Monday Motivation #25
Die Sucht nach dem schnellen Like
Mein Blog und Social Media startete ich 2010, um unserer frisch gegründeten Beratungsfirma durch Content-Marketing zu mehr Bekanntheit zu verhelfen. So rationalisierte ich jedenfalls meinen eitlen Umgang mit den sozialen Medien.
Anfangs hatte ich Freude am Schreiben. Es half mir, meine Gedanken zu strukturieren. Je mehr Bestätigung ich aber erhielt, desto mehr Drang verspürte ich, Artikel zu veröffentlichen. Ich schrieb am Wochenende und teils auf dem iPhone, während ich wartete, bis unsere Kinder einschliefen.
Jeder neue Artikel war aufregend – weniger das Schreiben, sondern der Moment, als ich endlich auf »Veröffentlichen« klicken und dann die frohe Botschaft auf Twitter und LinkedIn verkünden konnte. Wie viele Likes, Retweets und Kommentare würde ich diesmal bekommen? Wie viele Seitenaufrufe? Wie viele neue Follower. Wie viele Abonnenten meines Newsletters? Ich hatte mir ein Kennzahlensystem meiner Eitelkeit geschaffen, das ich minütlich prüfen musste.
Zeitmanagement ist Schmerzmanagement. (Opens in a new window) Wie effektiv wir sind, hängt entscheidend davon ab, wie wir mit inneren Reizen und unangenehmen Gefühlen umgehen. Auf diese unbequeme Wahrheit stößt uns Nir Eyal in seinem Buch »Indistractable«. In 9 von 10 Fällen lenkt uns nicht die Mitteilung auf dem Smartphone ab, sondern wir uns selbst als Reaktion auf einen internen Auslöser wie Gefühle von Langeweile, Einsamkeit, fehlender Anerkennung.
Technologie bietet uns eine Fülle an einfach zugänglichen Verlockungen, mit denen wir unseren Schmerz kurzfristig dämpfen können. Gäbe es diese Technologien nicht, würden wir uns anders ablenken; im Extremfall mit Elektroschocks, wenn in einem leeren Raum sonst nichts verfügbar ist, wie eine in Science 2014 veröffentlichte Studie zeigte. Und ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als ich an meiner Dissertation schreiben sollte – selten war meine Wohnung sauberer und aufgeräumter. Hätte es damals schon Social Media gegeben, wer weiß, ob ich meine Promotion je beendet hätte.
Die unangenehmen Gefühle erfüllen eigentlich eine wichtige Funktion. Das Unbehagen soll uns motivieren, nach Neuem, Höherem und Besserem zu streben. Genau dafür hat uns die Evolution mit Dopamin ausgestattet. Und Social-Media ist der perfekte, dank Smartphone stets verfügbare, Dopamin-Snack. Dieser Mix aus Ablenkung und Anerkennung ist unwiderstehlich. Und so verpufft unser Antrieb im endlosen Scrollen oder Swipen. Oder meiner Sucht nach dem schnellen Like (Opens in a new window).
Für den klugen Umgang mit sozialen Medien schlägt Nir Eyal die »10-Minuten-Regel« vor. Wenn wir den Drang nach Ablenkung bemerken, gestatten wir uns die Erfüllung des Bedürfnisses, nur nicht sofort, sondern erst in zehn Minuten. Meist verfliegen die inneren Reize und Gefühle rasch und damit auch das Bedürfnis nach Ablenkung.
Starte fokussiert in die Woche!
Marcus
PS. Du darfst das trotzdem verbreiten und liken – ich kann damit umgehen 😉
Literatur
Eyal, N., & Li-Eyal, J. (2020). Indistractable: How to control your attention and choose your life. Bloomsbury Publishing.
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In meine Artikel (Opens in a new window) fließen seit 2010 viel Arbeit und Leidenschaft. Mein Blog und dieser Newsletter sind und bleiben ganz bewusst frei von Werbung, denn auf den Inhalt kommt es an. Aber Kosten entstehen dafür natürlich trotzdem. Wenn Dir meine Arbeit mehr wert ist als ein Like, kannst Du sie jetzt mit einem kleinen monatlichen Beitrag unterstützen.