Die Geschichte unserer Wälder
Stell dir vor, du stehst in einem tiefen Winterwald. Die mächtigen Tannen und Fichten tragen dicke Schneemäntel, ihre Äste biegen sich unter der kalten Last, feiner Pulverschnee rieselt bei der kleinsten Bewegung leise zu Boden. Die Welt scheint in völlige Stille getaucht, doch immer wieder hört man ein leises Knacken, Rascheln und Tippeln – irgendwo bricht ein Zweig unter dem Frost, oder ein Tier bewegt sich in einiger Distanz durch den Schnee. Du weißt, dass das Wild gemächlich durch den Wald zieht, sparsam in seinen Bewegungen, um kostbare Energie zu sparen. Alles wirkt ruhig, fast erstarrt, und doch täuscht dieser Eindruck. Unter der dicken Schneedecke schlummert das Leben: Pflanzen warten auf die Rückkehr der Sonne, Samen warten auf den Kältereiz, ohne den sie im Frühjahr nicht keimen können. Wurzeln suchen weiter nach Wasser und kleine, kaum sichtbare Tiere verfolgen ihre eigenen Überlebensstrategien. Doch wie begann das alles – das System Wald? Wo kommt das her, wie hat es sich entwickelt?
Im heutigen Artikel streifen wir durch Steinkohlewälder, treffen Dinos und gucken uns an, welche evolutionäre Strecke der Wald zurücklegen musste, um das zu werden, was er heute ist. Und weil ja jetzt Weihnachtszeit ist, kriegen den Artikel alle, obwohl jetzt eigentlich die Mitglieder dran wären. Also: Los geht’s, und Achtung: Das wird ein Longread!
Ein wütender, unwirtlicher Planet
Als die Erde vor rund 4,54 Milliarden Jahren entstand, war sie ein heißer, unwirtlicher Ort, stand unter Dauerbeschuss von Meteoriten und war geprägt von intensiver vulkanischer Aktivität. Während des sogenannten Archaikums, das vor rund 4 Milliarden begann und bis vor etwa 2,5 Milliarden Jahren andauerte, kühlte sich die Erdoberfläche allmählich ab. Wasserdampf, der anfangs die glühende Atmosphäre erfüllte, kondensierte zu flüssigem Wasser. Es bildeten sich Ozeane – gewaltige Wassermassen, in denen sich die Temperaturen deutlich stabiler hielten als an Land. Diese konstanten Bedingungen schufen eine Umgebung, in der sich das erste Leben entwickeln konnte.
Die ältesten Spuren von Leben stammen aus Gesteinen, die etwa 3,5 bis 3,8 Milliarden Jahre alt sind. Wahrscheinlich handelte es sich um einfache prokaryotische Zellen, die Vorfahren der heutigen Bakterien. Diese Mikroorganismen legten den Grundstein für eine Innovation, die die Erde für immer verändern sollte: die Photosynthese. Vor etwa 3,2 Milliarden Jahren entwickelten einige Mikroben die Fähigkeit, Licht als Energiequelle zu nutzen. Sie nutzten dazu anorganische Verbindungen wie Schwefelwasserstoff, Sauerstoff spielte zunächst keine Rolle.
Im Laufe der Zeit wurde die Photosynthese verfeinert. Chlorophyll, der grüne Farbstoff, der das Sonnenlicht einfängt, entstand und steigerte die Energieausbeute erheblich. Auch die Reaktionszentren in den Chloroplasten, die die Lichtenergieumwandlung übernehmen, entwickelten sich weiter. Der Durchbruch kam, als Cyanobakterien begannen, Wasser als Elektronenquelle zu nutzen und dabei Sauerstoff freisetzten – das war absolut revolutionär.
Die große Sauerstoffkatastrophe
Mit der Freisetzung von Sauerstoff begann sich die Zusammensetzung der Atmosphäre zu verändern. Das geschah jedoch nicht schlagartig, es war nicht so, dass alles plötzlich von O₂ geflutet wurde. Erst allmählich, vor etwa 2,4 Milliarden Jahren, begann sich Sauerstoff in der Atmosphäre anzureichern. Dieser Prozess wird als Great Oxidation Event oder Große Sauerstoffkatastrophe bezeichnet, denn: Für die damals vorherrschenden anaeroben Mikroben war das hochreaktive Gas ein Gift, das ihre Stoffwechselvorgänge zerstörte. Viele starben aus oder zogen sich in sauerstoffarme Nischen zurück, in denen wir sie heute noch finden – tief im Meeresboden, oder auch in den Därmen von Kühen. Gleichzeitig eröffnete Sauerstoff jedoch anderen Lebensformen neue Möglichkeiten: Er ermöglichte eine deutlich effizientere Energienutzung und bildete so die Grundlage für komplexere Organismen.
