Wie Lichtverschmutzung der Natur und uns schadet
So richtig dunkel wird es nachts schon lange nicht mehr: Straßenlaternen, Gartenlampen und Werbetafeln lassen die Nacht verschwinden. Was das für Tiere, Pflanzen, Ökosysteme und unseren Schlaf bedeutet und wie wir Lichtsmog bekämpfen können, erfährst du in diesem Artikel!

Wenn du in einer Stadt wohnst, kennst du das sicher: Die Nacht ist nicht mehr dunkel. Über Siedlungen stehen regelrechte Lichtglocken, auch abgelegene Landschaften bleiben kaum noch unbehelligt (ha ha … ha …). Satellitendaten zeigen: Die globale Nachthelligkeit nimmt jährlich um zwei bis sechs Prozent zu. Selbst Schutzgebiete sind betroffen – trotz Pufferzonen reicht das Streulicht unserer städtischen Beleuchtung kilometerweit.
Für viele Tierarten ist Dunkelheit keine romantische Vorstellung, sondern eine echte Überlebensvoraussetzung. Nachtaktive Insekten verlieren durch künstliches Licht ihre Orientierung, umkreisen Lampen bis zur Erschöpfung oder verglühen in heißen Leuchtmitteln. Das ist tragisch für die Tiere und für unser ganzes Ökosystem: Die Bestäubungsleistung sinkt, die Zahl der Insekten geht zurück. Auch Zugvögel reagieren sensibel: Lichtquellen lenken sie ab, sie weichen von ihren Routen ab oder kollidieren mit beleuchteten Bauwerken. Pflanzen treiben unter Straßenlaternen früher aus, was Folgen für Blühzeitpunkte, Bestäuberbeziehungen und Frostresistenz hat. In meiner alten Straße in Hamburg gab es eine Kirsche unter einer Straßenlaterne, die oft schon im Dezember oder Januar blühte, wenn der Winter mild war. Natürlich sind alle potenziellen Früchte erfroren, und der Baum hat immer ums Überleben gekämpft.
Wir verdrängen die natürliche Dunkelheit und damit einen ökologischen Taktgeber. Mehr als ein Drittel der Menschheit hat die Milchstraße noch nie gesehen! Was bedeutet das für ein Leben, das sich über Millionen von Jahren im Wechsel von Hell und Dunkel entwickelt hat? Schauen wir es uns an!

Lichtverschmutzung: Zahlen & Fakten
Schauen wir uns mal ein paar schnelle Zahlen und Fakten zum Thema an:
80 % der Weltbevölkerung leben unter einem dauerhaft aufgehellten Nachthimmel. In Europa und Nordamerika sind es sogar 99 %. Das bedeutet: Nur ein Bruchteil der Menschen hat jemals echte Dunkelheit erlebt. Find ich krass.
Zwischen 2012 und 2016 stieg die global beleuchtete Fläche jährlich um 2,2 %, die Helligkeit bestehender Lichtflächen nahm jährlich um 1,8–2,2 % zu.
Über 1 Milliarde Insekten sterben pro Nacht an deutschen Straßenlaternen. Das betrifft wirklich nur die Straßenbeleuchtung, Gartenlampen, Schaufenster, Insektentötungslampen & Co. sind nicht mitgerechnet.
In beleuchteten Gebieten wurde 62 % weniger Bestäubung durch Insekten gemessen.
1.500 Gene wurden bei Zuckmückenlarven durch 100 Lux Nachtlicht verändert – inklusive Stress- und Fortpflanzungsgenen. Das finde ich auch nochmal echt extrem, wusste das vor dieser Recherche hier nicht. Ich habe auch ein Paper gefunden, in dem beschrieben wurde, wie sich die Genexpression bei Stechmücken ändert. Das trifft dann bestimmt auch auf andere Insekten zu.
Nur noch wenige Dutzend Sterne sind in Städten sichtbar – früher waren es bis zu 6.500. Die Milchstraße ist für die meisten Stadtmenschen unsichtbar geworden.
3,1 % der Weltmeere in Küstennähe sind bis in 1 m Tiefe dauerhaft künstlich beleuchtet. Auch Fische, Korallen und Planktonorganismen sind also von Lichtverschmutzung betroffen.
