Der enorme Wert des „Schwarmwissens“
Wie man mit maximaler Ignoranz und einem Minimum an Fakten die Welt regiert.
Das kollektive Genie des Internets: Wenn zwei Halbwissende einen Professor ersetzen
Wer braucht noch Universitäten, wenn man eine Facebook-Gruppe hat, in der jeder seine unverblümte Meinung zum Klimawandel, zur Quantenphysik und zum besten Rezept für Käsekuchen posten kann? Das Schwarmwissen der Massen hat eine neue Ära eingeläutet – und die ist mindestens so revolutionär wie das Rad. Nein, besser. Denn während das Rad damals von EINEM klugen Kopf erfunden wurde, ist das Schwarmwissen das Produkt von Millionen! Und was kann schon schiefgehen, wenn Millionen von Leuten gleichzeitig Halbwissen, Verdächtigungen und Tipps austauschen?
Nichts, natürlich. Experten waren gestern – heute fragen wir lieber „alle“. Wenn man dem Schwarm folgt, erreicht man ja bekanntlich immer sein Ziel, auch wenn das Ziel in den meisten Fällen nur „endlose Verwirrung“ oder „die tiefsten Abgründe des Internets“ ist. Aber wer kann schon sagen, was wirklich falsch oder richtig ist? Wie Tante Uschi immer sagt: „Jeder hat seine eigene Wahrheit.“
Wie Tante Uschi Facebook revolutionierte und die Wissenschaft in den Schatten stellte
Apropos Tante Uschi: Sie hat Facebook quasi erfunden. Naja, nicht wirklich. Aber sie ist eine der wichtigsten Figuren, wenn es um den unermüdlichen Einsatz für die Verbreitung „alternativer Fakten“ geht. Und mal ehrlich – wer braucht schon Fakten, wenn man mit Meinung so viel weiterkommt? Früher musste man mindestens drei Jahre studieren, um auch nur ein Grundlagenbuch über Immunologie zu verstehen. Heute genügt ein virales YouTube-Video mit dramatischer Hintergrundmusik und ein paar Wörtern in Großbuchstaben, um die gleiche Autorität zu erreichen wie ein Nobelpreisträger. Das ist die Magie des Schwarms.
Warum also stundenlang in der Bibliothek hocken, wenn Tante Uschi die neuesten Weisheiten von „Dr. Facebook“ direkt in die Timeline zaubert? Ein Freund ihrer Cousine hat schließlich mal gelesen, dass Viren durch Lachen und positiven Gedanken besiegt werden können. Also schnell eine Folge von „Die Supernasen“ reinziehen und schon sind wir unverwundbar. Und wenn nicht, haben wir ja immer noch Essigwickel, um den Rest zu erledigen.
Revolution in der Medizin: Heilung durch Foren-Kommentare und Schwurbel-Posts
Die medizinische Forschung stand lange unter dem fälschlichen Eindruck, dass man für neue Heilmethoden klinische Studien und Labortests braucht. Wie überholt! Heute wissen wir, dass die effektivste Methode zur Diagnose und Behandlung nicht in teuren Laboren, sondern in den Kommentarspalten von Online-Artikeln stattfindet.
(Opens in a new window)Nehmen wir doch mal die aufstrebende Disziplin der „Facebook-Homöopathie“. Hier reicht es, wenn genug Leute denselben Unsinn oft genug teilen, und plötzlich wird aus pseudowissenschaftlichem Gelaber eine Therapie, die Wunder verspricht. „Hast du Kopfschmerzen? Trinke Apfelessig mit einer Prise Salz! Das hat bei meiner Nachbarin auch geholfen.“ Klar, weil Apfelessig bekanntlich die Gehirnchemie direkt im Hypothalamus neu einstellt, oder so. Braucht es noch Beweise? Nein, denn der Schwarm hat gesprochen.
Politische Entscheidungen 2.0: Wenn Twitter dein Regierungssitz ist
In der guten alten Zeit, als Politiker tatsächlich noch Entscheidungen auf der Basis von Forschung, Expertenmeinungen und intensiven Debatten trafen, war die Welt einfach… langweilig. Dann kam das Schwarmwissen ins Spiel und gab uns endlich das, worauf wir gewartet haben: Entscheidungen in Echtzeit, direkt aus den Tiefen der sozialen Netzwerke.
Warum langatmige Analysen über Klimawandel oder Wirtschaftsreformen machen, wenn man einfach die Top-Trends auf Twitter verfolgen kann? „#WirSindDasVolk“ hat bestimmt mehr Substanz als die gut durchdachte politische Strategie eines Politikers, der jahrelang ein Amt innehat. Wenn die Leute es fühlen, dann ist es wahr – das ist der Wahlspruch der modernen Demokratie. Demokratie 2.0, könnte man sagen: „Statt zu wählen, liken wir einfach.“
Erinnerst du dich an den Brexit? Was für ein Paradebeispiel für die kollektive Weisheit! Faktenchecker und Wirtschaftsexperten warnten vor den möglichen Folgen. Doch was wusste der Fachmann schon gegen die unerschütterliche Überzeugung von 52 %? Und diese 52 % hatten immerhin Memes, patriotische Hymnen und ein wütendes „Leave means leave!“ auf ihrer Seite. So funktioniert Schwarmintelligenz! Man opfert ein bisschen Vernunft, bekommt dafür aber die Befriedigung, dass die Mehrheit einig ist – zumindest bis sie merkt, was sie angerichtet hat.
Ernährungstipps vom Schwarm: Warum Pizza als Gemüse zählt
Ein weiteres brillantes Beispiel für das wunderbare Phänomen des Schwarmwissens findet sich in der Ernährung. Während sich Ernährungswissenschaftler mit Kalorien, Nährstoffen und komplizierten Stoffwechselprozessen herumschlagen, haben Schwärme längst erkannt: Es gibt nur eine Regel, die zählt. „Iss das, worauf du Lust hast, solange du jemanden findest, der dir zustimmt.“
Das Beste daran? Egal, wie absurd die Diät, die du dir ausgedacht hast, sein mag – im Schwarm wird jemand bestätigen, dass sie „auf jeden Fall funktioniert“. Vergiss die Ernährungsberater und die Lebensmittelpyramide – die echte Pyramide besteht aus Pizza (Gemüse), Schokolade (Obst) und Cola (flüssiges Brot). Wer könnte da widersprechen? Sicher nicht die 500 Leute in deiner „Wir Essen Nur Zucker“-Facebook-Gruppe. Und wenn Tante Uschi das auch so macht, dann muss es ja gesund sein.
Fazit: Schwarmintelligenz – Weil wir keine Experten mehr brauchen
Schwarmwissen ist die Zukunft. Wer braucht noch Wissenschaft, wenn man in einer Welt lebt, in der die kombinierte Unwissenheit von Millionen Menschen jede Form von Intelligenz übertrumpft? Wir sollten aufhören, uns auf Menschen zu verlassen, die wissen, wovon sie reden. Viel effektiver ist es doch, auf die Macht des Schwarms zu vertrauen – schließlich kann eine Gruppe von Laien niemals irren. Oder doch?
Wie dem auch sei, eines ist sicher: Solange der Schwarm existiert, sind wir nie allein – und das ist doch beruhigend. Besonders, wenn wir wieder einmal das Gefühl haben, dass alles den Bach runtergeht. Aber hey, so lange wir gemeinsam untergehen, fühlt es sich irgendwie besser an, oder?