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Wildblumenwiesen-Mischungen wegwerfen & Natur schützen

Hallo,

schön, dass du bei dieser Ausgabe meines Newsletters dabei bist!

Ich war die letzten 8 Tage in einem Haus im Nirgendwo in Niedersachsen, um den Hunden mal so richtig Auslauf zu gönnen auf dem dazugehörenden 20.000m2 Gartengrundstück – außerdem musste ich ein Buch fertigschreiben, dessen Manuskript ich Anfang nächster Woche abgeben werde.  Es geht um Biodiversität, und genau deshalb dachte ich mir: Alles klar, das wird das nächste Newsletterthema.  Und keine Sorge, es kommen auch Tipps für Leute, die weder Garten, noch Balkon haben!

Was ist eigentlich Biodiversität?

Viele Menschen übersetzen Biodiversität ja mit Artenvielfalt und denken, das eine sei ein Synonym für das andere – doch das ist nicht so. Biodiversität ist mehr als nur die Anzahl der vorkommenden Arten in einem Lebensraum. Biodiversität bezieht sich beispielsweise auch auf die genetische Diversität der dort lebenden Organismen. Sind sie genetisch recht ähnlich, oder gibt es in den Populationen viele Varianten von Aussehen, Fähigkeiten usw. in einer Population? Ist der Genpool schön groß und durchmischgt? Dann: Was für Arten kommen in einem Lebensraum vor? Sind es eher "gewöhnliche Allerweltsarten", oder gibt es dort seltene oder gar bedrohte Arten? Und wie viele Individuen gibt es jeweils von den vorkommenden Arten? Dann: Wie divers ist der Lebensraum? Gibt es in der Landschaft viele verschiedene Ökosysteme, oder ist alles irgendwie gleich?

All das sind Dinge, die zur Bestimmung der Biodiversität eines Lebensraum hinzugezogen und beantwortet werden müssen – und wir brauchen diese Antworten auch, wenn wir Biodiversität fördern und schützen wollen. Eine Wiese ist nicht zwingend direkt besonders schützenswert, weil dort 10 Arten vorkommen und auf der Wiese nebenan nur 5. Wenn 10 häufige Arten, die vielleicht noch alle miteinander verwandt sind, gegen 5 seltene aus ganz unterschiedlichen Familien und Gattungen stehen, hat die Wiese mit der geringeren Artenzahl dennoch einen höheren Biodiversitäts"wert".
(Wenn ihr da noch mehr Details und Beispiele und gezeichnete Käfer von mir wollt: Kündige das Buch bald an, kommt im Herbst raus., bald mehr dazu.)

Also halten wir fest: Biodiversität ist nicht gleich Artenvielfalt.

Wildblumenmischungen: Der potenzielle Todesstoß für die Biodiversität

2019 hat die Bochumer Stadtverwaltung 10.000 Tütchen mit einer Wildblumenmischung an die Bürger verteilt (Opens in a new window). Der Hintergrund war die Aktion "Bochum blüht und summt“, bei der es darum ging, Insekten zu retten und Bochum auch "hübscher" aussehen zu lassen.

Klingt erstmal gut.

Aber dann bekamen das Naturschützer:innen und Expert:innen mit und reagierten ungefähr so: WHAT. THE. FUCK. :)))))

Jaha, Excuse my French. Ich meine das war alles gut gemeint, leider nur schlecht gemacht. Das Problem bei diesen Aktionen ist der Inhalt der Tütchen. Darin enthalten sind keine heimischen Arten, sondern Exoten, und meist sind das auch nur einjährige Pflanzen, mit denen man also keinen nachhaltigen Effekt erzielt. Außer vielleicht den, dass man mit ein bisschen Pech Sorten anbaut, die durch den Wind und gutmeinende Menschen überall verteilt werden und die ansässige heimische Flora – und dadurch auch eine Menge, Menge, wirklich eine MENGE Tiere und andere Organismen – vertreiben.

Der Bochumer Botanische Verein hat dann auch direkt mal das Thema "Wildblumenwiesen"-Mischungen angepackt und Versuche gemacht. (Opens in a new window) Das Ergebnis war … naja, seht selbst:

"Das Ergebnis der Ansaaten war ernüchternd: In fast jedem Samentütchen, auch in denen mit der Aufschrift „Wildblumen“, was dem Kunden ganz offensichtlich suggerieren soll, dass es sich um heimische Arten handelt, waren ausschließlich oder fast ausschließlich nichteinheimische Arten, die man auch getrennt als Samentütchen im Repertoire der Sommerblumen erwerben kann. Die in den Mischungen bemerkenswerterweise fast durchweg einjährigen Arten stammten aus dem Mittelmeergebiet, aus Südosteuropa oder auch aus ganz anderen Florenregionen wie Nord- oder Mittelamerika. "

Also: Wenn ihr Wildblumenmischungen aus dem Baumarkt oder sowas daheim habt, schmeißt sie am Besten weg, es sei denn, es ist eine ganz gezielt regionale Mischung. Ich weiß, dass ihr das Richtige tun wollt, und ihr könnt nichts dafür, dass man euch an der Nase herumführt. Aber keine Sorge: Ich habe ein paar Ideen für euch, wie ihr auf Garten, Balkon usw. Insekten, Vögel & Co. wirklich unterstützen könnt.