Die Erde veränderte sich in Zuge dessen stark, Sauerstoff oxidierte Methan zu Kohlendioxid, was die Planetenoberfläche stark abkühlte und vor circa 2,3 Milliarden Jahren zur Huronischen Eiszeit führte, die ungefähr 300 Millionen Jahre andauerte. Trotz dieser Krisen legte der Sauerstoffanstieg den Grundstein für eukaryotische Zellen und die Entstehung vielzelliger Organismen. Die große Sauerstoffkatastrophe war also eine ökologische Krise und gleichzeitig der Schlüssel zur Entwicklung des Lebens, wie wir es kennen.
Übrigens: Im Januar 2020 konnten Forschende durch Datierungen und Simulationen nachweisen, dass der Yarrabubba-Meteorit vor circa 2,2 Milliarden Jahren während dieser Eiszeit einschlug. Sein Krater gilt als die älteste bestätigte Einschlagsstruktur unseres Planeten und könnte das Ende dieser Eiszeit herbeigeführt haben.
Vom Wasser ans Land: grüne Pioniere
Die Geschichte der Wälder ist eng mit der Geschichte der Pflanzen an sich verknüpft, weshalb wir gerade auch kurz über Photosynthese gesprochen haben. Die ersten pflanzenähnlichen Organismen lebten in den Meeren. Dort war alles vorhanden, was für einfache Photosynthese notwendig ist: Wasser im Überfluss, darin gelöstes Kohlenstoffdioxid, und an der Oberfläche ausreichend Sonnenlicht – what a life! Es reichten einige wenige Zellen, um Sonnenenergie einzufangen und ein gemütliches Leben zu haben. Diese Meeresbewohner mussten keinen Verdunstungsschutz entwickeln, keine stabilen Stämme, keine weit verzweigten Wurzelsysteme, denn das Wasser umgab sie ohnehin von allen Seiten, versorgte sie mit Nährstoffen und gab ihnen Auftrieb. Wenn ich mein Ohr vorsichtig an einen Baumstamm lege, höre ich ihn manchmal leise seufzen: “Die gute alte Zeit”, während er sich abmüht, im trockenen und heißen Stadtklima nicht abzukratzen.
Irgendwann, wahrscheinlich im Ordovizium (vor ca. 485 bis 445 Millionen Jahren), wagten die ersten Pflanzen den Schritt aus dem Wasser an Land – eine gewaltige Herausforderung, die neue Anpassungen erforderte. An Land gab es zwar intensiveres, ungefiltertes Sonnenlicht, aber kein stützendes Medium wie das Wasser. Um aufrecht zu wachsen, entwickelten Pflanzen feste Zellwände und später Lignin, ein Material, das stabile Stämme ermöglichte. Gleichzeitig stellte die Wasserversorgung ein großes Problem dar: Die Zellen durften nicht austrocknen. Eine schützende Wachsschicht, die Cuticula, und regulierbare Spaltöffnungen halfen, den Wasserverlust zu begrenzen, ohne den Gasaustausch zu verhindern. Zudem brauchten die Pflanzen ein internes Transportsystem, um Wasser und Nährstoffe zu verteilen – die Leitbündel Xylem und Phloem, die die Grundlage für alle späteren Gefäßpflanzen bildeten.
Dieser Landgang wäre vermutlich kaum gelungen, wenn nicht Pilze geholfen hätten. Man geht davon aus, dass Pilze Symbiosen mit frühen Pflanzen bildeten und dabei halfen, Nährstoffe aus dem Gestein und Wasser aus dem Boden zu erschließen. Ohne Pilze wären die frühen Pflänzchen, die immer wieder von Wellen an den Strand gespült wurden, vermutlich rasch vertrocknet. Diese Partnerschaften erleichterten den Pflanzen den Übertritt aus dem wässrigen in den trockenen Lebensraum.
