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Ein Plan für das Jahr

Was lässt sich gegen das Gefühl ständiger Erschöpfung unternehmen? Über Kurskorrekturen, einen Schreibworkshop und das Einplanen freier Zeit 

Dear all,

das vergangene Jahr hörte für mich mit dem Versuch auf, mich ein wenig zu sortieren. Ich wollte mein Leben etwas ordnen und mich bewusster den Verdrängungen und Verschiebungen der Trauer und eines Arbeitsalltags stellen, der sich immer mehr wie ein nicht enden wollender Marathon anfühlte. Natürlich kann man nie in einem vollumfänglichen Sinne „zu sich finden“, von Momenten während des Meditierens und langer Urlaube am Meer oder in den Bergen abgesehen. Aber man kann zumindest gewisse Grundlagen dafür legen. Ich glaube, man sollte immer wieder versuchen, die richtige Richtung einzuschlagen, den Kurs des Lebens ein wenig zu korrigieren und herauszufinden, was man selbst wirklich möchte, wie man sich wirklich fühlt. Ich weiß, dass das nicht allen Menschen so geht, doch mir fällt das schwer. Es wäre falsch zu sagen, dass es nur beim besagten Versuch geblieben ist, aber so etwas wie innere Ruhe habe ich nicht gefunden. Aber ich habe den Gefühl, so etwas wie den Grundstein für eine Kurskorrektur gelegt zu haben.

Im Anschluss an den Workshop habe ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Jahresplan erstellt, in dem ich mehrere Wochen und sogar einen ganzen Monat markiert habe, in denen ich keine Termine annehmen, nicht arbeiten und mir wirklich frei nehmen werde. Ich weiß nicht, warum ich mir das früher nie getraut habe. Warum ich immer dachte, so etwas könne ich mir nicht leisten. 

Das neue Jahr hat für mich mit einem viertägigen Schreibworkshop angefangen, den ich in Zusammenarbeit mit dem Salonfestival gegeben habe, im Hilla, einem sehr schönen, abgelegenen Hotel in der Nähe von Kassel. Ich habe den Kurs so konzipiert, dass die Teilnehmenden gewissermaßen zur inneren Kraft finden, die ihnen beim Schreiben hilft, und zu jenen Fragen vorzudringen, die halb verdrängt im Hinterkopf auf uns warten. Schreiben ist immer ein Prozess, der uns zu den Dingen führt, denen wir ausweichen wollen. Und es gerät vor allem dann ins Stocken, wenn wir Angst vor diesen Dingen haben. Zu beobachten, wie sich die Teilnehmenden öffneten, sich zeigten und sich der manchmal überaus schweren Suche nach diesen eigentlichen Fragen stellten, war eine bewegende Erfahrung. Zwischen unseren Sitzungen sind wir durch den Wald gestreift, haben zusammen gegessen und neue Texte geschrieben. Schon nach der ersten Sitzung war so viel freundschaftliches Wohlwollen zu spüren – und die entstandenen Texte, die die Teilnehmenden vorstellten, waren oft zutiefst beeindruckend. Am Ende des Workshops, der nicht der letzte bleiben wird, hatte ich die Teilnehmenden sehr ins Herz geschlossen und das Gefühl, selbst viel von ihnen gelernt zu haben.

Während des Workshops habe ich etwa verstanden, dass ich mir mehr Raum zum Schreiben nehmen muss und dass das Schreiben eine jener Arten von Selbstfürsorge für mich ist, die im vergangen, so bewegten und traurigen Jahr wie andere Arten der Selbstfürsorge auch zu kurz kam. Ich habe verstanden, dass ich etwas ändern, dass ich besser auf mich achtgeben muss, um wirklich weiterschreiben zu können. Im Anschluss an den Workshop habe ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Jahresplan erstellt, in dem ich mehrere Wochen und sogar einen ganzen Monat markiert habe, in denen ich keine Termine annehmen, nicht arbeiten und mir wirklich frei nehmen werde. Ich weiß nicht, warum ich mir das früher nie getraut habe. Warum ich immer dachte, so etwas könne ich mir nicht leisten. Außerdem habe ich mir einen Plan für das weitere Schreiben an dem neuen Buch gemacht, das seit einiger Zeit Gestalt annimmt und im November dieses Jahres erscheinen wird. Doch das ist eine andere Geschichte.

Natürlich werden Pläne immer umgeworfen. Selten tritt etwas so ein, wie man es sich vorstellt. Aber wenn man diese Pläne wie ein lockeres Gewand trägt, können sie einem eine gewisse innere Ruhe schenken – und das Risiko mindern, dass es zu Jahren kommt, in denen man sich über die eigenen Grenzen hinaus verausgabt und immer wieder denkt, dass so nicht mehr lange weitergehen kann.

Im Zuge dieser Jahresplanung habe ich auch die Taktung von „Dear Daniel“ überdacht. Der Newsletter bedeutet mir so viel und noch mehr bedeuten mir Eure Fragen und Eure Reaktionen auf die Texte. Aber jede Woche einen neuen Text für „Dear Daniel“ zu schreiben, gibt ein Arbeitspensum vor, das Teil jener Erschöpfung war, die ich die vergangenen Monate gespürt habe. Daher werdet Ihr ab jetzt nicht mehr wöchentlich, sondern alle zwei Wochen von mir hören. „Dear Daniel“ wird weiterhin kostenlos sein, und wie gewohnt, wird sich weiterhin jeder vierte Beitrag an die Abonnent*innen richten, die den Newsletter finanziell unterstützen und ihn so erst ermöglichen. Die Entscheidung wurde mir etwas erleichtert, weil einige von euch geschrieben haben, dass das wöchentliche Lesepensum sie überfordert. Aber ich kann nachvollziehen, wenn andere von euch trotzdem enttäuscht sind. Ich hoffe es natürlich, dass das nicht der Fall sein wird, und schreibe an dieser Stelle wahrscheinlich auch gegen meine mit meinem Pflichtbewusstsein verbundenen Schuldgefühle an. Aber ich glaube, dass ich euch auf diese Weise bessere und tiefergehende Texte schicken und den Newsletter auch für die nächsten Jahre gut in mein Leben integrieren kann.

Vielleicht habt ihr Eure Jahresplanung für Eure freie Zeit schon abgeschlossen, vielleicht seid ihr noch dabei, vielleicht schiebt ihr sie noch vor euch her oder habt gar nicht vor, eine zu machen. Ich persönlich kann sie empfehlen. Natürlich werden Pläne immer umgeworfen. Selten tritt etwas so ein, wie man es sich vorstellt. Aber wenn man diese Pläne wie ein lockeres Gewand trägt, können sie einem eine gewisse innere Ruhe schenken – und das Risiko mindern, dass es zu Jahren kommt, in denen man sich über die eigenen Grenzen hinaus verausgabt und immer wieder denkt, dass so nicht mehr lange weitergehen kann. Ich bin immer noch recht weit davon entfernt, mich wirklich sortiert oder mein Leben geordnet zu haben. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Und das ist schonmal was.

Habt’s gut und passt auf euch auf und bis zum übernächsten Sonntag!

Daniel

P.S. Nicht, um dafür zu werben, sondern um eventuellen Rückfragen zuvorzukommen: Die Infos zu weiteren Schreibworkshops findet ihr auf der Seite des Salonfestivals (https://salonfestival.de)

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