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Good evening, Europe!

Ich bin tatsächlich am Sonntag in Rotterdam angekommen, um wie in den letzten normalen Jahren die Assistenz von Peter Urban beim Eurovision Song Contest zu machen. Die ganze Veranstaltung findet unter einem komplexen Hygiene- und Sicherheitskonzept statt, was bedeutet, dass wir außer Hotel und Halle ungefähr nichts von der Stadt sehen dürfen, aber erstens finde ich, nach einem Jahr, wo Profifußball oft der einzige Quell von Freude (Ich gucke in Deine Richtung, VfL Bochum, nicht in Deine, Borussia Mönchengladbach!) und die einzige Konstante war, kann ich auch mal für eine Woche unter ähnlichen Einschränkungen arbeiten wie die Fußballspieler und Vereinsoffiziellen die ganze Zeit, und zweitens findet der ESC ja zum Glück in einem Land statt, in dem ich eigentlich eh mindestens einmal im Jahr bin, von daher ist es nicht so dramatisch, wie wenn ich zum Beispiel in Lissabon nicht rausgedurft hätte.

Gestern waren die ersten Durchlaufproben fürs erste Halbfinale und am Abend saßen tatsächlich ein paar Tausend (getestete) Menschen in der Ahoy-Arena und jubelten, als die Eurovisionsfanfare erklang. Das war einerseits ein toller, erhebender Moment, andererseits habe ich schon gemerkt, wie schwierig der Weg zurück zur Normalität werden wird — ich war nämlich früher in Gegenwart solcher Menschenmassen deutlich entspannter.

Peter wird die Sendungen auf eigenen Wunsch von Hamburg aus kommentieren, aber ich bin mir sicher, das kriegen wir jetzt auch noch hin!

Schaltet also unbedingt ein:

Dienstag, 18. Mai, 21 Uhr: Erstes Halbfinale auf One (bzw. live in der ARD-Mediathek (Opens in a new window), wenn Ihr den Sender bis dahin nicht gefunden haben solltet)

Donnerstag, 20. Mai, 21 Uhr: Zweites Halbfinale auf One (bzw. wieder in der Mediathek)

Samstag, 22. Mai, 20.15 Uhr: Die große Pre-Show im Ersten, ab 21 Uhr dann das Finale, live aus Rotterdam

Einen Blick ein Stück weit hinter die Kulissen werfe ich natürlich wieder bei Instagram (Opens in a new window) und Twitter (Opens in a new window).

In other news: Ich habe vor drei Wochen meine erste Impfdosis (Opens in a new window) bekommen.

Die Menschen, die im Bochumer Impfzentrum arbeiten, waren allesamt sehr freundlich und hilfsbereit und in einer Mehrzweckhalle, in der alles gebrandet, genauestens ausgeschildert und mit Messebauwänden vollgestellt ist, kam bei mir schnell ein wenig ESC-Feeling auf.

Während ich sonst gerne wegschaue, wenn mir fremde Menschen Kanülen in den Arm rammen (oh Gott, das klingt jetzt, als würde ich mir selber Kanülen in den Arm rammen und dann hinsehen!), war es mir diesmal sehr wichtig, ganz genau hinzusehen, wie die Nadel durch die Haut ging. Und obwohl ich in meinem Alltag nie ein signifikantes Infektionsrisiko vermutet hatte und obwohl ich natürlich weiß, dass eine einzelne Impfung, noch dazu im allerersten Moment, keine besondere Wirkung hat, war ich doch überrascht, wie erleichtert ich war, als das Zeugs in meinem Körper drin war (in meiner Erinnerung sieht die Impfung jetzt schon aus wie die Szene in „X-Men: Erste Entscheidung“, in der sich Nicholas Hoult das Serum injiziert und anschließend zu Beast mutiert).

Jedenfalls wünsche ich Euch wirklich aus tiefstem Herzen, dass Ihr und Eure Lieben ganz bald auch an der Reihe seid, und wir diesen ganzen Bums dann bald hinter uns lassen und beim Smalltalk über andere Themen reden können. (Oder halt auch gerne: Gar keinen Smalltalk mehr führen.)

Eine weitere gute Nachricht: Am letzten Dienstag ist „Ohne Rücksicht auf Verluste“ (Opens in a new window) erschienen, das Buch, das Mats Schönauer und Moritz Tschermak vom BILDblog über die „Bild“-Zeitung und ihren amtierenden Chefredakteur Julian Reichelt geschrieben haben. Streng genommen ist es natürlich keine gute Nachricht, dass man sich im Jahr 2021 immer noch mit diesem bösartigen Boulevardblatt und seinen Machenschaften herumschlagen muss, aber das Buch ist ja dafür da, um Aufklärung und Gegenargumente zu liefern und beispielsweise mit dem Mythos aufzuräumen, „wenigstens der Sportteil“ sei doch gut.

Ich habe das Buch schon vorab gelesen und halte es für sehr gut und wichtig, musste allerdings doch zwischendurch mal rausgehen und tief durchatmen, weil bei der Lektüre wieder hochkam, wie verzerrend, Agenda-getrieben oder schlichtweg falsch die Berichterstattung von „Bild“ ist, und ich mich daran erinnerte, dass ich die Leitung des BILDblogs vor allem deshalb aufgegeben hatte, weil die tägliche Auseinandersetzung mit diesem Medium meine geistige Gesundheit gefährdete.

Und noch was: Ben Folds hat jetzt auch einen eigenen Podcast. In Anlehnung an sein sehr gutes Memoir „A Dream About Lightning Bugs“ (s.a. Newsletter #52 (Opens in a new window)) heißt der schlicht „Lightning Bugs“ (Opens in a new window) und wie im Buch, so geht es dort auch um Kreativität, wie sie entsteht, wie man sie nutzen kann und ähnliches.

