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remember // resist // represent

Drei Worte. Ein schöner Dreiklang. Eine schöne Alliteration. Was wollen diese drei Worte von mir, von Theaterschaffenden? Was bedeuten sie? Sind sie im Theater überhaupt am richtigen Platz? Theater und Theaterschaffende erzählen sich und denen, die zuhören, gerne die Geschichte, dass das Theater ein Ort des Erinnerns, des Widerstands und der kritischen Reflexion der Gegenwart ist und schon immer war. Theater wird dabei als Repräsentant des Guten und des politisch Richtigen erzählt. Diese Erzählung bekommt nicht erst dann Risse, wenn man sich anschaut, wie mit Fällen von Machtmissbrauch, mit der Auswahl von Stücken und der Auswahl von Regisseurin*nen oder eben in den meisten Fällen Regisseuren umgegangen wird. Diese Erzählung ist grundlegend in Frage zu stellen. Die Theaterlandschaft, wie wir sie in Deutschland kennen und offensichtlich auch in Teilen schätzen gelernt haben, sonst würden wir uns nicht in dem Berufsfeld der Dramaturgie bewegen, geht zurück auf die Gleichschaltung der Theater in der NS-Zeit, in der der Berufszweig Dramaturgie seine Macht gewonnen hat. Dramaturgie als diejenigen, die darauf zu achten hatten, dass das Theater regimetreu bleibt, im Spielplan, beim Ensemble und bei der Einladung von Regisseurin*nen. Wenn Theater und die Dramaturgie Remember und Resist ernst nehmen wollen oder als Forderungen verstehen, müssten sie also an dem Abbau dieser Positionen oder mindestens der Chefdramaturgie arbeiten. Sie müssten beginnen, sich und die Art, wie sie ihre Spielpläne gestalten, grundlegend zu befragen und dies auch offensiv nach außen zu tragen. Remember, resist und represent sind politische Forderungen. Politisch in dem Sinne, dass sie zur Handlung und zur Praxis aufrufen. Vor allem remember und resist finden sich im Kern vieler progressiver Kämpfe. „Nie wieder ist jetzt“, „Kein Vergeben, kein Vergessen“, „Ni una menos“, „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“, „Stonewall was a riot“ und vielen weiteren. Sie schöpfen aus der Analyse der Vergangenheit und der Gegenwart ihre Kraft für und die Notwendigkeit nach gesellschaftlichem Wandel. Sie lassen sich für die Verteidigung ihrer Werte beschimpfen, verspotten und schlagen. Wie zuletzt bei der Demonstration gegen den AfD-Parteitag in Riesa. Sie machen ein Angebot für eine solidarische Zukunft, in der Ausgrenzung, Diskriminierung, Ungerechtigkeiten und Hass keinen Platz haben. Aber was genau machen da die Theater? Was genau machen da Dramaturgin*nen? Theater zeigen sich nur selten wirklich offensiv als Widerstandskämpferin*nen. Widerstand entsteht bei Theaterinstitutionen offensichtlich häufig aus der Angst heraus, dass ihre Mittel gekürzt werden. Was Theater sich aber nach wie vor selten trauen, ist, sich offensiv für eine andere Art des Leitens, des Theatermachens einzusetzen. Eine gute Dramaturgie müsste sich fragen: Wie schaffen wir es, ein Umfeld für Theaterschaffende zu schaffen, in dem die meisten nicht in Prekarität arbeiten müssen und es einige wenige Gewinnerin*nen gibt, sondern von der Position der Sicherheit aus Theater gemacht wird, das an einer anderen Gesellschaft arbeitet. Theater könnten damit beginnen, sich selbst umzubauen und nicht versuchen, nur den Status quo behalten zu wollen. Sich nicht von der Politik verwirren zu lassen, sondern an einem Theater zu arbeiten, das sich immer auch ein bisschen selbst herausfordert, wie es Heiner Müller im Bezug auf seine Texte beschrieb. Ein Anfang dafür wäre, die Strukturen der Dramaturgie in den Stadt- und Staatstheatern stärker herauszufordern. Braucht es diese überhaupt in der jetzigen Form noch? Was bedeutet ihr Gate-Keeping für die Weiterentwicklung des Theaters als Form? Bräuchte es nicht vielleicht eine hierarchiebefragende Dramaturgie, die ins Haus geholt wird und dafür festangestellte Regisseurin*nen? Oder Dramaturgie- und Regie- und Bühnenbild-Teams auf den jetzigen Dramaturgie-Fluren der Theater? Nur dann können Theater auch ernsthaft Repräsentanten für eine gerechtere und gleichere Gesellschaft werden und in der Befragung der gegenwärtigen Gesellschaft ernst genommen werden. Denn dann wäre die Antwort auf erstarkende faschistische Bewegungen nicht Strauß und Wagner auf den Spielplänen oder "Kleiner Mann, was nun?" als verkürzte Faschismusanalyse. Sondern ein Theater, das an Formen forscht und Texte inszeniert, die das Sprechen unterbrechen, die Geschichten der Gegenwart herausfordern und nach einem anderen Miteinander fragen.

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