HEISSKALT - Interview aus FUZE.109
WIE BASILIKUM. Es ist Donnerstagvormittag, die Kinder sind in der Schule, Mathias von HEISSKALT hat ein wenig Zeit. Wobei, eigentlich müsste er noch Notizen zum Mix des neuen Albums „Vom Tun und Lassen“ fertigstellen, denn die Abgabetermin fürs Presswerk ist nahe. Wie es dazu gekommen ist, dass die Band wieder da ist und sogar ein neues Album dabei rausgekommen ist, will ich von ihm wissen.
Foto: Paul Ambusch
Ihr hattet eine lange Auszeit von der Band, wolltet während Corona mal ein paar Shows spielen, was ja dann nicht funktioniert hat. Aber wie fühlt sich das für dich an, jetzt wieder so aktiv Teil und vor Publikum HEISSKALT zu sein?
Großartig, also ich habe das total vermisst und das ist voll der wichtige Teil von meinem Leben, und immer gewesen, und es fühlt sich jetzt anders an, es fühlt sich gesünder an und irgendwie mit nicht mehr ganz so viel unbewusster Identifikation mit dieser Sache. Aber ja, ich liebe das, ich brauche das voll und ich genieße es und es ist einfach wunderschön, vor so vielen Menschen stehen zu können, also egal wie viele das auch sind, und sich da die Seele aus dem Leib zu spielen und miteinander dann in diesen Emotionen zu sein und zu merken, wie viel Spaß die daran haben und wie gut uns das tut, das ist irgendwie was ganz ganz Gutes. Das fühlt sich richtig gut an.
Du sagtest gerade „unbewusste Identifikation“. Ist das etwas, bei dem du jetzt über die Zeit gelernt hast, davon ein bisschen Abstand zunehmen?
Wir sind da schon oder ich bin da ganz schön reingerasselt, ungebremst und ungeführt in unseren Zwanzigern. Da kommt plötzlich von allen Seiten so viel positives Feedback und alle finden es übelst geil – und dann gibt es Leute, die das nicht toll finden und so. Und das in diesem Wechselspiel, es hat mich ganz schön durcheinander gewirbelt und das merke ich schon, dass da jetzt ein bisschen mehr Ruhe in mir ist. Es geht ja um beides, sowohl irgendwie Lob und Begeisterung anzunehmen und dadurch nicht so einen Jesus-Komplex zu bekommen, als auch andersrum, wenn es jemandem nicht taugt zu denken, ja gut, passt, dann hört er eben was anderes, ist doch okay. Da ist auf jeden Fall sehr viel mehr Ruhe drin jetzt. Und eben das Wissen, dass ich das bin und sein kann und auch verkörpern muss, dass es gut funktioniert. Ich kann und will das auch gar nicht faken. Wir wollen nichts machen, was nicht real ist, was sich für uns nicht wirklich nach uns anfühlt. Aber das heißt noch lange nicht, dass das alles ist, was ich bin.
Rückblickend hatte ich das Gefühl, dass ihr von diesem Erfolg schier überrannt worden seid. Ihr habt eine Platte rausgebracht und dann wart ihr im Fernsehen, ihr habt Preise bekommen. Hat das große Erwartungen geweckt, bei euch oder auch bei eurem Umfeld?
Ich weiß vor allem, dass alles irgendwie nicht so lief, wie wir wollten, und dass Leute irgendwelche Sachen verkackt und es nicht gut gemacht haben. Recht hoher Frust die ganze Zeit, obwohl eigentlich so viele tolle Sachen passiert sind, viel Erschöpfung auch. Also ich würde sagen, ja, ich glaube wir wurden so ein bisschen überrannt von diesem, was du Erfolg nennst, von dieser Aufmerksamkeit eigentlich. Das macht ja auch einen Druck. Plötzlich ist das, was man tut, sichtbar. Und dann kommt irgendwie so eine Mischung aus diesem „Boah, ja, ich bin der Geilste, ich kann machen, was ich will und alle finden es geil“, aber auch so einer ganz großen Verunsicherung, „Okay, alle schauen mir zu.“ Und dann geht es ganz leicht, dass man wirklich plötzlich denkt, alle interessieren sich für einen, was ja totaler Mumpitz ist, weil wir sind ja nicht AC/DC. Ich kann ja überall auf der Straße rumlaufen und klar, ab und zu quatscht mich mal jemand an, aber im Großen und Ganzen kenn mich ja nicht jeder. Das war für uns alle psychisch total schwer zu integrieren. Und dann kam noch dazu, dass wir Schwierigkeiten hatten, davon zu leben. Das heißt, wir haben uns da wirklich komplett den Hintern aufgerissen. Und hatten dann doch am Ende immer ein bisschen zu wenig. Das war schon auch irgendwie ermüdend und frustrierend. Wir haben da viel Energie an den falschen Stellen verloren, die uns dann an den wichtigen Stellen gefehlt hat. Also spielen, unterwegs sein wollen, Songs schreiben und Musik machen, und eine gute Zeit haben. Da haben wir viel Energie verloren.
