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HYPERTEXT #22 - Rage against the machine learning

Liebe Mäuse, Katzen und körperlose Entitäten im Cyberspace,

wir schreiben das Ende des Septembers, das (hoffentliche) Ende der Hitzewellen, das Quartal der Cozyness, die Kalenderwochen des Teekochens und des Teetassen-überall-vergessen-auszutrinken. Wir treten ein in die Zeit der hotten Übergangsjacken, können wieder Taylor Swifts Evermore und Folklore hören und die Wahlberechtigten in Österreich begehen am 29.09. ihr nervenaufreibendes demokratisches Herbstritual. Als Jemand von 1,5 Millionen Menschen, die in Österreich zwar wohnen, Steuern zahlen und am alltäglichen Leben teilnehmen, aber nicht wählen dürfen, bitte ich euch, die dieses Recht haben, davon gebrauch zu machen!

Ich (*mit den flachen Händen auf die Oberschenkel hauend*): So!

Nachdem das vom Tisch ist: herzlich willkommen zu HYPERTEXT! Diese Ausgabe ist kein Monatsrückblick geworden, sondern ein kleiner Text zum Thema KI-Hype. Ich hoffe, ihr habt Freude daran.

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Aber genug davon, wir gehen rein!

Rage against the machine learning - was mich am KI-Hype nervt

Ich sag wie es ist: ich bin genervt vom KI-Hype. Wer meine Arbeit die letzten Jahre verfolgt hat, weiß, dass ich mich seit 2017 mal mehr mal weniger intensiv mit den Entwicklungen im Bereich Machine und Deep Learning beschäftige. Dabei versuche ich herauszufinden, wie diese Technologie meine Arbeit als Autor und unser alltägliches Leben beeinflusst. Aus diesem Grund werde ich immer mal wieder gebeten, wie z.B. diesen Monat gleich zweimal, zu diesen Themen im Rahmen von Vorträgen oder Workshops zu sprechen. Das freut und ehrt mich natürlich. Denn schließlich liebe ich Technologie. Ich bin auf dem Land großgeworden. Der Computer und das Internet waren für mich die Rettungsleinen aus einem Umfeld, das zu gleichen Teilen aus Idylle und Langeweile bestand.

Hätte mir damals wer erzählt, dass ein großer Teil von dem, was ich aus SciFi-Romanen kannte, Realität werde sollte, hätte ich überrascht mein Nokia 3310 fallen lassen und mir den Fuß gebrochen. Leistbares kabelloses Internet, Smartphones und beim Einkaufen elektronisch bezahlen, indem man sein Handy, seine Uhr oder einen Ring (?!) vor das Display hält?! WAS FÜR EINE GOTTLOSE ZAUBEREREI IST DAS BITTE!? Es konnte also nicht lange dauern, bis die großen Technikkonzerne Maschinen entwickelten, die uns all die lästigen Haushaltsaufgaben abnehmen würden. Immerhin spielte Bladerunner (Orig. Do Androids Dream of Electric Sheep?) im Jahr 2019!

Ich hockend neben einem alten Bildschirm mit einer Pflanze und einem Pikachu darauf

Foto: Petra Weixelbraun

Fast 20 Jahre später ist es soweit: endlich gibt es sie, die KI. Künstliche Intelligenz, die so gefährlich ist, dass Sam Altman von OpenAI fast wöchentlich davor warnen muss, dass sie bald zu mächtig ist. Und ich denke mir: wenn das wirklich so gefährlich ist, warum zum Teufel baust du dann daran weiter?! Und gleichzeitig leben wir nicht einmal ansatzweise in der Zukunft, von der ich als Teenager geträumt habe. Noch immer müssen Menschen extrem stupide oder körperlich belastende Arbeiten verrichten und noch immer muss ich für meine digitale Behörden-App ein Passwort mit der Post anfordern als wäre es 1870.

Und trotzdem sind so viele Menschen überzeugt, das KI die Zukunft ist. Immer wieder lese ich Kommentare auf Social Media (ja meine eigene Schuld, i know), in denen Menschen behaupten in 5 Jahren hat ChatGPT ein Bewusstsein. Irgendwann stößt man dann auf ihn. Es ist immer ein Er. Auf jemanden mit "AI Art Director 🤖🎨" in der Bio. Jemand der er es nach 300 Anläufen mit Tree-of-Thought-Prompting geschafft hat, dass auf dem Bild von seiner Sexy-Ninja-Lady auf einem Sportwagen, die mit einem T-Rex kämpft, nicht sofort zu erkennen ist, dass jede Hand 17 Finger hat.