Die ersten Wälder der Erdgeschichte
Über viele Millionen Jahre hinweg bildeten sich immer komplexere Formen von Landpflanzen. Im Devon (vor etwa 419 bis 359 Millionen Jahren) geschah dann etwas Bahnbrechendes: Die ersten echten Wälder entstanden. Fossilfunde aus dieser Zeit zeigen, dass sich baumhohe Pflanzen entwickelten – darunter frühe Formen von Bärlappgewächsen, Schachtelhalmen und farnähnlichen Pflanzen, die von weitem sogar schon etwas an moderne Bäume erinnerten. Tatsächlich kommen diese Pflanzen auch in meinem Roman Endling (Opens in a new window) vor, hehe. Sie waren noch sehr anders als unsere heutigen Gehölzen, hatten oft keine ausgeprägten Jahresringe, kein komplexes Wasserleitsystem und wuchsen deshalb in der Regel in sumpfigen Gebieten, wo Wasser reichlich vorhanden war. Ein bekanntes Beispiel dafür sind die Gilboa-Wälder im heutigen US-Bundesstaat New York.
Die Gilboa-Wälder
Der Gilboa-Wald, der vor etwa 385 Millionen Jahren im mittleren Devon existierte, war ein erstaunlich vielfältiger und komplexer Lebensraum, der als einer der ältesten bekannten Wälder der Welt gilt. Die Szenerie war geprägt von hohen, baumartigen Pflanzen wie Eospermatopteris, die mit ihren stabilen, aber hohlen Stämmen und einer Krone aus nicht-blättrigen Zweigen so ein wenig an moderne Baumfarne oder Palmen erinnern. Ihre breiten, radiär ausgerichteten Wurzeln verankerten sie im sumpfigen Untergrund an den Küsten.
Zwischen diesen Bäumen wuchsen Aneurophytaleen, frühe, holzige Pflanzen, die mit weitverzweigten, kriechenden Rhizomen den Boden durchzogen und sich möglicherweise an den Stämmen der Eospermatopteris-Bäume emporrankten, so ein bisschen also wie Efeu oder Wein. Darüber hinaus gab es erste baumartige Vertreter der Lycopsiden (Bärlappgewächse), die mit breiten Stämmen und langen, schmalen Blättern das Bild vervollständigten. Diese Pflanzen trugen mit ihren Wurzelsystemen zur Stabilisierung des Bodens bei, während sie gleichzeitig eine frühe Version eines mehrschichtigen Waldes schufen.
Wenn man an prähistorische Wälder denkt, hat man ja oft sowas wie einen dichten, tropischen Regenwald im Kopf, oder? Der Gilboa-Wald jedoch war gar kein dichter Dschungel, sondern ein lichter Wald mit teilweise offenen Bereichen. Die Pflanzen warfen nur begrenzten Schatten, und die Vegetation war wahrscheinlich stark von häufigen Störungen wie Überschwemmungen oder geologischen Ereignissen geprägt. Der Boden war nährstoffreich, aber eben richtig nass. Diese frühen Wälder waren noch weit entfernt von der Vielfalt und Stabilität moderner Waldökosysteme. Doch sie veränderten das Gesicht des Planeten grundlegend. Wo zuvor bloß karge, vom Wind verwehte Geröllwüsten und Sandflächen existiert hatten, breiteten sich nun ausgedehnte Pflanzenteppiche aus. Die Vegetation hielt den Boden mit ihren Wurzeln fest, tote Pflanzenteile bildeten Humus, und so entstanden erstmals stabile, nahrungsreiche Böden. Diese Fähigkeit, den Untergrund dauerhaft zu befestigen und zu verändern, leitete eine Kaskade von weiteren Veränderungen ein: Der Boden konnte mehr Wasser speichern, was das Wachstum der Pflanzen weiter förderte. Sogar das globale Klima wurde beeinflusst, denn üppige Vegetation bindet CO₂ und wirkt kühlend auf den Planeten.