Das hat bestimmt auch zu Konflikten innerhalb der Band geführt, oder? Gerade wenn man davon leben will.
Ja, es gab ganz viele kleine und größere Konflikte, die wir da die ganze Zeit mitgeschleppt haben und irgendwie nicht so richtig klären konnten. Und das ist eine ganz ganz schlechte Mischung. Ich fand es gerade noch interessant, dass du das mit dem „davon leben können“ noch mal wiederholt hast. Vielleicht war das eine Erwartung, die wir hatten. Und vielleicht war das nicht so gesund, das von einem Bandprojekt zu erwarten, dass man wirklich davon leben kann. Da braucht man als Band auch ein eine gewisse Narrenfreiheit, um sich selber neu erfinden zu können. Das haben wir jetzt bei der Platte auch gemerkt, dass wir viele Sachen neu gedacht haben und Wege gegangen sind, die man sich erst mal trauen muss. Wenn du quasi im Hinterkopf hast, fuck, we need to sell this, dann traut man sich künstlerisch Sachen nicht mehr, die sich am Ende vielleicht sogar besser verkaufen würden, sondern man geht so auf Nummer sicher und fängt an, die Dinge irgendwie anders zu bewerten, vielleicht steckt es da mit drin.
Würdest du sagen, dass ihr diese Konflikte in der Zeit, als es HEISSKALT nicht aktiv gab, bereinigen konntet?
Ich habe auf jeden Fall das Gefühl, dass die Dinge sich bereinigt haben. Also wir haben in der Zeit, wo wir nicht gespielt haben, teilweise Kontakt gehabt und teilweise nicht. Phil, unser Gitarrist, war zwischenzeitlich auch ausgestiegen, mit dem war die Distanz ein bisschen größer. Marius, unser Drummer, und ich hatten eigentlich schon die meiste Zeit irgendwie noch Kontakt. Und viel haben wir einfach für uns selber bereinigt. Ganz viel von diesen Konflikten geht ja auch immer irgendwie auf das eigene Unvermögen zurück. Und alles was da sonst noch so war, da können wir jetzt leichter drüber sprechen.
Marius spielt ja auch noch bei BLACKOUT PROBLEMS und hat selber Musik gemacht. Phil und du, ihr habt euch auch sehr der Produzentenrolle gewidmet. Ihr lebt zudem in unterschiedlichen Ecken von Deutschlands. Wie ist konnte da überhaupt wieder ein HEISSKALT-Album entstehen? Das ist ja wahrscheinlich auch keine leichte logistische Aufgabe gewesen.
Ja, das war fürchterlich auf jeden Fall. Also so möchte ich das auch nicht noch mal machen. Ich hatte halt diese Songs geschrieben und irgendwann in dieser Pause habe ich Marius gefragt: „Machen wir das jetzt noch mal oder nicht? Ansonsten würde ich diese Songs nehmen und mir hier ein neues Projekt überlegen, ich habe keinen Bock mehr, hier so rumzusitzen.“ Wir waren so ein bisschen in einer Schockstarre. Als Phil ausgestiegen ist, wussten wir erst mal gar nicht wohin. Und als sich das gelegt hatte, habe ich ihn sozusagen vor die Wahl gestellt. Und er hat Bock gehabt und wir haben uns ein paar Mal getroffen und Drums zu meinen Demos aufgenommen und noch ein bisschen rumprobiert, und dann irgendwann ins Studio gegangen, zu zweit. Da haben wir Drums, Bass, Gitarre aufgenommen. Dann ist Phil aber wieder eingestiegen. Und wir haben die Gitarren einfach noch mal aufgenommen, alle. Dabei sind wir wirklich schon sehr ins Detail gegangen und haben uns sehr viel Zeit gelassen. Was halt wirklich nur geht, wenn man so Track-by-track aufnimmt. Bisher haben wir ja immer live aufgenommen. Dann kann man an einem Tag irgendwie drei Songs aufnehmen oder so. Und so haben wir eher an drei Tagen einen Song aufgenommen. Das war schon anstrengend, sehr sehr anstrengend. Aber man hört trotzdem auch in jeder Minute die Liebe, die da reingeflossen ist. Und irgendwie die Interaktion von Phil und mir, das hat tatsächlich auch gefehlt auf den ersten Aufnahmen, wo ich alle Gitarren gespielt habe und den Bass komplett. Das war so ein bisschen „Matze-Overload“. Und die Interaktion mit Phil hört man da so geil wieder, irgendwie brutzelt es wieder. Und schließlich habe ich die Vocals aufgenommen, auch größtenteils alleine. Immer morgens kurz ins Studio und mittags die Tochter abholen.
