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Liebe Pfefferhasis und Newsletter-Abonnenten*innen,

Sonntag zwei ohne Wochenrückblick. Meine kleine Sommerpause dauert jetzt noch 14 Tage und ich muss zugeben, ich genieße es sehr, den Sonntag ohne Druck und abseits des PCs zu verbringen. Heute war ich zum Beispiel auf dem African Book Festival (Opens in a new window) und durfte auf der AfreeGems-Stage mit Sine Buthelezi, Ann Ider-Konadu und Alexandra Antwi-Boasiako über Bücher sprechen. Das Panel hieß „Your Next Good Read“ und ich habe „Pet“ von Akwaeke Emezi vorgestellt (ein Young Adult Roman mit magischen und afrofuturistischen Elementen, den es hoffentlich bald auch in deutscher Übersetzung gibt). Meine zweite Empfehlung, die für die Festivalbesucher*innen allerdings sicher keine Neuigkeit war, ist „Adas Raum“ von Sharon Dodua Otoo, einer der besten Romane des letzten Frühjahrs. „Adas Raum“ verbindet die Geschichten von vier Adas, von denen eine im vorkolonialen Westafrika, eine im London von 1848, eine im KZ Mittelbau-Dora 1945 und eine in Berlin 2019 spielt. In der Vorbereitung für den heutigen Paneltalk habe ich ein Gespräch zwischen Sharon Dodua Otoo und Charlotte Milsch im Podcast des Literarischen Salons der Leibniz Universität Hannover (Opens in a new window) gehört, das ich euch wärmsten empfehlen kann. (Hier auch mit Bild auf YouTube (Opens in a new window)

Während Boomer in Deutschland auch diese Woche noch nicht müde wurden, über Karl May zu diskutieren und der frühere Neuköllner Bürgermeister Heinz „Intensivtäter“ Buschkowsky gar Politiker*innen zur Einberufung eines „Winnetou-Gipfels“ aufforderte, wurde in Spanien ein Stück feministische Geschichte geschrieben: „Nur Ja heißt Ja“ ist jetzt Gesetz (Opens in a new window). Eine sexuelle Handlung, der nicht alle Beteiligten ausdrücklich zustimmen, gilt zukünftig als Vergewaltigung. Das neue Gesetz wird der Realität von sexualisierter Gewalt viel mehr gerecht, als die (zum Beispiel in Deutschland geltende) „Nein heißt Nein“-Regel. Wer beispielsweise stark betrunken ist, schläft oder aus Angst erstarrt, kann weder „Nein“ sagen noch Einverständnis geben. Einvernehmlichkeit sollte selbstverständlich sein, auch und gerade beim Sex. Wer jetzt denkt, es zerstöre die Stimmung nach Konsens zu fragen, sollte dringend seine Vorstellung von Erotik hinterfragen. 

In der vergangenen Woche haben wir uns an den rassistischen Pogrom in Rostock Lichtenhagen zwischen dem 22. und 26. August 1992 erinnert. Es bleibt für immer unvergessen, wie Bürger*innen der Stadt johlten und jubelten, als Brandsätze in die Fenster der Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber*innen (ZAS) und ein Wohnheim für vietnamesische Vertragsarbeiter*innen geworfen wurden. Wir werden es dem deutschen Staat weder verzeihen, dass er nicht rechtzeitig eingriff und die angegriffenen Menschen schützte noch werden wir vergeben, dass als Konsequenz das Asylrecht verschärft und Opfer des Pogroms abgeschoben wurden. Der Staat hat nicht nur versagt, er trägt eine Mitschuld an den bis heute täglich stattfindenden rassistischen Gewalttaten. In Leipzig haben Unbekannte am Freitagabend mehrere Brandsätze auf eine Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete im Stadtteil Lausen-Grünau geworfen (Opens in a new window). Verletzt wurde dabei zum Glück niemand. Doch trotz der alltäglichen Gefahr (Opens in a new window) für geflüchtete Menschen in Deutschland, sieht der weiße Spiegel-Autor René Pfister die „Gefahr für die Demokratie“ ganz woanders: „Im Namen von Gleichberechtigung und Antirassismus zwingen linke Aktivisten der Gesellschaft eine neue Ideologie auf“, schreibt er in seinem Beitrag, der heute auf Spiegel Online (Opens in a new window) und am Freitag bereits im Heft veröffentlicht wurde. Der Spiegel bietet Pfister eine Plattform, auf der er unwidersprochen behaupten kann, das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) würde in seinen Studien zum Rassismus in Deutschland „den Bürgern finstere Motive zu unterstellen“. Er schwadroniert von „Blüten eines überdrehten akademischen Betriebs“ und „Dogmen der Transbewegung“. Die geplante Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes (das in 17 Ländern weltweit schon gilt) nennt er eine „moderne Form des magischen Denkens“ bzw. den „Versuch, bei den Bürgern mit staatlichem Zwang die Weltsicht der Transcommunity und ihrer Unterstützer durchzusetzen“. Für Pfister ist Anti-Rassismus eine „Ideologie“, die „ebenso strengen wie simplen Glaubenssätzen folgt – und jeden zum Rassisten erklärt, der ­ihnen nicht gehorchen will.“ Über 5.000 Wörter lässt der Spiegel den Autor über einen angeblichen „Kulturkampf“ fantasieren, der „im Kern ein Angriff auf die Prinzipien des liberalen Rechtsstaats“ sei. Für ihn ist die „linke Identitätspolitik“ u.a. Schuld am Erfolg von Trump und der AfD. Ach gäbe es doch nur eine wirksame Cancel Culture, dann würden uns Ergüsse dieser Art zukünftig erspart bleiben. 

Ich verabschiede mich für heute und lese jetzt noch ein bisschen im „Blutbuch“ von Kim de L’Horizon, dessen Platz auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis den René Pfisters dieser Welt garantiert ein Dorn im Auge ist.

In diesem Sinne, bleibt der Dorn im Auge alter weißer Männer, habt es gut und bis nächsten Sonntag

Ulla 

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