Das Geld der Deutschen
Geld statt Worte/Wahl im Saarland/ Die Serie L'agence
"Ich kann kein Brot wegwerfen!" "Ich ertrage das Feuerwerk an Silvester nicht." "Ich muss jeden Teller leer essen, auch wenn es mir gar nicht schmeckt!" – Solche Sätze hörte ich in der Kindheit oft, etwa wenn ich Freunde besuchte und deren Eltern oder Großeltern ins Plaudern kamen. Wir Kinder haben den Kopf geschüttelt und uns heimlich lustig gemacht. Was diese Erwachsenen da schilderten, waren posttraumatische Störungen in Folge des Krieges. Damals nannte es kein Mensch so.
Diese Traumata wurden nicht benannt und nicht behandelt. Sie begründeten eine Sehnsucht nach Stabilität, deren Medium das Geld ist. Wenn ich genug Geld habe, bin ich vor Krisen, Gefahren und der Geschichte immun – das ist der unausgesprochene deutsche Aberglaube. Er wirkt nicht nur in Kriegszeiten: Wie viele bereits reiche Männer habe ich erlebt, die auf der frenetischen, unendlichen Suche nach noch mehr Geld ihre Gesundheit ruinierten. Oder ihre gute Laune. Oder den guten Ruf.
So vieles ändert sich in diesen Tagen, aber die existenzielle Beziehung der Deutschen zum Geld bleibt auch nach dem russischen Überfall auf die Ukraine der seelische Leitfaden des Landes. Es scheint mir, als würden alle Fragen früher oder später auf das Feld der Finanzen manövriert, wo man sie besser versteht. Nun diskutiert man nicht mehr über die Rolle Deutschlands in einer veränderten Welt, über Werte und Opfer, sondern über Summen, Steuern und Renten – urdeutsche Kompetenzfelder. Das hat viel Gutes, denn eine vernünftige finanzielle Ausstattung bedeutet Komfort, Gesundheit und sichert die Freiheit. Ich möchte keinesfalls die segensreichen sozialstaatlichen Maßnahmen kritisieren, die völlig zu Recht all denen, die knapp bei Kasse sind, eine faire und wohlverdiente Unterstützung überweisen. Aber warum bekommen es auch jene, die locker 300 Euro monatlich allein für Sushi ausgeben? Der Gestus ist seltsam: Deutschland, eines der reichsten Länder der Welt, reagiert auf die Zeitenwende, in dem die Bundresgierung allen Leuten Geld überweist.
In diesen Tagen hatte ich den Eindruck, dass die Bundesregierung eine verängstigte, auch tatendurstige Bevölkerung mit magischen Summen faszinieren möchte: 100 Milliarden für die Verteidigung, dann 300 Euro für Jede und Jeden. Das ist bestimmt gut gemeint, wirkt aber auch ratlos, wie wenn Eltern ihren Kindern nach einem heftigen Familienkrach einen Schein in die Hand drücken, weil ihnen die Worte fehlen.
Nun spürt man eine Fehlentwicklung, auf die der CDU-Theoretiker Meinhard Miegel immer wieder hingewiesen hat: Wachstum war die Antwort auf alle Fragen. Welche Werte uns wichtig sind, ob Wachstum überhaupt sinnvoll ist oder glücklich macht, das wurde als Nischen- oder Luxusthema abmoderiert. Nun kommt die Geschichte mit einer Wiedervorlage: Haben wir Überzeugungen, Ideale und Werte, die uns wichtiger sind als Geld?
Zwischen Deutschland und der russischen Führung wurde viel Geld bewegt, bewirkt hat das letztlich nichts. Wie man vor 1914 annahm, dass die engen familiären Beziehungen zwischen den europäischen Herrscherhäusern den Frieden sichern würden, dachte oder hoffte man in den letzten Jahrzehnten ähnliches über diese lukrativen Wirtschaftsbeziehungen. Jede Seite täuschte sich auf ihre Art: Putin hat kalkuliert, dass Deutschland aus Angst ums Geld nichts gegen ihn unternimmt. Umgekehrt haben wir angenommen, dass der obszöne Reichtum Putins ihn davon abhalten möge, seinen Dämonen zu folgen – schließlich hat er so viel zu verlieren, all die Kohle. Andere Kräfte in ihm obsiegten. Der dolce vita zog er den militärisch durchgeführten Massenmord vor, der ihn finanziell und moralisch ruiniert.
Heute ist die Landtagswahl im Saarland. Dieser Tage durfte ich ein Radiointerview zu dem Thema geben. In der Anmoderation sprach der Kollege, der die Fragen stellte immer von "Tobias Hahn". Ich habe ihn dann korrigiert, aber es war kein Versprecher. Er war der festen Überzeugung, dass der saarländische Ministerpräsident so heißt.
Als ich vor einigen Jahren an der Saarbrücker Staatskanzlei entlang spazierte, traf ich einen Studienfreund, der dort arbeitet. Er schwärmte von Hans: "Du, das ist der erste MP, der alles exakt so vorträgt, wie man es ihm aufschreibt!" Ohne Manuskript allerdings enttäuschte er. Interessiert sich für nichts, fragt nichts, entwickelt keine Pläne. Ich fand es, als ich für eine Reportage dort war, trist in Saarbrücken. Leer und leise, viel Entmutigung und wenig Dynamik - Muss man erstmal schaffen, solch eine witzige Region in den Ruhezustand herunterzufahren. Ich glaube, dass eine neue Regierung das Land beleben wird.
Sehr reiche Menschen und ihr Habitat sind kaum im Fernsehen zu studieren, obwohl es dort sehr viel Lehrreiches gibt. In Frankreich freut man sich nun an einer Serie, in der eine Familie von Immobilienmaklern das obere Luxussegment, so ab 3, 4 Millionen, bespielt. Man erfährt einiges über die Tricks der Branche, über den Geiz der Reichen und lernt, falls man es noch nicht wusste, dass der Westen ein massives ökonomisches Fairnessproblem hat. Ziemlich lustig ist es aber auch:
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Nils Minkmar
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