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„Alles gut“ dank Social Media – Wie soziale Medien den Dialekt ins Aussterben schicken

NIX IST „ALLES GUT!!1!!! Warum unsere Sprache durch Influencer-Floskeln immer mehr zur Einheitssoße wird und Österreich bald ohne „Oida“ und „Pfiat di“ dasteht.

Vom Wiener Schmäh zum Einheitsbrei: „Jo eh“ und „Passt scho“ weichen dem absurden „Alles gut“

Früher bedeuteten „Jo eh“ und „Passt scho“ so viel mehr als nur eine schnelle Antwort. Diese Floskeln waren das Rückgrat des österreichischen Dialekts und standen für eine entspannte Einstellung, die irgendwo zwischen Akzeptanz und einem Augenzwinkern lag. Heute ist das alles egal, denn jetzt regiert „Alles gut“ – als Antwort auf absolut alles.

Stellt euch vor, jemand liegt mit einem offenen Beinbruch am Boden und auf die Frage „Wie geht’s?“ kommt: „Alles gut.“

Es klingt absurd, aber so ist es nun einmal. Der Koffer ist auf dem Flughafen verloren gegangen? „Ach, alles gut.“ Der Kuchen ist beim Backen komplett verbrannt? „Alles gut.“ Fast schon grotesk, wie diese Floskel uns weismachen will, dass sich Probleme im Handumdrehen lösen lassen – wie ein Pflaster, das auf alles passt, auch wenn die Wunde blutet.

Die absurd universelle Antwort: „Alles gut“ als Floskel für jeden Anlass

„Alles gut“ ist inzwischen so universell, dass es fast schon lächerlich wirkt. Nehmen wir ein weiteres Beispiel: Jemand fällt mit einem gewaltigen Knall vom Rad und schürft sich die halbe Seite auf. Die Reaktion? „Alles gut.“ Man möchte doch gerne wissen: Ist wirklich alles gut? Aber diese neue Standardantwort, die durch TikTok und Instagram fleißig verbreitet wird, soll das gar nicht erst zulassen. Stattdessen wird es wie ein Totschlag-Argument gegen jede echte Emotion verwendet.

Das Auto hat einen Motorschaden und bleibt mitten auf der Autobahn stehen? „Alles gut.“ Man steht an der Supermarktkasse, die Karte ist gesperrt und hinter einem scharrt eine lange Schlange mit den Füßen? „Alles gut.“ Diese Floskel ist ein Schutzschild geworden – allerdings eines, das genau nichts schützt.

Social Media und der Trend zu sprachlicher Gleichgültigkeit: Wie Influencer „Alles gut“ salonfähig machen

„Alles gut“ ist in den sozialen Medien so beliebt wie die Hashtags unter den Influencer-Posts. Wenn die Beziehung gerade in die Brüche gegangen ist, die Lieblingspflanze den Geist aufgegeben hat oder der Hamster ins ewige Hamsterrad gehüpft ist – was hört man? „Aber hey, alles gut.“ Instagram-Stories und TikTok-Videos bieten diese gebügelte, geschönte Welt, in der jedes Drama mit einem lässigen „Alles gut“ abgewiegelt wird.

Influencer beherrschen diese Kunst: Egal, wie schlimm es läuft, am Ende klingt doch alles nach Sonnenschein und Glitzerfiltern. Und wer glaubt das nicht auch? Die Fans scrollen durch ihre Feeds und übernehmen das „Alles gut“ in ihren Alltag, als ob es der Schlüssel zu einer gelassenen Lebenseinstellung wäre. Doch was bleibt am Ende, wenn der Dialekt seine eigenen Floskeln verliert und „Alles gut“ wie ein Parasit alles andere verdrängt?

Von echter Emotionalität zur Mauer aus „Alles gut“

Noch vor ein paar Jahren hätte jemand vielleicht „Heast, des is feig!“ gesagt, wenn das Leben mal wieder heftig zuschlägt. Heute? Ein ausdrucksloses „Alles gut.“ Kein Schmäh mehr, kein „Bist du deppat!“ wenn etwas völlig aus dem Ruder läuft. Stattdessen ein stupides, abweisendes „Alles gut“, das verhindert, dass man überhaupt über seine Gefühle spricht.

Die Dialektfloskeln waren rau, ehrlich und boten Platz für echte Emotionen. Doch im Schatten von Social Media wird das als negativ empfunden.

Ob der Keller nach einem Wasserrohrbruch unter Wasser steht oder das Konto ins Minus gerutscht ist, mit einem „Alles gut“ kann man sich alles schönreden – zumindest oberflächlich. Die Frage ist nur: Wollen wir wirklich so sein? Nein, SO SIND WIR NICHT!