Je dichter die Vegetationsdecke wurde, desto intensiver wurde auch die Konkurrenz um das Licht, klar. Pflanzen mit höheren, stabileren Stämmen hatten hierbei ganz klar einen Vorteil, denn sie konnten andere überragen und mehr Sonnenenergie abfangen. Dies befeuerte die Entwicklung von holzigen Stämmen und besser organisierten Leitungsbahnen, weil jetzt natürlich alle Pflanzen so hoch wie möglich wachen sollten. Die Entstehung von Lignin und damit von Holz war ein entscheidender Schritt. Holz gibt dem Stamm Festigkeit, sodass Bäume nicht hin und her schlackern. Zudem ermöglicht es ihnen, Wasser aus tieferen Bodenschichten in große Höhen zu transportieren. Diese Entwicklung führte dazu, dass sich in den feuchten Sumpfgebieten des Devons und Karbons (vor etwa 359 bis 299 Millionen Jahren) dann endlich richtige – und auch dichtere! – Wälder mit hohen Pflanzen bilden konnten.
Die Steinkohlewälder
Im Karbonzeitalter (vor etwa 360 bis ca 300 Millionen Jahren) erreichte diese Entwicklung ihren ersten richtigen Höhepunkt. Die sogenannten Steinkohlewälder, benannt nach den gewaltigen Torfschichten, aus denen unter Druck und über geologische Zeiträume Steinkohle entstand, waren feucht, sumpfig und von einer Atmosphäre umgeben, deren Sauerstoffgehalt erheblich höher war als heute. Riesige Insekten – etwa Libellen mit Flügelspannweiten von mehr als 60 Zentimetern – schwirrten zwischen den Farngiganten umher. Durch einen Sauerstoffgehalt von bis zu 35 % fühlten die sich pudelwohl. Damals mangelte es zwar an Vögeln oder Säugetieren, doch die Welt war dennoch nicht still. Zirpen, Summen und Rauschen durchdrang das Pflanzenmeer, in dem riesige Sporenpflanzen um Licht und Nährstoffe konkurrierten.
Die Wälder des Karbons waren eng an nasse Lebensräume gebunden, da ihre Wasserleit- und Stützsysteme noch nicht so effizient wie die moderner Bäume waren. Trockenere Klimaphasen bedeuteten oft ihr Ende, und die tektonischen Kräfte der Erde brachten immer wieder Klimaveränderungen mit sich. Es war also alles sehr dynamisch.
Auf dem südlichen Großkontinent Gondwana entwickelten sich parallel völlig andere Waldformen. Dort entstanden weiter entwickelte Frühformen der Bäume, die besser an saisonale Schwankungen angepasst waren. Sie zeigten bereits sekundäres Dickenwachstum, bei dem sie jedes Jahr eine neue Holzschicht bildeten und deshalb immer dickere Stämme bekamen – genau wie unsere modernen Bäume. Diese Eigenschaft ermöglichte es ihnen, Schäden zu reparieren, Teile ihrer Kronen neu aufzubauen und flexibel auf wechselnde Umweltbedingungen zu reagieren. Im Gegensatz dazu wuchsen die palmenähnlichen Baumformen der sumpfigen Tropen nur einmal in einer bestimmten Dicke und strebten dann vor allem in die Höhe – eine Strategie, die sie weniger anpassungsfähig machte.
Die frühen Baumvorläufer, die wir jetzt kennengelernt haben, nutzten Sporen zur Fortpflanzung, eine Strategie, die sie von Samenpflanzen unterschied. Diese Sporen wurden in speziellen Strukturen, den Sporangien, gebildet, die sich oft an den Spitzen von Ästen oder in zapfenartigen Gebilden befanden. Die Vermehrung war stark vom Wasser abhängig, da die männlichen Spermatozoiden durch einen dünnen Wasserfilm zu den weiblichen Eizellen schwimmen mussten, um diese zu befruchten. Dieses Fortpflanzungssystem funktionierte also nur in den feuchten, sumpfigen Umgebungen so richtig gut, in denen diese Pflanzen wuchsen. Nach der Befruchtung entwickelten sich neue Pflanzen aus der befruchteten Eizelle, die zuerst als winzige, unscheinbare Gametophyten wuchsen, bevor sie sich zu den größeren, dominanten Sporophyten entwickelten – den eigentlichen Baumvorläufern, die wir heute aus Fossilien kennen.
Bild: Matteo De Stefano/MUSE it, Wikipedia Commons
Gegen Ende des Karbons tauchten die ersten Reptilien auf, darunter kleine, eidechsenähnliche Tiere wie Hylonomus (eines der ältesten bekannten Reptilien). Diese Pioniere waren die ersten Wirbeltiere, die Eier mit einer schützenden Schale legten, die es ihnen ermöglichte, sich weiter vom Wasser zu entfernen.