Mehrere Millionen Zugvögel kollidieren jedes Jahr mit beleuchteten Hochhäusern und Türmen. Besonders gefährlich sind Küsten, Flusstäler und urbane Korridore entlang der Zugrouten.
30 % Energieeinsparung sind durch gezielte Lichtvermeidung möglich – z. B. durch Dimmen, durch Abschirmen und eben das Reduzieren von Beleuchtung. Das hilft durch die eingesparte Energie also auch dem Klima!
Einige Länder haben inzwischen Lichtschutzgesetze erlassen. Das erste dieser Gesetze war 1998 das spanische Ley del Cielo. Zu Deutschland zitiere ich hier mal Wikipedia (Opens in a new window) (danke für nichts an dieser Stelle an die damalige Bundesregierung):
“In den Deutschen Bundestag wurde 2007 eine von 7828 Mitzeichnern unterstützte öffentliche Petition zur Lichtverschmutzung eingebracht. Eine Mehrheit, bestehend aus Politikern der CDU/CSU, der SPD und der Linken stimmte dagegen, den gesetzlichen Rahmen zur Vermeidung von Lichtverschmutzung anzupassen.”
Dark Sky Parks sind offiziell anerkannte Lichtschutzgebiete. In Deutschland gibt es immerhin inzwischen mehrere, etwa in der Rhön, im Eifel-Nationalpark oder im Westhavelland.
In Berlin hat sich die Helligkeit wolkenloser Nächte seit der Industrialisierung verzehnfacht, bei bewölkten Nächten sogar vertausendfacht. Wolken verstärken Lichtverschmutzung nämlich massiv, weil das Licht stärker gestreut wird.
Sturmtaucher-Küken auf Inseln sterben bei Erstflügen, weil sie sich vom Licht irreleiten lassen und abstürzen. Das trifft Inselökosysteme besonders hart, weil sie sowieso schon sehr vulnerabel sind und da echt jede Art zählt.
Earth Night: Seit 2020 gibt es eine internationale Aktionsnacht zur Lichtreduktion. Ziel ist es, einmal im Jahr echte Dunkelheit zurückzubringen. Ist zwar eher Symbolik, bringt das Thema aber immer wieder in die Öffentlichkeit.
Lichtsmog beeinflusst und schadet Tieren
Ein starker Anstieg künstlicher Beleuchtung bei Nacht verändert nicht nur das Erscheinungsbild unserer Städte und Landschaften, er greift tief in das Verhalten und die Lebensweise zahlreicher Tierarten ein. Dabei ist es nicht nur die Beleuchtung an sich, sondern die Intensität, Spektralzusammensetzung und räumliche Ausbreitung des Lichts, die entscheidend sind. Besonders betroffen sind nachtaktive Tiere, deren Orientierung, Aktivität und ökologische Funktionen direkt an Dunkelheit gebunden sind.
Insekten
Die prominentesten Opfer nächtlicher Beleuchtung sind Insekten. Besonders nachtaktive Arten wie Nachtfalter reagieren mit starker Anziehung auf viele Lichtquellen – ein Effekt, der als „Staubsaugereffekt“ bezeichnet wird. Sie umkreisen die Leuchten immer und immer und immer wieder, verlieren dabei natürlich Energie, können nicht mehr zur Nahrungs- oder Partnersuche aufbrechen und sterben häufig aus Erschöpfung. Oder aber sie verbrennen an heißen Leuchtmitteln, die Variante gibt es auch noch.

Im 2019er Leitfaden zur Neugestaltung und Umrüstung von Außenbeleuchtungsanlagen vom BfN wird dargelegt, wie stark künstliches Licht Insektenbestände beeinflusst. Neben direkter Sterblichkeit zeigen sich auch indirekte Effekte: Die nächtliche Bestäubungsleistung durch Falter und andere Insekten geht in beleuchteten Gebieten enorm zurück. Das betrifft nicht nur die Insekten selbst, sondern auch Pflanzenarten, die auf diese nächtlichen Bestäuber angewiesen sind und sich durch das Ausbleiben nicht mehr vermehren können.
Über 1 Milliarde Insekten sterben pro Nacht allein an deutschen Straßenlaternen.
