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Gespensterbrief #3

Roter Mantel, Springerstiefel
Den Korb voll Nüsse für die Raben
Der Wald:
Eines Tages wirst du glücklich sein.

Lila Lippen, Mondtattoo
Unter ihrer Zunge, das Lied von letzter Nacht
Der Wolf in ihr weiß:
Das ist alles bloß gelogen.

Mein liebes Gespenst,

wir haben es getan. Weil uns etwas fehlte, haben wir es selbst gemacht. Wir haben unsere erste eigene Lesung organisiert und das Haus war voll. Voll wie unsere Herzen und Münder und Seelen beim Lesen.

Das Wortkollektiv hat am 11.11. in der Lüneburger DÜNE zu Wortkollektiven und Höhen eingeladen und gab dabei einen Einblick in manches, das im letzten halben Jahr geschrieben wurde. Dabei wurden wir von Guda & Guitar an der Handpan und Gitarre begleitet. Es war zauberhaft. Die Musiker*innen haben sich in Vorbereitung auf die Lesung Notizen zu den unseren Texten gemacht, die ich ihnen zuvor gab. Neben meinem Text stand Vogelmord.

Ich habe eine Kindheitserinnerung meiner verstorbenen Freundin Anne aufgeschrieben und am Abend mit dem Publikum geteilt. Anne verbrachte einen Teil ihrer Kindheit in einem Haus in der Straße, in der ich aufwuchs. Wir erlebten unsere Abenteuer zu der Zeit noch nebeneinander, nicht miteinander. Darum hat sie mir diese Geschichte vom grausigen Vogelmord, der sich in den 1990ern in unserer Straße ereignete, nur erzählt. Sie kramte diese Geschichte immer wieder hervor und erzählte sie jedes Mal auf die gleiche spannende und seelenvolle Art. Weil sie selbst die Story nicht mehr weitertragen kann, hoffe ich, ich habe es auch nur halbwegs so cool hinbekommen wie sie, denn dann war ich schon gut.
Wer sich für weitere Abenteuer von Anne und mir interessiert, bei Sukultur gibt es meine Erzählung in der Schöner Lesen-Reihe - Lange laut lachen (Opens in a new window) 💛

Eine Liebeserklärung

Wir Autor*innen im Wortkollektiv sind die, von denen manche Menschen sagen, wir wären ein bisschen off, Introvertierte halt und vielleicht auch schüchtern. Dabei stimmt das gar nicht. Diejenigen von uns, die schüchtern scheinen, saßen auf der Lesebühne und haben offen vom Vermissen erzählt. Und vom Anders-sein und vom Zurückgelassen-werden. Das wirkt vielleicht traurig, aber ich finde das stark. Manche im Publikum mussten weinen; ich nicht, weil alles allzu bekannt ist.
Es braucht in einer Welt voll glitzernder Dinge, Insta-Chic und Mindfulness-Grütze - die an der angebrachten Kritik am System minimalistisch in den Bauch atmend vorbeischrammt und stattdessen beim Individuum die Fehler sucht und darum in den Müll gehört - so unfassbar viel Kraft und Leidenschaft, um öffentlich das anzusprechen, was wirklich in einem vorgeht.
Wir sind die mit dem Knacks und wir haben die Geschichten.
Ich wollte immer schon einen Ort schaffen, an dem wir wir sein dürfen. An dem niemand einen dafür nur lange und schweigend ansieht, für das, was man erzählt. Ich liebe uns dafür, dass wir diesen Ort beleben.

Mixed Media Collage, Auftragsarbeit, 2020

Liebe ist eine Regung, ist ein Geräusch, ist ein Text, in dem man sich öffnet. Liebe ist ein Moment, in dem man sich traut, man selbst zu sein. Liebe ist verborgen und geheim.

.oO(wie ein Schatz)

Schätze werden vergraben und dann vergisst man, wo sie liegen. Sie werden von Drachen bewacht und wenn ihnen jemand zu nahe kommt, wird derjenige geröstet. Ich habe nie verstanden, wie das ein Kosename für jemanden sein kann, den man mag.

Glühwürmchen glühen nicht, um zu sehen, sondern um zu fühlen.
Es ist die Suche nach Liebe, die sie so antreibt.
Ich kann das verstehen, aber ich muss lachen.
Stell dir vor, wir täten es so.
Mit Taschenlampen die Leute brutal anleuchten.
Mitenrein in das verblüffte Gesicht.
Und die Leute so:
Was soll das?!
Ich so:
Liebe.

Haben Gespenster einen Begriff von Liebe?

Liebe muss wohl wie rosa Rauschen klingen, denke ich.
Es gibt weißes Rauschen, das ist hell und klar und gleichbleibend laut. Dann ist da noch das rosa Rauschen. Es ist dunkler, es schwillt an und erinnert an Meer.

Es ist Zeit. Zeit, wieder ans Meer zu fahren. Den Blick an den Horizont gehaftet und immer der blassen Nase nach. So lange, bis das kühle Wasser die schmalen Schultern umspült und die Meermenschen kommen. Sie sprechen eine Einladung aus, die man nicht ablehnen kann. Sie erzählen vom Himmel und dem Meer. Und vom Stück, das sie einmal von den Wolken abgebrochen haben. Dazu gaben sie die Farben des Zitronenfalters; vermengten alles mit Löwenzahn und Möwenatem. So entsteht die Erinnerung an den Sommer, wenn wir suchen und die Nächte kalt und eisig sind.

Wir sehen uns und verlieren uns nicht, versprochen. Hier (Opens in a new window), auf Mastodon (Opens in a new window), Twitter (Opens in a new window), Insta (Opens in a new window), tumblr (Opens in a new window), in meiner Zentrale (Opens in a new window) und unterwegs.

Eure Jess (0,13 Meter über dem Meer)

Die Musik zu diesem Gespensterbrief stammt von Rafael Krux.
The following music was used for this media project:
Music: Marimba Thriller by Rafael Krux
Free download: https://filmmusic.io/song/5335-marimba-thriller
License (CC BY 4.0): https://filmmusic.io/standard-license
Artist website: https://www.orchestralis.net/

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