich rundherum klassische Must Haves wie ein Rathaus, Gastronomie und Geschäfte angesiedelt haben. Ich muss meinen Leser*innen keine Skizze malen oder sie Entwicklung des Ortes historisch herleiten, damit sie es vor sich sehen. Und schon die beiläufige Erwähnung von ein paar rutschigen Pflastersteinen oder einer schweren Eichentür, verrät ihnen, dass sie sich inmitten der Altstadt zwischen Fachwerkhäusern und auf unebenen Wegen befinden.

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Selbst in einer dystopischen Science-Fiction, wie es meine Invalidum-Bände (Opens in a new window) sind, kann ich mit Bekanntem arbeiten. Dafür braucht es nur ein wenig Fantasie und vielleicht etwas Interesse an technischen Innovationen, denn im Grunde muss man nur das, was man bereits aus dem eigenen Alltag kennt, weiterdenken. In einem Zeitalter, in dem man das Öffnen und Schließen von Rolläden, die hauseigene Heizung oder auch den Rasenmäher im Garten per App gesteuert wird und es einem gar nicht mehr seltsam vorkommt mit dem Küchenradio zu sprechen, ist eine künstliche Intelligenz, die jedes Detail des Haushalts eigenständig steuert eigentlich schon eine Near-Future-Vision. Und auch völlig autonom fahrende Transportkapseln oder Roboter, die komplizierte medizinische Eingriffe selbstständig vornehmen, sind nur noch halb so abstrakt. Das Zuhause der Hauptfigur ist wie unseres, nur futuristischer und ausgeklügelter - und schon fühlen wir uns sofort right at home.

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  1. Denk an dein Genre!

Wenn wir über das sprechen, was Leser*innen als bekannt empfinden, kommen wir um Genres eigentlich nicht herum. Innerhalb eines Genres fallen oft Gemeinsamkeiten in puncto Setting auf. Vielleicht hast du auch schon einmal bemerkt, dass es viele Krimis gibt, die an Orten mit … sagen wir mal … eher wenig Sonnenstunden spielen? Zum Beispiel in Großbritannien und Skandinavien? Ob es nun die tatsächlichen Wetter- und Lichtverhältnisse an diesen Orten abbildet oder nicht: Diese Locations werden als kühl, verregnet, düster oder auch rau und einsam wahrgenommen. Ein perfektes Setting für Gänsehautmomente. Eine Romanze spielt klassicherweise nur zur Weihnachtszeit in kälteren Gefilden, ansonsten sucht man sich in diesem Genre eher ein wärmeres Setting - oder ein belebteres, etwa mit einer quirligen Kleinstadt (Opens in a new window)oder einer aufregenden Metropole wie New York. Wenn die Leserschaft mit diesen Umgebungen vertraut ist und sie schon mit dem jeweiligen Genres in Verbindung bringt, gewinnt man einen Vorsprung beim Erschaffen der richtigen Atmosphäre.

  1. Keep it simple! (Halte es einfach!)

Möglicherweise denkst du dir jetzt: “Aber das klingt ja so, als würde man es sich als Autor*in besonders einfach machen …” Nun, damit hast du nicht unrecht. Natürlich möchten Autorinnen nicht seitenlang einen Ort beschreiben, bevor sie endlich in die Handlung einsteigen und die Figuren ins Zentrum rücken. Noch viel wichtiger ist aber: Sie sollten es auch nicht tun!

Ellenlange Beschreibungen bezeichnet man als Info Dumping (zu Deutsch etwa: das Zumüllen mit Informationen). Es gilt als schlechter Stil und außerdem als antiklimatisch, weil es schlicht und ergreifend langweilig ist. Sein Setting einfach zu halten, sich auf Bekanntes zu stützen oder an genre-üblichen Locations zu orientieren, ist eine guter Ansatz um Ausschweifungen vorzubeugen. Komplizierter wird es natürlich, wenn man einen komplexeren Weltenbau hat (beispielsweise in Fantasy- und Science-Fiction-Romanen) oder ein historisches Setting wählt. In diesen Fällen muss man die Informationen rund um die Örtlichkeit dosieren.

Am besten gelingt das, wenn man sich auf die Hauptfigur konzentriert und zum Beispiel ihre Sinneswahrnehmungen (was sie sieht, hört, fühlt, riecht …) beschreibt. Dabei darf man aber nicht außer Acht lassen, dass die Figur sich in ihrer gewohnten Umgebung bewegt. Sie wird also nicht ihren Tag damit beginnen, über ihre silbrig-glänzende Bettwäsche nachzudenken, die von den zurückgezogen lebenden, zweihundert Jahre alten Elfen-Vampiren des Dunkelstern-Ordens im drei Tageswanderungen entfernten Kristallgebirge aus Silberschaf-Wolle im Glasbaumwald unter dem Licht von drei Monden gewebt wurde. Das ist ein überzogenes Beispiel, aber es ist wichtig zu verstehen, dass bestimmte Details manchmal einfach nicht wichtig sind. Informationen sollten erst und nur dann eingestreut werden, wenn sie für die Handlung relevant sind. Die Leserschaft muss erst einmal ankommen.

Wo geht's als nächstes hin?

Und wo wir gerade beim Thema Ankommen sind: Ich weiß jetzt, wo es fürmich in meinem nächsten Buchprojekt hingehen wird. :) Beim nächsten Mal verrate ich dir das Setting meiner neuen Geschichte und lasse dich schon einmal einen Blick auf das nächste buchige “Reiseziel” werfen.

Ich hoffe, du liest wieder mit!

Bis bald!

Phillippa

Auf der Suche nach einem Herbst-Read? Falls du meine Novelle “Der Blick, den wir riskieren” noch nicht kennst: In dieser Geschichte erwartet dich eine gemütliche Kneipe in einer verregneten Kleinstadt. Und selbstverständlich eine Romanze, die der kühleren Jahreszeit ein wenig einheizt!

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