Eine zentrale Rolle spielt bei der ganzen Sache das Lichtspektrum. Besonders Leuchtmittel mit hohem UV- oder Blauanteil, wie sie typischerweise in weißen LEDs vorkommen, ziehen nachtaktive Insekten überproportional stark an. Der BUND weist in seinem Praxispapier zur insektenschonenden Beleuchtung (Opens in a new window) darauf hin, dass bereits geringe Änderungen in der Lichtfarbe und -richtung helfen können, die Anziehungskraft auf Insekten zu reduzieren.

Vögel
Auch Vögel gehören zu den durch Lichtverschmutzung besonders betroffenen Tiergruppen. Bei Zugvögeln wirkt sich künstliches Licht während der Migration besonders gravierend aus. Viele Arten orientieren sich nachts anhand natürlicher Lichtquellen wie Mond und Sternenhimmel. Künstliche Lichtquellen, insbesondere stark beleuchtete Gebäude, Türme oder Brücken, wirken dann natürlich quasi als “Desorientierungspunkte”. Die Vögel umkreisen diese Strukturen, verlieren Zeit und Energie oder kollidieren direkt mit den Bauwerken.
Die Lichtverschmutzung ist ausgerechnet während auf den Vogelzugrouten höher als in den Brut- oder Überwinterungsgebieten.
Ein Team der Universität Delaware hat 2018 eine Studie im Fachjournal Scientific Reports veröffentlicht, in der die Lichtbelastung innerhalb der Zugkorridore von 298 nachtziehenden Vogelarten weltweit analysiert wurde. Die Forschenden zeigen darin, dass die Lichtverschmutzung ausgerechnet während der Migration auf den Zugrouten höher ist als in den Brut- oder Überwinterungsgebieten. Besonders betroffen sind Arten mit kurzen Zugstrecken, die sich oft innerhalb stark beleuchteter Regionen bewegen. In der Studie wird zudem deutlich, dass Regionen mit hoher Lichtintensität, wie eben die Ostküste Nordamerikas oder Ostasien, eine besonders hohe Artenvielfalt an Zugvögeln aufweisen und somit auch ein hohes Risiko für lichtbedingte Störungen darstellen. Was für ein beschissener Zufall, oder? Die Kombination aus Artenreichtum und intensiver Beleuchtung führt zu einer Häufung kritischer Situationen entlang der Zugrouten und ‘ner Menge Tode unter den Vögeln.

Aber nicht nur während der Migration wirkt sich das Licht negativ aus. Untersuchungen in europäischen Städten zeigen, dass Singvögel in stark beleuchteten Bereichen deutlich früher mit dem morgendlichen Gesang beginnen. Auch das Brutverhalten verändert sich: Weibliche Meisen etwa beginnen durch Dauerbeleuchtung früher mit der Eiablage, was dazu führen kann, dass der Zeitpunkt des höchsten Nahrungsbedarfs der Jungvögel nicht mehr mit dem Insektenangebot zusammenfällt. Wenn Frau Meise nämlich schon Ende Februar eine Brut zu versorgen hat, ist das Insektenbuffet leider noch nicht eröffnet.
Mehrere Millionen Zugvögel kollidieren jedes Jahr mit beleuchteten Hochhäusern und Türmen.
Weitere Tiere
Neben Insekten und Vögeln sind auch viele andere Tiergruppen von den negativen Auswirkungen der künstlichen Beleuchtung betroffen. Amphibien wie Frösche und Kröten nutzen Licht und Dunkelheit zur Orientierung, für Revierverhalten oder zur Laichplatzwahl. Künstliches Licht kann dabei stören und zu veränderten Wanderungen oder Ausbleiben der Fortpflanzung führen.

Fledermäuse reagieren je nach Art unterschiedlich: Einige Arten meiden hell erleuchtete Flächen konsequent, andere werden durch Lichtquellen angelockt, wenn sie dort leichter Beute finden – meist zulasten lichtempfindlicher Beutetiere, die dadurch rasch dezimiert werden und deren lokale Populationen dadurch sogar zusammenbrechen können. Die Beleuchtung verändert also nicht nur das Verhalten einzelner Arten, sondern auch das Gleichgewicht ganzer Artengemeinschaften.

Wusstest du, dass auch Fische deutliche Reaktionen auf Lichtverschmutzung zeigen? In der Veröffentlichung des BfN wird beschrieben, wie beleuchtete Brücken oder Uferbereiche zu Barrieren für wandernde Fischarten wie Aale werden können. Besonders problematisch ist dies in ohnehin fragmentierten Gewässersystemen, in denen ohnehin nur begrenzte Durchgängigkeit besteht.