In den ersten Folgen waren u.a. der Anthropologe Agustín Fuentes, die Autorin Marianne Williamson und die Musiktherapeutin Maegan Morrow zu Gast, von denen ich ehrlich gesagt noch nie gehört hatte, aber es war wahnsinnig lehrreich, unterhaltsam und inspirierend, ihnen im Gespräch mit Ben zuzuhören und ganz neue Gedanken in mein Leben und mein eigenes Schaffen mitnehmen zu können.

Was macht der Garten? Die ersten Salatköpfe können bald schon geerntet werden, die ersten Erdbeeren wahrscheinlich auch, und weil es ja immer wieder regnet, muss meine Nachbarin dieses Jahr vermutlich gar nicht mit der Gießkanne hantieren, während ich beim ESC bin.

Was hast Du gehört? Wie alle anderen auch habe ich natürlich das Album der Stunde gehört: „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ (Antilopen Geldwäsche; Spotify (Opens in a new window), Apple Music (Opens in a new window)) von Danger Dan. Die augenzwinkernden Songs sind nicht so meins, aber die aufrichtigen, traurigen zählen mit zum Besten, was ich je in deutscher Sprache gehört habe. Falls dieses Jahr noch ein Lied rauskommen sollte, das besser ist als „Eine gute Nachricht“, müsste das ein verdammtes Meisterwerk für alle Ewigkeit sein, denn das ist „Eine gute Nachricht“ auch:

https://www.youtube.com/watch?v=kjIL4lysSRk (Opens in a new window)

Was hast Du gesehen? Auf Amazon Prime gibt es die Dokumentation „Schwarze Adler“ (Opens in a new window) über People of Color im deutschen Fußball. Dort erzählen dann z.B. Erwin Kostedde, die erste Person of Color, die in der deutschen Nationalmannschaft gespielt hat, Jimmy Hartwig, Gerald Asamoah, Steffi Jones und Shary Reeves von ihren Erfahrungen und es ist bedrückend. Alte Ausschnitte aus „Sportschau“ und „Aktuellem Sportstudio“, die in der Doku zu sehen sind, sind extrem verstörend, besonders, wenn der unverhohlene, gut gelaunte Alltagsrassismus der Bonner Republik wie im Fall von Beverly Ranger auch noch um unverhohlenen, gut gelaunten Alltagssexismus ergänzt wird. Für einen kurzen Moment will man sich freuen, dass wir wenigstens diese allerschlimmste Phase überwunden haben, aber dann erzählt Jordan Torunarigha von Hertha BSC, dessen Vater Ojokojo nach dem Mauerfall der erste afrikanische Profi in Ostdeutschland war, von seinen eigenen Erfahrungen (Opens in a new window) beim letztjährigen Pokalspiel in Gelsenkirchen und man sieht sofort: Es ist immer noch ein weiter Weg!

Auf YouTube gibt es die Sendung „Zwischen Deinen Zeilen“ (Opens in a new window), in denen Bernd „Schwachi“ Bachran deutsche Musiker*innen zu ausgewählten Texten ihres Schaffens befragt — das könnte man natürlich auch als Podcast machen, aber es ist interessant zu sehen, dass so ein Format auch als Fernsehesendung funktionieren würde, wenn Fernsehsender denn den Mut aufbringen würden, so etwas zu senden. Ich habe die Folgen mit Thees Uhlmann (Opens in a new window) und Marcus Wiebusch (Opens in a new window) von kettcar gesehen und obwohl ich ja nun wirklich intensiv mit dem Werk der beiden vertraut bin, habe ich noch neue Sachen erfahren können.

Nachdem mir ungefähr alle Menschen, deren Urteil ich vertraue, von der Ausgabe „Chéz Krömer“ mit Torsten Sträter vorgeschwärmt hatten, habe ich sie mir auch mal angeschaut (Opens in a new window). Ich hatte die Sendung sonst noch nicht gesehen, von daher kann ich nicht beurteilen, wie sie sonst ist und wie weit diese Ausgabe vom sonstigen Konzept und Format abweicht, aber hier unterhalten sich Kurt Krömer und Torsten Sträter rund eine halbe Stunde über ihre Erfahrungen mit Depressionen und es ist so berührend und echt, wie man es niemals erzwingen könnte. Und zwischendurch trotzdem so lustig, wie man es bei einem Aufeinandertreffen zweier Komiker erwarten würde.

Was hast Du gelesen? 1959 starb eine Gruppe junger sowjetischer Student*innen bei einer Skiwanderung durch den Ural. Weil die Situation, in der ihre Leichen gefunden wurden, gelinde gesagt bizarr war (die meisten Opfer hatten schwerste innere Verletzungen, zwei Männer lagen in Unterwäsche neben einem Lagerfeuerplatz, einige Gegenstände wiesen eine hohe atomare Strahlung auf) rankten sich diverse Mythen und Verschwörungstheorien um den Fall. Douglas Preston hat einige davon für den „New Yorker“ zusammengefasst (Opens in a new window) und kann auch die Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung erklären, die für alles eine rationale Erklärung hat. Eine Reportage wie eine Folge „Akte X“!

Was hast Du gelernt? Man sollte niemals, wirklich: niemals, in die Papiermülltonne vor der eigenen Haustür klettern, um die ganzen Kartons, die die Nachbar*innen dort reingestopft haben, zusammenzustampfen. Man kippt doch deutlich zu schnell um und kann sich böse wehtun!

Habt eine schöne Woche!

Herzliche Grüße, Euer Lukas

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