Kleine Exhibitionisten: Die Nacktsamer
Im anschließenden Perm (vor ca. 299 bis 252 Millionen Jahren) rückte zunehmend eine andere Pflanzengruppe auf den Plan: die Nacktsamer (Gymnospermen). Zu ihnen gehören Vorfahren unserer heutigen Nadelbäume. Diese Pflanzen waren nicht mehr auf ständige Feuchtigkeit angewiesen, sie konnten stattdessen besser mit schwankenden Bedingungen umgehen, da ihre Fortpflanzung über Samen erfolgte. Der Vorteil: Samen sind resistenter gegenüber Austrocknung als Sporen! Zudem arbeiteten die Leitbahnen der Gymnispermen effizienter, um Wasser auch in weniger feuchten Habitaten bis “in die Fingerspitzen” zu transportieren. Dadurch konnten sie Klimazonen besetzen, in denen Sumpfgewächse scheiterten.
Während der Trias und des Jura (vor etwa 252 bis 145 Millionen Jahren) beherrschten zunehmend Gymnospermen die Landschaft. Bedecktsamer (Angiospermen) – also unsere hübschen Blütenpflanzen mit Samen, die von Fruchtblättern eingeschlossen sind – tauchten erst im Mesozoikum auf, vermutlich im späten Jura oder der frühen Kreidezeit, vor rund 140 bis 130 Millionen Jahren. Diese neue Gruppe entwickelte ein revolutionäres Fortpflanzungssystem: Blüten, die Tiere – später vor allem Insekten – zur Bestäubung anlockten. In den folgenden Jahrmillionen gewannen Blütenpflanzen an Vielfalt und Dominanz. Sie waren flexibel, passten sich an verschiedene Standorte an und bildeten schließlich die Grundlage für die meisten modernen Waldökosysteme – absolute Gewinner also!
Die frühe Kreidezeit (vor etwa 145 bis 100 Millionen Jahren) gilt als Epochenwende. Jetzt, im Laufe dieses Abschnitts, breiteten sich die Blütenpflanzen weltweit aus. Fossilfunde zeigen, dass Vorläufer moderner Laubwälder entstanden. Ähnlichkeiten zu heutigen Eichen, Weiden oder Kastanien sind nachweisbar. Die Welt wurde grüner, diverser, dynamischer. Während zuvor vor allem Windbestäubung und Sporenverbreitung dominierten, diversifizierten sich nun Pflanzen – auch durch die spezialisierten Wechselwirkungen mit Tieren.
Bild: KoprX: “Verschiedene Exemplare von Tyrannosaurus rex im Vergleich mit einem Menschen”, Wikipedia Commons
Auch die Tierwelt veränderte sich, und einige der für uns ikonischsten Urzeitbewohner traten auf die Bühne. Tief in den grünen, üppig blühenden Wäldern der Kreidezeit streifte der mächtige Tyrannosaurus Rex (vor etwa 68-66 Millionen Jahren) durch das dichte Unterholz Nordamerikas. Sein massiver Körper bewegte sich mit überraschender Präzision, während sein scharfer Blick unaufhörlich nach Beute Ausschau hielt. Vielleicht erspähte er ja einen Triceratops, der friedlich an den Blättern der neuartigen Blütenpflanzen knabberte, seine gewaltigen Hörner stets bereit, jeden Angriff abzuwehren. Doch der T-Rex war nicht allein. Inmitten derselben Wälder huschte ein paar Millionen Jahre zuvor noch ein Velociraptor (vor etwa 75-71 Millionen Jahren) lautlos durch die dichten Sträucher. Seine gebogenen Klauen blitzten im Sonnenlicht, während er geschickt durch das Blattwerk navigierte. Dieser flinke Jäger verließ sich sowohl auf seine blitzschnellen Reflexe als auch auf die Stärke seines Rudels, um seine Beute zu erlegen.