Die Auswirkungen der Lichtverschmutzung auf Pflanzen
Künstliches Licht bei Nacht wirkt nicht nur direkt auf Tiere, sondern greift auch in pflanzliche Prozesse und ökologische Wechselwirkungen ein, wie bei der Kirsche in meiner ehemaligen Nachbarschaft. Pflanzen orientieren sich an natürlichen Hell-Dunkel-Zyklen, um ihren Jahresrhythmus zu steuern, etwa für das Austreiben, Blühen oder den Blattabwurf. Wird dieser Rhythmus durch künstliches Licht verzerrt, entstehen Verschiebungen, die ungute Folgen für ganze Ökosysteme haben können.
In der BfN-Publikation wird eben auch dokumentiert, dass Straßenbäume unter dauerhaftem Kunstlicht oft deutlich später ihr Laub abwerfen als unbeleuchtete Bäume derselben Art. Auch das Austreiben im Frühjahr erfolgt häufig früher. Diese Verschiebungen machen Pflanzen anfälliger für Frostschäden, weil Blätter oder junge Triebe in Phasen zurückkehrender Kälte ungeschützt bleiben. Licht beeinflusst zudem, wann Pflanzen blühen, und damit, ob sie zu dem Zeitpunkt von geeigneten Bestäubern erreicht werden können. Wenn es noch zu früh im Jahr ist, Insekten durch Beleuchtung fernbleiben oder andere Aktivitätsmuster zeigen, geraten eigentlich eingespielte Interaktionen ordentlich aus dem Takt. In einer Übersichtsarbeit des internationalen Forschungskonsortiums, die 2024 im Fachjournal Nature Reviews Earth & Environment veröffentlicht wurde, zeigt sich: Künstliches Licht bringt Pflanzen und ihre Bestäuber aus dem Takt – sowohl was den Zeitpunkt als auch den Ort ihrer Begegnung betrifft. Das kann zu richtig heftigen Fortpflanzungseinbußen bei unseren Pflanzenfreunden führen.

Diese Veränderungen wirken sich jetzt nicht nur auf einzelne Individuen aus. Wenn etwa bestimmte Nachtfalter ausbleiben, weil sie von LED-Lichtquellen abgeschreckt werden, profitieren in der Folge andere Pflanzenarten, deren Bestäuber weniger lichtempfindlich sind. Bedeutet: Während Pflanze A strugglet, weil keiner sie bestäubt, kann Pflanze B sich ungehindert den vorhandenen Platz unter den Nagel reißen. Gleichzeitig geraten Räuber-Beute-Beziehungen aus dem Gleichgewicht. In der Studie aus 2024 wird beschrieben, wie künstliches Licht die Aktivitätsmuster nachtaktiver Räuber verändert – etwa bei Fledermäusen oder Spinnen – und dadurch den Druck auf bestimmte Insektenarten erhöht, wie eben schon erwähnt, während andere jedoch gleichzeitig entlastet werden. Solche Prozesse können zu einer Verschiebung von Artenzusammensetzungen führen, die über längere Zeiträume die Struktur ganzer Lebensgemeinschaften verändert.
Künstliche Beleuchtung verändert die zeitliche und räumliche Struktur von Pflanzen-Insekten-Netzwerken, und das teilweise so heftig, dass einzelne Pflanzenarten langfristig in ihrem Fortpflanzungserfolg stark eingeschränkt sind.
Lichtverschmutzung und Mensch
Künstliches Licht bei Nacht wirkt sich nicht nur auf Tiere und Pflanzen aus, sondern hat auch konkrete gesundheitliche, gesellschaftliche und kulturelle Folgen für uns Menschen. Die biologischen Rhythmen unseres Körpers sind eng mit dem Hell-Dunkel-Zyklus verbunden. Werden diese gestört, gerät eine Vielzahl physiologischer Prozesse aus dem Gleichgewicht.