Was hat Phil dazu bewegt, wieder zurückzukommen?
Also einmal Bock. Es macht ja einfach richtig Bock, auf der Bühne zu stehen mit dieser Band. Und das kann man sich vielleicht ein bisschen ausreden, dass man das doch nicht mehr cool findet und so und irgendwie nicht mehr braucht und irgendwie was anderes will. Und dann ist es einfach total geil, weil wir voll gut zusammenspielen und die Energie toll ist und die Leute toll sind. Er hat auch andere Sachen gemacht und ich bin sicher, dass ihm das total viel Freude macht, aber es ist doch einfach immer noch mal was anderes mit einer Gitarre da zu stehen und irgendwie rumzusingen. Aber ansonsten glaube ich, dass wir da alle auch gewachsen sind, menschlich, in dieser Zwischenzeit und er das auch gemerkt hat, dass das passiert ist bei mir und bei Marius. Und andersrum, ich habe das auch gemerkt. Also ich hatte auch Phasen, in denen ich dachte, ich will es eigentlich noch mal probieren mit ihm, aber irgendwie will ich es auch nicht. Nicht so. Doch wenn Leute sich mal ein bisschen selbst reflektieren und mit sich selber beschäftigen, dann gehen plötzlich Sachen, die vorher gar nicht gingen.
Das war irgendwie Abfuck, alles scheiße. Leben blöd, Band blöd. Ich wünsche mir sehr, dass ich nie wieder mental und emotional in meinem Leben an einem Punkt sein werde, wo ich so ein Album wie „Idylle“ machen kann.
Interessant fand ich ja, dass das Album vom Titel sowie auch von den Songs und dem Sound her eher an eure ersten beiden Alben anknüpft als an „Idylle“.
„Idylle“ hat einen ganz anderen Gestus. Das hat mehr so eine Ironie und einen Sarkasmus und einen Zynismus. Und ich glaube, das ist eigentlich der Hauptunterschied, mal abgesehen von dem ganzen Instrumentalen. Wir wollten uns bei „Vom Tun und Lassen“ wieder mehr darauf besinnen, was diese Band eigentlich ausmacht, auf das, was wir besonders gut können, was die Songs sind, die uns im Nachhinein am meisten berühren und am meisten bedeuten. Dass wir durch diese verschiedenen Stimmungen durchführen können und verschnörkelte Songstrukturen haben, die trotzdem auch einfach sind und ganz verschiedene Emotionen ausdrücken können. Und das war auf „Idylle“ nicht so. Das war eine Krisenplatte. Das war irgendwie Abfuck, alles scheiße. Leben blöd, Band blöd. Ich wünsche mir sehr, dass ich nie wieder mental und emotional in meinem Leben an einem Punkt sein werde, wo ich so ein Album wie „Idylle“ machen kann. Das wäre ganz toll für mich. Aber trotzdem hat diese Platte natürlich ihren Wert und ihren Platz. Da sind richtig tolle Songs drauf und mit ein bisschen Abstand bettet die sich vielleicht irgendwie noch in den Kontext ein. Ich will das aber auch nicht alles ablehnen. Ich finde zum Beispiel auch, dass die neue Platte mehr nach unserer ersten EP klingt, auf der „Hallo“ und so drauf sind, irgendwie führt das schon auch alles irgendwie zusammen. „Idylle“ ist ganz vielen unterdrückten Gefühlen geprägt, von ganz viel unterdrückter Trauer über Dinge, die passiert sind. Und auch von Wut und Zorn. Aber das haben wir nicht so ausgedrückt, wie das für uns eigentlich üblich war. Viel Frust, ganz viel Selbstfrust und Selbstablehnung. Ein ganz ganz fieser Zustand war das.
Ist die Band jetzt wieder da oder werft ihr uns jetzt das Album hin, geht ein bisschen auf Tour und dann mal gucken, wie es weitergeht?
Wir gucken da gerade so von Sache zu Sache und machen das eine nach dem anderen und wenn sich was gut anfühlt, dann wiederholen wir das.
Das ist eine sehr gesunde Einstellung. Gerade vor dem Hintergrund, wo ihr mal wart.
Man kann doch im Supermarkt diesen Topf Basilikum kaufen und der geht einem ja irgendwie immer ein. Dann hat mir mal einer hier aus dem Haus erzählt, dass man den auseinander bröseln kann und wenn man die dann mit so ein bisschen mehr Platz dazwischen wieder einpflanzt, wird der riesig. Und vielleicht ist das ein bisschen eine Lehre, die wir auch gezogen haben, dass manchmal einfach nur so ein bisschen mehr Space zwischen den Sachen schon dazu führt, dass die von selber irgendwie ein bisschen eine Wirkung entfalten und man gar nicht die ganze Zeit ballern, ballern, ballern muss und planen und hier und das noch und das noch.
Dennis Müller