Bild: Dinosaur Zoo (Wikipedia Commons): Argentinosaurus
Weiter südlich, in den besonders warmen Gefilden der Kreidezeit, zogen riesige Pflanzenfresser wie der Argentinosaurus (vor etwa 97-94 Millionen Jahren) durch die Wälder. Mit seinem langen Hals, der sich wie eine Giraffe durch die Baumkronen streckte, konnte dieser Gigant – einer der größten bekannten Dinosaurier überhaupt! – mühelos die höchsten Äste der Araukarien und frühen Blütenpflanzen erreichen. Doch selbst diese sanften Riesen waren nicht sicher. In ihrem Schatten lauerten Raubsaurier wie der Carnotaurus (vor etwa 71-69 Millionen Jahren), stets bereit, eine Schwachstelle in der Herde auszunutzen.
Klimawandel, Kontinentalverschiebung und Waldentwicklung
In der Erdgeschichte folgten immer wieder Phasen geologischer Umbrüche: Kontinentalplatten verschoben sich, Superkontinente brachen auseinander und drifteten in neue Positionen. Diese Prozesse hatten großen Einfluss auf Temperatur, Niederschläge und damit auf die Vegetationsdecke. Während die frühen Wälder oftmals erstmal irgendwie gleich und monoton wirkten – riesige, sumpfartige Reiche von Farnbäumen oder ausgedehnte Koniferenwälder –, differenzierten sich mit der Zeit immer mehr unterschiedliche Waldtypen heraus. Und diese Diversifizierung zeigt sich bis in die Gegenwart. Heute gibt es Regenwälder, Trockenwälder, Dornenwälder, Taiga und Tundren mit vereinzelten Bäumen, sowie Laub- und Mischwälder in gemäßigten Breiten, und noch unzählige andere Kategorien, Unterkategorien, Unterunterkategorien und so weiter. Jede dieser Formationen ist das Ergebnis einer jahrmillionenlangen Anpassung an die regionalen Gegebenheiten. Schon in der erdgeschichtlichen Vergangenheit gab es Gebiete wie das damalige Gondwana, in denen sich die Pflanzen an regelmäßige Jahreszeiten gewöhnt hatten. Der Laubabwurf, um Wasser zu sparen, ist eine von vielen Strategien, die sich entwickelt haben, um unter sich ändernden Klimabedingungen zu überleben.
Beim Übergang von der Kreide ins Tertiär (heute als Paläogen und Neogen bezeichnet, beginnend vor 66 Millionen Jahren) war die Flora bereits stark diversifiziert. Katastrophen wie der Meteoriteneinschlag an der Kreide-Paläogen-Grenze vor rund 66 Millionen Jahren, der die Dinosaurier dahinraffte, setzten auch der Vegetation zu, schufen aber auch Raum für neue Pflanzengruppen. Blütenpflanzen überstanden diese Krise, breiteten sich weiter aus und bildeten die Grundlage für die künftige Entwicklung moderner Wälder mit ihrer großen biologischen Vielfalt.
Die Waldlandschaften der Eiszeiten: Ein immerwährender Wandel
Noch vor relativ kurzer Zeit (in geologischen Maßstäben, haha), also vor etwa 2,6 Millionen Jahren, begann das Quartär, eine Phase, in der sich immer wieder Eiszeiten mit wärmeren Zwischeneiszeiten abwechselten. Einen Einblick darin haben wir ja in meiner Reihe zur Norddeutschen Landschaft erhalten. Während der letzten großen Kaltzeit, die vor etwa 115.000 Jahren begann und mit Beginn des Holozäns (darin leben wir heute) vor rund 11.700 Jahren endete, waren große Teile der Nordhalbkugel von Eisschilden bedeckt. Der Meeresspiegel sank, und viele Pflanzen zogen sich in wärmere Refugien zurück. Als die Temperaturen wieder stiegen, schmolzen die Gletscher, und der Meeresspiegel stieg an. In den freiwerdenden Landschaften breiteten sich die Wälder erneut aus – diesmal solche, die mit unseren heutigen Wäldern vergleichbar waren.