Ein Team der Universität Helsinki und der Universität Modena hat 2024 eine Studie im Journal BMC Environmental Science veröffentlicht, die die gesundheitlichen Folgen nächtlicher Beleuchtung zusammenfasst. Das Team zeigt, dass künstliches Licht in der Nacht mit einem erhöhten Risiko für Brust-, Prostata-, Schilddrüsen- und Darmkrebs in Verbindung steht. Auch psychische Erkrankungen wie Depressionen, Schlafstörungen und kognitive Einbußen treten in beleuchteten Umgebungen signifikant häufiger auf. Ich merke das auch bei mir selber: Während mein Mann bei allen Lichtverhältnissen schlafen kann, brauche ich absolute Dunkelheit, sonst kann ich weder gut einschlafen, noch ist der Schlaf dann erholsam.
Bereits 2009 hatte das Fachmagazin Environmental Health Perspectives die Rolle des Hormons Melatonin in den Fokus gerückt. Die Produktion dieses Hormons, das den Schlaf-Wach-Rhythmus reguliert, wird durch Licht unterdrückt. Die Studienlage deutet darauf hin, dass eine reduzierte Melatoninproduktion das Risiko für die oben erwähnten, hormonabhängigen Krebserkrankungen erhöhen kann. In Laboruntersuchungen wuchsen Tumoren schneller, wenn sie mit Blut von Menschen versorgt wurden, die nachts künstlichem Licht ausgesetzt waren. Krass, oder? Melatoninspitzen hingegen hemmten das Tumorwachstum.
.jpg?auto=compress&w=800&fit=max&dpr=2&fm=webp)
Das ist ein Problem, das uns alle betrifft. Früher hat das eher nur Schichtarbeitende betroffen, doch jetzt hat sich das Problem in der ganzen Gesellschaft ausgebreitet. Personen, die in hell beleuchteten Wohngebieten leben, weisen ein erhöhtes Risiko für kardiometabolische Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes oder Bluthochdruck auf. Besonders problematisch ist dabei der Blauanteil in modernen LEDs, der stärker auf unseren Tag-Nacht.Rhythmus wirkt als ältere, wärmere Leuchtmittel wie die Glühbirne.
Neben diesen ganzen physiologischen Folgen gibt es natürlich auch kulturelle Verluste, die ich echt schade finde. Ein Drittel der Weltbevölkerung kann die Milchstraße mit bloßem Auge nicht mehr sehen – ich kenne viele Leute, die sie tatsächlich noch nie mit bloßem Auge gesehen haben. In weiten Teilen Europas sind selbst an klaren Nächten kaum noch Sterne sichtbar – Diese Lichtglocken über Städten überstrahlen den Nachthimmel eben dauerhaft. Was früher ein selbstverständlicher Teil menschlicher Erfahrung war, ist heute auf einen Besuch im Planetarium beschränkt, oder man besucht weit abgelegene Regionen oder lebt da vielleicht sogar.

Dann gibt es ja noch den Sicherheitsaspekt. Studien, die auch in der BfN-Publikation erwähnt werden, zeigen: Der Zusammenhang zwischen Lichtintensität und objektiver Sicherheit ist richtig komplex. In vielen Fällen gibt es keine eindeutigen Hinweise darauf, dass hellere Beleuchtung zu weniger Kriminalität oder mehr Verkehrssicherheit führt. Übermäßige Beleuchtung kann sogar blenden und Unsicherheiten im Straßenraum erhöhen. ALLERDINGS gibt es ja auch den Aspekt des subjektiven Sicherheitsgefühls. Nichts in der Welt würde mich als Frau dazu bringen, durch unbeleuchtete Straßen zu laufen. Ist das sicherer? Vermutlich nicht wirklich, denn auch in einer abgelegenen beleuchteten Straße kann ich überfallen werden. Aber in einer unbeleuchteten Stadt trauen sich dann eben immer weniger Frauen raus, sodass wir vom öffentlichen Leben in den Abendstunden noch stärker abgeschnitten werden, als wir es ohnehin schon hier und da sind (mein Mann geht im Winter abends im Dunkeln einfach joggen, I would NEVER!).
Lösungsstrategien gegen Lichtsmog
Lichtverschmutzung ist ein fieses, aber kein unlösbares Problem. Anders als bei vielen anderen Formen der Umweltbelastung lassen sich ihre Ursachen technisch tatsächlich einfach eingrenzen. Es braucht keine Jahrzehnte, um Auswirkungen abzuschwächen, wie es beim Klimawandel der Fall ist: Gezielte Eingriffe zeigen hier wirklich unmittelbar Wirkung. Die Herausforderung liegt also nicht in der Umsetzbarkeit, sondern im Bewusstsein, in der politischen Prioritätensetzung und im alltäglichen Handeln.