Was also tun?

SAATGUT

Wenn ihr eine Wildblumenwiese anlegen wollt, könnt ihr es zum Beispiel wie ich machen: Im letzten Sommer und Herbst bin ich mit einer Tüte in meiner Nachbarschaft herumgestiefelt, habe Samen von Löwenzahn und Disteln, Wurzelknollen von Gänseblümchen und Co. abgesammelt und zu mir nach Hause verschleppt – und dort ausgesät. Wichtig ist darauf zu achten, dass ihr wirklich Pflanzensamen mitnehmt, die heimisch sind, regional auch bei euch vorkommen und, wenn ihr zB Wurzeln mitnehmt, natürlich nicht geschützt sind. Mit Löwenzahn, Brennnessel, Distel und Co. kann man da wenig falsch machen, und ihr glaubt ja gar nicht, wie die Schmetterlinge und Bienen AUSRASTEN werden, wenn die das bei euch dann sehen. In meinem Garten schlüpfen jetzt überall diese Pflanzen und ich freu mich schon auf die kleinen Gesichter der Insekten, wenn sie die Pracht vor sich sehen.

Vielleicht denkt ihr jetzt: JA TOLL JASMIN, WAS MACHE ICH BIS NÄCHSTES JAHR?

Natürlich wollt ihr jetzt vielleicht schon etwas aussäen. In dem Fall rate ich euch zu regionalem Saatgut. Der NABU hat hier ein paar gute Adressen von Saatgutlieferanten zusammengestellt, bei denen ihr nicht versehentlich invasive Arten in Form einer Wildblumenwiese aussät: Hier entlang >> (Opens in a new window) 

Natürlich könnt ihr auch einfach googeln, welche Händler in eurem Umkreis wirklich (!) regionales Saatgut anbieten. 

Ebenfalls wichtig, wenn wir schon beim Thema Blühpflanzen usw. sind: Es ist natürlich wichtig, Insekten von Frühjahr bis Herbst Nahrung zu bieten. Achtet also beim Säen und Pflanzen darauf, dass von Frühjahr bis Herbst immer ein bisschen was blüht. 

STREUOBSTWIESEN

Streuobstwiesen sind regelrechte Biodiversitätshotspots, kommen heutzutage aber immer seltener vor. Obst wird heute an niedrigstämmigen Plantagenpflanzen angebaut, was nicht gerade ein idealer Lebensraum für Insekten und Vögel ist. Wenn ihr also einen Garten mit altem Obstgehölz habt: Kümmert euch gut darum! Und wenn möglich, pflanzt gerne noch mehr Obstbäume und lasst sie richtig schön wachsen. Und: Finger weg von Dünger oder Pestiziden. Mehr Infos zu Streuobstwiesen gibt es hier >> (Opens in a new window)

INSEKTENFREUNDLICHER BALKON

Einen Garten zu haben, ist natürlich ein Luxus. Aber schon mit einem kleinen Balkon in der Stadt oder einem gemeinsamen Innenhof kann man den Insekten in der Umgebung wichtige Oasen schaffen, an denen sie sich zwischen all dem Beton laben können. Natürlich gibt es auch hier Sachen zu beachten. Welche Pflanzen aus dem Baumarkt nehme ich mit, welche lasse ich lieber stehen? Auch dazu findet ihr beim NABU sehr gute Tipps >> (Opens in a new window)

NISTKÄSTEN, BIENENHOTEL & CO.

Bei Nistkästen und Insektenhotels ist es so, dass es da auch sehr viel Schrott auf dem Markt gibt. Wenn ihr ganz sicher gehen wollt, könnt ihr so etwas selber bauen. Das ist auch ein tolles Projekt, das man mit Freund:innen oder Kindern machen kann. Der NABU hat hier eine tolle Anleitung für Nistkästen >> (Opens in a new window) und hier eine für Insektenhotels >> (Opens in a new window).

Wenn ihr keine Lust habt, selbst den Hammer zu schwingen, könnt ihr natürlich auch welche kaufen. Wichtig ist bei Nistkästen, dass sie gut zu öffnen und zu reinigen sind. Ich habe meine immer mit Essigwasser ausgewaschen, wenn wieder eine Vogelfamilie ausgezogen ist.