Nach dem Ende der letzten Eiszeit wurden klimatische Bedingungen stabiler und Wälder begannen, sich auf der ganzen Welt erneut zu etablieren. Unsere modernen Laub- und Mischwälder fühlten sich in den gemäßigten Zonen wohl, Nadelwälder findet man vor allem im kühleren Norden, tropische Regenwälder gedeihen – sofern man sie nicht abholzt – im feuchtwarmen Äquatorialbereich. In diesen Wäldern lebten nun nicht mehr nur Insekten und einfache Wirbeltiere, sondern eine Fülle von Säugetieren, Vögeln, Reptilien und Amphibien. Die Geräuschkulisse eines Waldes wurde dadurch im Lauf der Zeit komplexer und vielstimmiger. Zudem wanderten Herden von Pflanzenfressern durch riesige Wald- und Graslandschaften und kontrollierten durch Trittschaden und Fraß die Vegetation. Tatsächlich hielten sie "Wälder im Zaum”. Unter diesen Tieren fanden sich Mammuts, Wollnashörner und viele weitere Vertreter der Megafauna, die später durch den Druck der menschlichen Jagd – aber auch durch Klimaänderungen – weitgehend ausstarben. Damn.
Die noch vergleichsweise junge Spezies Homo sapiens breitete sich zu dieser Zeit global aus. Menschen nutzten die Wälder zunehmend als Nahrungsquelle, Jagdgebiet und bald auch als Rohstofflieferant für Holz. Die Beziehungen zwischen Wäldern und uns Menschen sind seitdem untrennbar miteinander verwoben.
Wälder als archaische und moderne Lebensräume
Die Geschichte der Wälder ist damit kein linearer Fortschritt, sondern, wie auch der Rest der Erdgeschichte, eine Reihe von Anpassungen, Aussterbeereignissen und Neuanfängen. Von der mikrobiellen Photosynthese in den Urozeanen des Archaikums bis hin zu den globalen Waldsystemen der Gegenwart spannt sich ein Bogen über mehr als 4 Milliarden Jahre. Zunächst mussten einfache Mikroorganismen den Planeten mit Sauerstoff anreichern, damit komplexes Leben an Land überhaupt möglich wurde. Dann machten frühe Pflanzen, im Verbund mit Pilzen, den Sprung an Land. Über Devon, Karbon und Perm hinweg entwickelten sich immer widerstandsfähigere Pflanzen, die schließlich unsere Wälder bildeten.
Auch heutzutage sind Wälder mehr als nur Ansammlungen von Bäumen. Sie sind komplexe Netzwerke aus Mykorrhiza-Pilzen, Wurzeln, Blättern und unzähligen Organismen, die in ihnen leben. Sie beeinflussen das Klima, indem sie Kohlenstoff speichern. Sie prägen die Landschaft, indem sie Böden binden und Wasserkreisläufe steuern. Sie sind Orte, an denen Evolution sichtbar wird – in Fossilien, die unter Schichten von Torf und Kohle begraben sind, ebenso wie in der lebenden Vielfalt, die uns heute umgibt. Und was soll ich sagen? Ich lieb’s.
Bis zum nächsten Mal!
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Illustration von Gondwana zur Karbonzeit nach: „Gondwana’s Apparent Polar Wander Path during the Permian-New Insights from South America“. ResearchGate, 22. Oktober 2024. https://doi.org/10.1038/s41598-018-25873-z (Opens in a new window).
Blankenship, Robert E. „Early Evolution of Photosynthesis“. Plant Physiology 154, Nr. 2 (1. Oktober 2010): 434–38. https://doi.org/10.1104/pp.110.161687 (Opens in a new window).
Erickson, Timmons M., Christopher L. Kirkland, Nicholas E. Timms, Aaron J. Cavosie, und Thomas M. Davison. „Precise Radiometric Age Establishes Yarrabubba, Western Australia, as Earth’s Oldest Recognised Meteorite Impact Structure“. Nature Communications 11, Nr. 1 (21. Januar 2020): 300. https://doi.org/10.1038/s41467-019-13985-7 (Opens in a new window).
Kühne, Olaf, Florian Weber, Karsten Berr, und Corinna Jenal. Handbuch Landschaft. 2., Überarbeitete und Erweiterte Auflage 2024. Wiesbaden Heidleberg: Springer VS, 2024.
Küster, Hansjörg. Geschichte des Waldes: Von der Urzeit bis zur Gegenwart. 3. Aufl. München: C.H.Beck, 2013.
Stein, William E., Christopher M. Berry, Linda VanAller Hernick, und Frank Mannolini. „Surprisingly Complex Community Discovered in the Mid-Devonian Fossil Forest at Gilboa“. Nature 483, Nr. 7387 (März 2012): 78–81. https://doi.org/10.1038/nature10819 (Opens in a new window).