Die technisch machbaren low-hanging fruits
Ein effektiver Hebel liegt in der Wahl der Lichtquelle. Besonders problematisch sind, wie oben erwähnt, Leuchtmittel mit hohem Blau- oder UV-Anteil, wie sie in vielen weißen LEDs verbaut sind. In der BfN-Publikation wurden konkrete Anforderungen an eine umweltverträgliche Außenbeleuchtung formuliert: Lichtquellen sollten warmweiß sein (unter 3000 K), keine Strahlung in den UV-Bereich abgeben und möglichst vollständig abgeschirmt sein, um Streulicht in den Nachthimmel zu verhindern. Soll heißen: Wenn du nicht ohne Gartenbeleuchtung leben kannst, dann nutze wenigstens möglichst warme, idealerweise orangefarbene oder rote Beleuchtung, die nicht nach oben hin wegstrahlt, sondern eher nach unten hin.
Anders als bei vielen anderen Formen der Umweltbelastung lassen sich die Ursachen von Lichverschmutzung technisch tatsächlich einfach beseitigen.
Auch die Lichtstärke spielt eine Rolle. Viele Installationen sind deutlich heller, als es funktional notwendig wäre. Gerade im öffentlichen Raum können Bewegungsmelder, Dimmfunktionen oder Zeitschaltungen helfen, Licht auf das unbedingt notwendige Maß zu begrenzen. Eine dauerhaft eingeschaltete Wegbeleuchtung in leerstehenden Bürogebäuden oder Parkanlagen ab Mitternacht ist nicht nur energetisch bescheuert und irgendwie sinnlos, sondern in ökologischer Hinsicht eben auch total falsch.

Wie stark selbst kurzzeitige Veranstaltungen die Lichtverhältnisse verändern können, zeigt ein Beispiel aus Berlin: Ein Team des Leibniz-Instituts hat 2024 eine Studie im Journal Scientific Reports veröffentlicht, in der sie die nächtliche Himmelsaufhellung während des Lollapalooza-Festivals in Berlin gemessen haben. Während der Veranstaltung verachtfachte sich die Zenith-Helligkeit im angrenzenden Park gegenüber einer vergleichbaren Nacht ohne Festivalbeleuchtung. Der Effekt war lokal begrenzt, aber eben auch messbar, visuell wahrnehmbar und ökologisch bedeutsam, da es die Tiere dort definitiv gestört hat.
Politisch-planerische Rahmenbedingungen
Maßnahmen gegen Lichtverschmutzung dürfen nicht allein auf freiwillige Einsicht setzen, wie eigentlich immer bei allen Themen, die die Umwelt betreffen und bei denen wir Menschen uns etwas zügeln müssen. Kommunale Planung, Baurecht und Umweltgesetzgebung bieten jedoch bereits heute Werkzeuge, um schädliche Beleuchtung zu regulieren. Nach § 44 des Bundesnaturschutzgesetzes gilt für besonders geschützte Arten ein Störungsverbot, und auch Licht kann eben eine erhebliche Störung darstellen, wenn etwa Amphibien ihre Laichplätze meiden oder Vögel aus Brutgebieten verdrängt werden. Auch in Schutzgebieten kann künstliches Licht eine „erhebliche Beeinträchtigung“ im Sinne des § 34 BNatSchG darstellen. Hier sind Behörden verpflichtet, negative Auswirkungen frühzeitig zu prüfen und durch geeignete Maßnahmen zu vermeiden. Dennoch fehlt es häufig an klaren Richtwerten für Lichtintensität und Lichtfarbe im Außenraum, außerdem fehlt da auch der politische Wille, Druck auszuüben und geltendes Recht durchzusetzen. In der Praxis orientieren sich viele Kommunen zudem an Industrienormen, die ursprünglich für Arbeitssicherheit oder Straßenverkehr ausgelegt wurden – nicht für den Schutz ökologischer Systeme. Das führt dazu, dass Mindestanforderungen oft weit überschritten werden. Es liegt daher in der Verantwortung kommunaler Planungsstellen, technische Normen mit ökologischen Anforderungen abzugleichen. Instrumente wie Lichtmasterpläne, Umweltverträglichkeitsprüfungen oder Bebauungspläne mit klaren Lichtvorgaben bieten die Möglichkeit, Lichtverschmutzung gezielt zu reduzieren – nicht nachträglich, sondern vorsorglich.