Bei Insektenhotels gibt es auch einige wichtige Punkte zu beachten. Auch deshalb hat der NABU (ich schwöre, ich werde nicht von denen für all die Links bezahlt, ich habe nichts mit denen zu tun außer, dass ich Mitglied bin, ich finde deren Inhalte einfach nur so gut!) hier Bezugsadressen, bei denen man Insektennisthilfen findet, mit denen die Tiere dann auch wirklich was anfangen können >> (Opens in a new window)

Aber: Wenn es tut auch ein Haufen aus größeren Steinen und ner dicken Schicht Laub, über die man dann Reisig packt. So ein Reisighaufen bietet so vielen Tieren, auch Igeln, Eidechsen und Co., ein Zuhause – die brauchen das gar nicht so fancy! Hier findet ihr ein paar Infos zum Thema Reisighaufen (ha, diesmal kein NABU-Link!) >> (Opens in a new window)

INSEKTENTRÄNKEN

Viele Menschen stellen im Sommer Vogeltränken auf, was super ist! Was dabei aber oft vergessen wird: Auch Insekten haben Durst! Wie ihr ganz einfach kleine Insektentränken aufstellen könnt, habe ich hier erklärt:

https://twitter.com/waldraeubers/status/1290971335124975616 (Opens in a new window)

HECKEN

Wenn ihr eure Gärten naturnah gestalten wollt, spielen auch Hecken eine wichtige Rolle. Einerseits brüten dort Vögel darin, andererseits leben da auch viele andere Tiere, die dort vor allem auch im Sommer Schatten und im Winter ein wenig Schutz finden. Wichtig: Auch hier darauf achten, heimische Hecken anzupflanzen. Finger weg von Lorbeer und Thuja, das sind Neophyten, also nichtheimische Arten!

Jasmin, ich habe weder Garten noch Balkon!

Kein Problem, wenn ihr weder Garten, noch Balkon habt, könnt ihr euch dennoch für mehr Biodiversität einsetzen. Ihr könnt euch zum Beispiel bei der NABU naturguckeradademie (Opens in a new window) engagieren und dort ganz tolle Kurse zum Thema Artenkenntnis, Naturschutz und Co. machen, und ja, das ist ein Online-Angebot!

Googelt mal ein bisschen herum und findet Vereine in eurer Stadt, die sich für Naturschutz einsetzen. Oft gibt es da gemeinsame Aktionen, also dass man sich irgendwo trifft und zB Neophyten entfernt, lauter solche Sachen.

Super wichtig: Bei Aktionen mitmachen, bei denen ihr Forschenden helft herauszufinden, wie viele Arten auf dem Land und in der Stadt leben. Ich mache auch immer beim NABU Insektensommer > (Opens in a new window)>, der Stunde der Gartenvögel >> (Opens in a new window) und der Stunde der Wintervögel >> (Opens in a new window) mit. Das lässt sich auch fantastisch mit Kindern machen und der NABU hat schöne Apps, mit denen das Bestimmen auch gut gelingt!

Bestimmt Pflanzen mit der Flora Incognita App >> (Opens in a new window)und helft beim Biodiversitätsmonitoring. Das ist total super, denn so wisst ihr, was für eine Pflanze ihr vor euch habt UND tut noch was für die Forschung! Win-Win!

Und sonst so?

So, ich hoffe, dass euch der Newsletter ein bisschen inspiriert hat, etwas für die Natur zu tun. Ich hoffe, ihr kommt jetzt niemals auf die Idee, "Seed Bombing" zu betreiben und irgendwo irgendwelche Samen auszustreuen. :)

Hier noch ein paar Sachen, die ich im Netz entdeckt habe und die ich mit euch teilen will:

https://www.youtube.com/watch?v=UwVNkfCov1k (Opens in a new window)

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So, jetzt direkt an dich: Danke, dass du auch bei dieser Ausgabe dabei warst. Ich würde mich sehr freuen, wenn du dir überlegen würdest, dieses Projekt vielleicht durch einen kleinen Beitrag zu unterstützen, falls es dir möglich ist und du es nicht schon tust. Schon für 4€ im Monat (also einem Kaffee) (Opens in a new window) hilfst du mir dabei, meine Miete zu zahlen, spannende Fachbücher zu kaufen und meine Naturführerausbildung und Ranger-Ausbildung zu bezahlen. Juhu!

Wenn es dir finanziell nicht möglich ist (oder du keine Lust hast, was voll okay ist), freue ich mich, wenn du den Newsletter mit deinen Freund:innen teilst und gerne auch auf Social Media erzählst, dass der Newsletter vielleicht gar nicht so ganz doof ist, ehem. 

Und wenn du schon ein Farn, Elch oder Wal bist: OH MANN DANKE DANKE DANKE! <3

So. Hier bin ich gestern im Wald, das Foto hat Lorenz gemacht. Habe dort Buschwindröschen entdeckt, über die ich auch auf Instagram >> (Opens in a new window) gesprochen habe.

Und hier ein Foto von dem Wald, in dem ich da gerade stehe:

Tschüss, bis zum nächsten Mal!

Alles Liebe

Jasmin

2 comments

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