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Just do it!

Guten Morgen, Andrea! 

Ich hoffe, diese E-Mail erreicht dich wohlauf und guter Dinge.
Mich selbst hat die Erkältung immer noch ein bisschen im Griff, aber das hindert mich nicht - im Gegensatz zu letzter Woche, wo mein Schreibhirn viel zu vernebelt gewesen wäre für was Sinnvolles -, dich heute wieder mal an dem teilhaben zu lassen, was mir so durch den Kopf geht.

Vielleicht kannst du ja anknüpfen.

Thema heute: Just do it. 

Tu es einfach. Denk nicht drüber nach. Mach, was dir Spaß macht - und wenn es nur 5 Minuten am Tag sind.

Just do it! 

Dieser Tage, als ich kränkelnd auf dem Sofa lag, schaute ich mir eine Dokumentation an über die frühen Menschen auf der Schwäbischen Alb. Dort gibt es die Fundstätte Hohler Fels, eine Karst­höhle, in der seit Beginn des 19. Jahrhunderts immer wieder Arte­fakte gefunden werden, Gegenstände, geschaffen von Menschen, die in der Eiszeit hier lebten. Sie siedelten lang hier, die frühen Menschen, und sie schufen vor 35.000 Jahren nicht nur Werkzeuge wie Pfeilspitzen, Steinmesser oder Schaber, um das Fleisch von den Knochen erlegter Tiere zu be­kommen. 

Sie schufen Kunst. 

Das hat ihnen niemand gezeigt. Sie taten es einfach. 

Mit den neueren Ausgrabungen in diesem Jahrtausend kamen immer mehr solcher Kunstwerke ans Tageslicht, darunter eine Flöte aus dem Knochen eines Gänsegeiers, ein „Löwenmenschle" aus Elfenbein (in Abgrenzung zum Löwenmenschen vom Lonetal) und eine Figurine aus Mammutbein, die den Körper einer Frau darstellt: die „Venus vom Hohlefels (Opens in a new window)“, eine der ältesten Dar­stellungen des menschlichen Körpers überhaupt. Die Figur ist über und über mit Linien und Formen verziert. Ich dachte dabei sofort an „marks and shapes“. 

„Die Forschung“ geht davon aus, das all diese Werke zu rituellen Zwecken erschaffen wurden. Ich hab da eine ganz andere Theorie. 

Ich glaube, die Menschen, die diese Dinge schufen, hatten Freude du ihrem Tun. Sie taten es, weil sie sich die Zeit vertreiben wollten. Aus Jux und Dollerei. Und sie hatten so viel Freude daran, dass sie gar nicht damit aufhören konnten. Du kennst sie vielleicht selbst, die Schwierigkeit, dein Werk zu beenden, an dessen Herstellung du so viel Freude hast!

In meiner Vorstellung hat sich das so abgespielt.

Da saßen die frühen Menschen am warmen und hellen Feuer in ihrer Höhle, draußen war es kalt und un­freundlich (wir befinden um in der Eiszeit!) und es gibt nix zu tun. Der Bauch ist voll, weil gerade gemein­sam gespeist worden ist. Beim Wegräumen der Knochen fällteinem Men­schen eine Kerbe auf, die eine der Steinklingen hinterlassen hat. Die gefällt diesem Menschen und er oder sie fängt an zu experimen­tieren, was man mit dem Steinmesser auf so einem Knochen noch anstellen kann, welche Spuren damit noch möglich sind. (So machst du das vielleicht auch, wenn du einen neuen Pinsel ausprobierst.) 

Während der Mensch da so vor sich hin schnitzt - ich weiß aus eigener Erfahrung, wie ent­spannend und Flow-generierend Schnitzen sein kann - überträgt sich das Bild dessen, was Mensch so Tag für Tag in seiner Erlebenswelt wahrnimmt, auf den Gegen­stand in seiner Hand. Zack - Venus! 

„Ey, Leute, guckt mal, was ich gemacht habe!“ 

Einer nach dem anderen aus der Sippe nimmt den Gegenstand in die Hand und staunt darüber im Schein des Höhlenfeuers. 

Der erste Mensch weiß vielleicht gar nicht, was er über die üppig bebuste Figur mit den stämmigen Schenkeln und dem fehlenden Kopf sagen soll. 

Einer lacht vielleicht.

Ein anderer sagt: „Die hat ja gar keinen Kopf!“

Worauf der schöpfende Mensch mit den Schultern zuckt und sagt: „Das Knochenstück war nicht größer.“

Einer sagt: „Ich würd da noch ein paar Linien reinkratzen.“

Einer schüttelt vielleicht nur den Kopf und sagt: „Auf was für dummes Zeug du immer kommst!“

Und einer schnappt sich vielleicht selbst einen Knochen und beginnt zu schnitzen, weil er auch keine Lust mehr hat, nur stumpf in der Höhle herumzusitzen und darauf zu warten, dass es draußen endlich wärmer wird.

Keine Spur von Ritualen - nur ein ganz "gewöhnlicher" kreativer Prozess. Und doch so mächtig, wundervoll und für Nicht-Eingeweihte ganz und gar unbegreiflich.

Vermutlich ist das der Grund, weshalb religiöse Aspekte zur Ursachenfindung heran­gezogen werden. Aber das ist nur meine Ansicht.

Noch mal zusammengefasst:

  • etwas fällt auf, weckt das Interesse

  • Neugier entsteht, der Forscherdrang

  • das Experiment beginnt mit dem, was da ist (Material, Werkzeug Zeit!)

  • TUN

  • die eigene Erlebenswelt fließt ein

  • heraus kommt: Kunst!

Ich glaube, die Menschen bildeten mit diesen Kunstwerken ganz simpel ihre Umgebung ab - bildlich in Form von Figurinen und Schmuck, aber auch in Form von Tönen, denn bei der Entdeckung der Musik, der Erkenntnis, dass man mit Hilfe hohler Vogelknochen Töne erzeugen kann, war ganz bestimmt dieselbe uns angeborene Neugier am Werk.

Das Beispiel der Menschen vom Hohlen Fels (und überall auf der Welt) zeigt, dass Kreativität Teil unseres Mensch-Seins ist, dass Kunst zu unserer Natur gehört und dass sie fast von allein entsteht, wenn wir unserer Neugier folgen und ein­fach das tun, was uns gerade in den Sinn kommt. Das, was uns gerade in den Sinn kommt, ist gewöhnlich das, was uns beseelt, uns Freude macht, was dazu beiträgt, dass wir uns gut fühlen. Tun wir es einfach so lang, wie es aus Spaß macht und bis uns das gefällt, was da entsteht. 

Einfach machen. 
Aus Jux und Dollerei. 
Just do it! 
Es wird bestimmt gut!

Kreasphärische Grüße von 
Andrea aus dem Atelier am Rain

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