Was kann ich selbst gegen Lichtverschmutzung tun?
Aber klar, auch im privaten Bereich lassen sich Beiträge leisten. Außenbeleuchtung am Haus, an Wegen oder in Gärten sollte sparsam und gezielt eingesetzt werden – und ehrlich gesagt idealerweise gar nicht. Leuchten mit gerichteter Abstrahlung, warmem Lichtspektrum und geringer Helligkeit genügen in der Regel jedoch, um einen krassen Unterschied zu machen. Bewegungsmelder sollten so eingestellt sein, dass sie nur bei echtem Bedarf auslösen, also nicht bei jedem vorbeifliegenden Blatt. Solarleuchten mit Dauerbetrieb, wie sie oft in Gärten verwendet werden, wirken zwar energiesparend und fühlen sich deshalb ökologisch oft richtig an, sind aber insektenökologisch ‘ne miese Nummer. In einer Empfehlung des BUND wird daher ausdrücklich dazu geraten, solche Leuchten entweder ganz zu vermeiden oder nur mit Zeitschaltfunktion zu betreiben. Ach ja, und: Es hilft auch, abends die Vorhänge oder Rollläden zu schließen, wenn man im beleuchteten Zimmer sitzt. Denn auch das strahlt natürlich und zieht Insekten an.
Wenn du nicht ohne Gartenbeleuchtung leben kannst, dann nutze wenigstens möglichst warme, idealerweise orangefarbene oder rote Beleuchtung, die nicht nach oben hin wegstrahlt, sondern eher nach unten hin.

Zusätzlich solltest du deine vorhandenen Lichtquellen immer mal wieder hinterfragen: Wird die Beleuchtung hier tatsächlich benötigt? Ist es zu hell? Wird diese Ecke in der Nacht überhaupt betreten? Oft genügt es, nur eine Leuchte auszutauschen oder eine Zeitschaltung zu ergänzen, um die Lichtbilanz deutlich zu verbessern.
Wir sehen also: Lichtverschmutzung ist technisch leicht beherrschbar – es fehlt halt einfach der Wille dazu. Die entsprechenden Werkzeuge sind vorhanden: planerische, rechtliche und individuelle. Entscheidend ist, dass Licht wieder als Ressource verstanden wird, die eingeteilt werden muss. Dunkelheit ist keine Bedrohung, sondern ein natürlicher Rhythmus, der das Leben vieler Arten – einschließlich des Menschen! – seit Millionen von Jahren prägt. Das sollten wir uns nicht wegnehmen lassen.
Bis zum nächsten Mal!
Jasmin
https://steadyhq.com/de/jasminschreiber/posts/7a7fc5e8-d86a-48d4-8f53-8cfdffbbf6af (Opens in a new window)Medientipps
Die Webseite von ARDalpha über Lichtverschmutzung. Dort gibt es auch Videos» (Opens in a new window)
Erklärvideo für Kinder: Was ist Lichtverschmutzung» (Opens in a new window)
Eine Doku über die “verlorene Dunkelheit” und die Auswirkungen auf Mensch und Tier» (Opens in a new window)
Eine interaktive Karte, die die Lichtverschmutzung auf der Welt anzeigt» (Opens in a new window)
❤️ Ich würde mich freuen, wenn du meine Arbeit mit einer Mitgliedschaft unterstützt. Auch ich muss Miete, Krankenkasse und, äh, Essen zahlen, und als Selbstständige gibt es ja keine Gehaltserhöhung trotz steigender Lebenshaltungskosten, weil es, naja … kein Gehalt gibt. Deshalb freue ich mich über jede Person, die das Naturarium mit einer Mitgliedschaft am Leben und vor allem auch unabhängig hält – und natürlich gibt’s als Gegenleistung auch schöne Goodies für dich:
🌿 Gärtnern für die Artenvielfalt? Abonniere meine kostenfreie Gartenkolumne, in der wir auf Balkonen, im Garten und auf der Fensterbank naturnah gärtnern» (Opens in a new window)
🎙️ Höre meinen Biologie-Podcast beim Podcastanbieter deiner Wahl (Opens in a new window)»
Ich würde mich auch freuen, wenn du mir auf Social Media folgst:
👩🏻🌾 Garten-Updates: Mein Garten-Account auf Instagram (Opens in a new window)»
📗 Mein normaler Instagram-Account als Autorin» (Opens in a new window)
🌤️ Mein Account auf Bluesky (Opens in a new window)»
🦣 Mein Account auf Mastodon (Opens in a new window)»
Du magst keine Abos, möchtest aber dennoch zeigen, dass dir guter Content etwas wert ist? Dann schick mir für den Artikel über Ko-Fi ein Trinkgeld. Danke! <3 (Opens in a new window)
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Schleswig-Holstein e. V. Nachtinsekten wirksam helfen: Insektenschonende Beleuchtung. Kiel: BUND Schleswig-Holstein, 2020.
