Guten Morgen Tel Aviv, Ciao Fritz Puppel!

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„Da ging die erste große Liebe vom Frühling bis in den August” Ich erinnere mich genau, wie Fritz Puppel, quasi der Rockvater der DDR, mir diese Liedzeile erklärte. Wir saßen im ersten Rang über der Bühne im kleinen Kulturhaus in Bernau. Fritz hatte am Tag des Konzerts, der auch der Tag unseres Interviews war, Geburtstag. Aber das schrieb er mir erst später. Fritz war keiner, der das in dem Moment erwähnt hätte. Toni Krahl, der berühmte Liedsänger der Band CITY, mit dem ich mich erst später anfreundete, wirkte neben dem Bandgründer und Gitarristen Fritz fast ein bisschen verschlossen, sperrig, mit Attitude. Aber Fritz war ein Herz. Zärtlich sprach er über ihre Lieder, ihre Band, ihre Geschichte, die DDR und alles was danach kam. Fritz war von Anfang an der Kopf bei CITY, er atmete die Band, ihre Musik. Und war dabei doch gar kein Alphatier. Ich weiß noch, wie ich bei unserer ersten Begegnung dachte, mein Gott, wie kann einer, der so lange schon berühmt ist, so ruhig, so nett, so bodenständig sein? Und das tollste an Fritz: Er erklärte Dinge ohne dabei belehrend zu wirken (können ja nicht viele Männer!). Und so erklärte er mir, wie CITYs Texte zu DDR-Zeiten zu Stande kamen. Und dass die Liedzeile „Da ging die erste große Liebe vom Frühling bis in den August”, die ich von klein auf an in der Küche und im Wohnzimmer unserer Rostocker Plattenbauwohnung gehört hatte, natürlich eine Anspielung auf den Mauerbau war, der im August 1961 begann.

Mit Fritz Puppel (Mitte) und Toni Krahl von der Band CITY Backstage in Bernau, November 2018.

Ich hab lange nicht begriffen, dass auch ich Ossi war. 1984 geboren, nur noch fünf Jahre in dieses unerklärliche Leben zwischen innerer großer Freiheit und einsperrender Diktatur hinein, hatte ich mich immer als Kind des wiedervereinigten Deutschlands empfunden. Erst mein Umzug nach Israel, am 26. Februar 2010 (14 Jahre?!?!), machte mir klar, wo ich herkam. Es stimmt nämlich, dass man die Wurzeln manchmal ausreißen muss, um sie besser zu sehen. CITY war der Soundtrack meiner Kindheit und wurde dann wieder der Soundtrack meines Erwachsenwerdens. Aus einer seltsamen Mischung des Heimwehs und der Nostalgie heraus, entdeckte ich die Band in Tel Aviv wieder. Tanzte mit meinen Kindern zum „King vom Prenzlauer Berg”, den mein Vater schon immer im Wohnzimmer getanzt hatte, heulte zu „Aus der Ferne” und vermisste zu „Glastraum”. Dass ich dabei die neueren Alben dieser talentierten Musikgötter ignorierte, hat Fritz mir nie krumm genommen. Als das große Feuilleton-Stück, dass ich für die WELT (Opens in a new window) über die Band und ihre Geschichte schrieb, veröffentlicht wurde, bekam ich kurz danach eine Mail von Fritz:

“Sehr emotional – auch unsere Tochter war sehr sehr beeindruckt. Danke !!

Sie scheinen für alle – Die Sonne , Die Sterne

Der Wind und der Regen- Sie treffen jeden.

Die Kinder, Die Sünder, Die Urteilsverkünder.

Du musst nicht verzeih`n- doch lass liegen den Stein

Vom Album – Das Blut so laut – DIE SONNE,DIE STERNE

Nebenbei : Ich hatte in Bernau Geburtstag – Dank für das Geschenk !”

Ich weiß noch, wie ich sie las und einen Stolz empfand, der mir selten bei der Arbeit einfuhr. Ich habe danach Fritz und Toni, der ganzen Band eigentlich, immer wieder versucht, kleine Denkmäler zu setzen. Sie sind der Soundtrack meiner Romane ALEF (Opens in a new window) und FREI (Opens in a new window). Laufen im Hintergrund mit, so wie sie auch schon mein ganzes Leben mitlaufen. Sie erinnern mich daran, was für eine ungewöhnliche Geschichte wir Ossis haben. Und zwischen wie vielen Welten wir immer noch leben.

Aus meinem Roman “Alef” (Ecco-Verlag, 2021)

Das letzte Mal sah ich Fritz im August 2022 auf Rügen bei CITYs Abschiedstour. Er war genauso liebenswürdig, wie ich ihn kennengelernt hatte. Führte meine zwei kleinen deutsch-israelischen Boyz backstage, zeigte ihnen die Bühne, wir machten Fotos. Man sieht in Fritz Augen, dass er ein Guter ist. War.

Fritz hat sich am 10. Februar davon gestohlen. Wir verlieren damit alle ein Stück unserer eigenen Geschichte.