Das Schlimmste ist: bis zu einem gewissen Grad verstehe ich die Techbros mit ihren NFT-Affenbild-Portfolios sogar. Auch sie haben wahrscheinlich als Kinder und Jugendliche Douglas Adams gelesen, Star Wars geschaut und davon geträumt wie die Zukunft wird. Und genau das nutzen Unternehmen schamlos aus. Jedes Tool wirbt mittlerweile mit einem KI-Feature. Adobe, Microsoft Office, Samsung, ja sogar Zahnbürsten werden mittlerweile mit dem Label KI bestückt. Investor:innen investieren kaum noch, wenn das Produkt nicht zumindest einen kleinen Chatbot oder ein Textgenerierungstool hat. Infolgedessen taucht überall in der Konsumlandschaft der Begriff KI auf und wir bekommen das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn wir nicht alle möglichst schnell auf den fahrenden Zug des Fortschritts aufspringen. Auf Seiten wie theresanaiforthat.com (Opens in a new window) gibt es täglich neue Tools, unter huggingface.co/models (Opens in a new window) findet man über eine Million (!) KI Models für die unterschiedlichsten Anwendungsfelder und auf promptbase.com (Opens in a new window) kann man - und ich denke mir das nicht aus - Prompts für ChatGPT und Midjourney kaufen.

Screenshot von der Seite Promptbase auf der man Prompts kaufen kann (jesus)

Die meisten Tools, die "jetzt auch eine KI" haben, sind meistens nur Interfaces für ChatGPT oder ein anderes LLM (=Large Language Model). Es ist oft nicht einmal ganz ersichtlich, wie der neue AI-Assistant einen Mehrwert birgt. Sobald es doch eine Sinnvolle Anwedung zu sein scheint, kommt man schnell drauf, dass es nur funktioniert, wenn man ein Abo über 400$ im Monat abschließt oder Datenschutz und Urheberr:innenrecht komplett ignoriert.

Zur gleichen Zeit verschlingt die KI-Industrie absurde Mengen Ressourcen. 43,5 Millionen Liter Trinkwasser hat das Training von GPT 3.5 verschlungen - Prost, mein kleiner Durstcomputer. Nicht zu vergessen sei auch das Thema Clickworking. ChatGPT hat keine Moral und dennoch weigert sich das Programm eine Anleitung zum Bombenbau vorzulegen. Das liegt daran, dass zu diesem Zweck Menschen die schädlichen Inhalte herausfiltern müssen. Diese Menschen sitzen in den meisten Fällen in Ländern, in denen eine Arbeitsstunde unter einem Euro kostet.

Und dann bleibt da noch die große Frage: nehmen uns Roboter und KI eigentlich die Arbeitsplätze weg? Die Antwort ist: jein. Es gibt Jobs, die definitiv gefährdet sind, Übersetzer:innen beispielsweise. Aber für Berufe, die ebenfalls mit Text oder Bild arbeiten wird es hauptsächlich viel schwieriger zu rechtfertigen, warum für eine Arbeit von Menschen, die Jahre oder Jahrzehnte ein Handwerk gelernt haben besser ist, als ein durchschnittliches Produkt, was ein KI-Programm ausgespuckt hat.

Das alles und noch viel mehr nervt mich an dem KI-Hype. Und das ist vielleicht ein guter Zeitpunkt, sich daran zu erinnern, dass Bladerunner eine Dystopie war.

Demnächst geht es für mich mit meinem Studium der Digital Humanities an der Uni Wien weiter und ich werde hier öfter mal über solche Themen sprechen. Wenn euch das gefallen hat, erzählt gern von diesem Newsletter!

Bis zum nächsten Mal

GaLieGrü und BiBa

P.S.: Der Titel des Newsletters hieß erst slightly anders, aber da die tolle Francesca Herr mit mir heut im Zug saß, hat sie mich auf diesen Titel gebracht, danke und LieGrü falls du liest!

Tweet von @AlexBlechmann
Sci-Fi Author: In my book I invented the Torment Nexus as a cuationary tale.

Tech Company: At long last, we have created the Torment Nexus from classic sci-fi novel Don't create The Torment Nexus

Weiterführendes

Zu einer sehr ähnliche Ansicht zum Thema KI und Big Tech kommt auch Comdian und Autor Adam Conover in seinem Podcast Factually!, wo er u.a. mit Brian Merchant, dem Autor von "Blood in the Machine: The Origins of the Rebellion Against Big Tech (Opens in a new window)" spricht: Zum Video (Opens in a new window)

Zum Thema Datenschutz und KI sagt auch Meridith Whittaker sehr kluge Dinge, wie z.B.:

I think we need to back up a little bit and ask what we mean by 'AI'. Because if we look at the history of artificial intelligence we'll recognize that it's more of a marketing term.

Zum Video (Opens in a new window)

Kommende Auftritte

Demnächst bin ich wieder auf Bühnen unterwegs! Kommt doch sehr gern mal vorbei!

02.10.2024 Poetry Slam zum Thema KI (Frankfurt am Main) (Opens in a new window)

09.10.2024 Nordbahnslam (Wien) (Opens in a new window)

12.10.2024 Dead or Alive Poetry Slam (Frankfurt a.d. Oder) (Opens in a new window)

17.-20.10.2024 Ö-Slam: Österreichische Meisterschaften im Poetry Slam (Graz) (Opens in a new window)

26.10.2024 10 Jahre Fomp (Wien) (Opens in a new window)

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