BUND – Bund für Naturschutz und Umwelt in Deutschland. „Insektenfreundliche Beleuchtung.“ Zugegriffen am 3. Juni 2025. https://www.bund-sh.de/stadtnatur/insektenvertraeglichere-beleuchtung/ (Opens in a new window).
Cabrera-Cruz, Sergio A., Jaclyn A. Smolinsky und Jeffrey J. Buler. „Light Pollution Is Greatest within Migration Passage Areas for Nocturnally-Migrating Birds around the World.“ Scientific Reports 8, Nr. 1 (19. Februar 2018): 3261. https://doi.org/10.1038/s41598-018-21577-6 (Opens in a new window).
Candolin, Ulrika, und Tommaso Filippini. „Light Pollution and Its Impact on Human Health and Wildlife.“ BMC Environmental Science 2, Nr. 1 (17. Januar 2025): 1. https://doi.org/10.1186/s44329-025-00017-7 (Opens in a new window).
Chepesiuk, Ron. „Missing the Dark: Health Effects of Light Pollution.“ Environmental Health Perspectives 117, Nr. 1 (Januar 2009): A20–27. https://doi.org/10.1289/ehp.117-a20 (Opens in a new window).
Falchi, Fabio, Pierantonio Cinzano, Dan Duriscoe, Christopher C. M. Kyba, Christopher D. Elvidge, Kimberly Baugh, Boris A. Portnov, Nataliya A. Rybnikova und Riccardo Furgoni. „The New World Atlas of Artificial Night Sky Brightness.“ Science Advances 2, Nr. 6 (10. Juni 2016): e1600377. https://doi.org/10.1126/sciadv.1600377 (Opens in a new window).
Fyie, Lydia R., Katie M. Westby und Megan E. Meuti. „Light Pollution Disrupts Circadian Clock Gene Expression in Two Mosquito Vectors during Their Overwintering Dormancy.“ Scientific Reports 14, Nr. 1 (29. Januar 2024): 2398. https://doi.org/10.1038/s41598-024-52794-x (Opens in a new window).
Jechow, Andreas. „Let There Be Skyglow—Light Pollution from a Large Outdoor Music Festival (Lollapalooza Berlin 2016).“ Scientific Reports 14, Nr. 1 (22. Mai 2024): 11725. https://doi.org/10.1038/s41598-024-62448-7 (Opens in a new window).
Linares Arroyo, Hector, Angela Abascal, Tobias Degen, Martin Aubé, Brian R. Espey, Geza Gyuk, Franz Hölker u. a. „Monitoring, Trends and Impacts of Light Pollution.“ Nature Reviews Earth & Environment 5, Nr. 6 (Juni 2024): 417–30. https://doi.org/10.1038/s43017-024-00555-9 (Opens in a new window).
Schroer, Sibylle, Benedikt Huggins, Marita Böttcher und Franz Hölker. Leitfaden zur Neugestaltung und Umrüstung von Außenbeleuchtungsanlagen: Anforderungen an eine nachhaltige Außenbeleuchtung. Bonn: Bundesamt für Naturschutz (BfN), 2019. https://doi.org/10.19217/skr543 (Opens in a new window).
„Light Pollution Map.“ Zugegriffen am 3. Juni 2025. https://www.lightpollutionmap.info (Opens in a new window).
Wikipedia. „Lichtverschmutzung.“ Zugegriffen am 2. Juni 2025. https://de.wikipedia.org/wiki/Lichtverschmutzung (Opens in a new window).