Der Dialekt verblasst unter der Social Media-Sonne: Warum „Oida“ und „Heast“ auf der Strecke bleiben

Wie herrlich wäre es doch, wenn man noch immer „Oida“ sagen könnte, in all seinen vielfältigen Bedeutungen. „Oida, des gibt's jo ned!“ – Begeisterung, Überraschung oder auch ein Ausdruck von Ärger, alles verpackt in einem einzigen, allumfassenden Wort. Früher hätte man für etwas richtig Begeisterndes ein kräftiges „Geil“ rausgehauen, oder nach einem guten Konzert festgestellt: „Des wor vui leiwand!“ Heute? Ein armseliges „Alles gut“ und fertig.

Selbst „Heast“ – dieser wuchtige Aufmerksamkeitsmacher – wird verdrängt. Statt „Heast, kumm schau da des an!“ bleibt nur noch ein „Wow“ oder „Krass“. Und das herrlich bodenständige „Bist du deppat!“ verschwindet zugunsten eines emotionslosen „Wahnsinn“. Wer früher „Schmäh geführt“ hat, braucht das heute nicht mehr – Social Media ist schon schmähfrei und aalglatt. Und zum Abschied? „Pfiat di“ weicht einem uninspirierten „Ciao“ oder „Bye“.

Vielleicht hat unser Dialekt bald nur noch in alten Geschichten überlebt. Während Influencer uns immer wieder „Alles gut“ servieren, geht die Sprache, die uns als Österreicher so einzigartig macht, verloren. Wer will denn wirklich in einer Welt leben, in der alles gleich glattgebügelt und gleichgeschaltet ist? Wo bleibt da die „Gaude“? Hoffentlich erkennen wir bald wieder den Wert von Worten wie „Oida“ und „Heast“ und lassen nicht zu, dass das „Alles gut“ uns am Ende auch noch den letzten Rest Dialekt raubt.

https://www.youtube.com/watch?v=iuXR53ex4iI (Opens in a new window)

Und dann ist da natürlich noch das Herzstück unserer Dialektliebe: die vielen bunten, einzigartigen Wörter, die jedes Gespräch ein bisschen schärfer, saftiger und „leiwander“ machen.

Und „leiwand“? Ein Konzert, das „voll leiwand“ ist, ist nicht einfach nur cool – es hat die Wellenlänge, die Stimmung und die Seele, die sich so gar nicht durch ein deutsches „cool“ ersetzen lässt. Dazu passt auch „Heast“, wenn man jemanden heranwinkt und ihn auf ein kleines Wunder aufmerksam macht: „Heast, kumm schau da des an!“

Was ist mit „Bist du deppat“? Das ist Österreich pur, wenn etwas derart unglaublich ist, dass einem fast die Worte fehlen. Da braucht man keine langweiligen Superlative – ein „Bist du deppat!“ sagt alles. Und der „Schmäh“? Der steht für die Kunst, charmant durch Reden, Lachen und Augenzwinkern ein wenig Unfug zu betreiben.

Wer in Österreich lebt, kennt den „Schmäh“ – und wer ihn führt, weiß genau, wie man jemanden mit einem gut platzierten „Heast, wos host’n jetz wieder vur?“ um den Finger wickelt.

Am Ende, wenn man sich verabschiedet, sagt man nicht einfach „Tschüss“, sondern „Pfiat di“. Es ist ein bisschen „leiwander“, ein bisschen herzlicher. Weil wir in Österreich eben gerne eine „Gaude“ haben, die aus dem echten Leben kommt und nicht aus der glattpolierten Social-Media-Welt. Selbst wenn jemand mal ein bisschen „deppert“ ist, steckt auch da Liebe drin: „So a depperter Hund!“ – liebevoller Spott, der zu uns gehört wie der Dialekt selbst.

Und genau darum geht’s: Ein echter Austausch voller „Schmäh“, „Gaude“ und „leiwander“ Ausdrücke ist so viel mehr als ein simples „Alles guuut“. Es ist ein Lebensgefühl, ein Stück Kultur, das uns zu dem macht, was wir sind. Bleiben wir also dabei, unseren Dialekt zu lieben und zu leben – er hat’s verdient.

Und wie hat dir dieser Artikel gefallen?

Jo eh, alles gut. 😉

Bilder im Artikel: NICHT ALLES GUT! Dies sind keine leiwanden, geilen Bilder. Alles FAKES, alles KI, jo bist du deppert, Oids!1!!!

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