Die Gefühle der Anderen sehen – und fotografieren
In meinem Fotonewsletter helfe ich dir, gute Fotos zu machen, auch wenn du glaubst, dass du nicht fotografieren kannst.
Zwischen den folgenden beiden Fotos liegen nicht mehr als zwei Minuten. An einem Samstag Spätnachmittag war ich aufgebrochen, um mit der Bahn quer durch Berlin zu fahren – in der Hoffnung, ein paar gute Bilder mit nach Hause zu bringen.
Am Potsdamer Platz, einem teuer sanierten Ort, an dem Touristen vor dem Stadthintergrund Selfies aufnahmen und fein gekleidete Berliner:innen Kaffee an Hotelbars schlürften, während angestrengt guckende Kofferträger aneinander vorbei Voraussetzungendrängelten, kramte ich meine alte, verkratzte Kamera aus dem Rucksack.
Wenn ich an mit Menschen überfüllten Plätzen wie diesem fotografiere, schalte ich innerlich ab. Ich entspanne mich und lasse die vielen Sinneseindrücke an mir vorbeiziehen, um dann, wenn ich ein Bild „sehe“, abzudrücken. Und manchmal achte ich auf nur eine Sache, die ich dir gleich verraten werde.
Keine 20 Minuten später sah ich zwei Menschen aufeinander zulaufen, lugte durch das Sucherfenster und nahm die Szene auf, als sich die beiden innig und herzlich umarmten. „Ogott ist das schön“, dachte ich und spazierte weiter.
Ein paar Schritte weiter sah ich, wie ein Pärchen, so vermutete ich, einen emotionalen Moment erlebte. Eine weiblich gelesene Person und ein Mensch in Schwarz standen sich gegenüber – und sie streichelte ihrem Gegenüber die Wangen. Ich legte die Kamera an und löste aus.
Das fotografische Prinzip: Beim Fotografieren aufmerksam werden – für die Emotionen anderer
Wenn du mit der Kamera unterwegs bist und Menschen fotografieren willst, achtest du auf bestimmte Dinge. Viele Fotograf:innen konzentrieren sich auf interessante Hintergründe, den Lichteinfall oder – wie auch ich – auf Kleidung. Alte Hüte, lange Mäntel oder sogar auf ausgefallene Frisuren sind gute Voraussetzungen für eine spannende Szene.
Doch all das kann einem schnell zu viel werden. Wie soll man all das im Hinterkopf behalten und dann noch „richtigen Moment“ die Aufnahme machen? Mein Tipp:
Versuche beim nächsten Mal all das zu vergessen und dich nur auf den menschlichen Ausdruck von Gefühlen einzustellen.
Auch, wenn Bedauern, Furcht oder Hass in der Öffentlichkeit seltener gezeigt wird, findest du auf der Straße alle Emotionen, die Menschen empfinden können.
Natürlich musst dabei aufpassen, Menschen nicht in ungünstigen Momenten abzulichten. Eine Person, die alleine in einer Ecke steht und dabei weint, würde ich auf keinen Fall fotografieren.
Aber auch darum geht es: Empfindsam werden für die Gefühle anderer Menschen – und bereit sein, ein Foto zu machen. Auch, wenn du manchmal nicht abdrückst: Dein Auge wird geschult.
Mitglieder lesen hier noch drei hilfreiche Tipps, um Emotionen zu fotografieren – und sehen ein Foto, auf dem eine kleine Geste das ganze Bild macht.
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