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Im Oktopusgarten: Geniale Meeresbewohner im Fadenkreuz der Industrie

Kraken stellen alles auf den Kopf, was wir ĂŒber Meeresbewohner zu wissen glaubten. Ihre Arme denken selbststĂ€ndig, sie planen mit Kokosnussschalen fĂŒr die Zukunft und entkommen aus Aquarien wie Houdinis. Doch was bedeutet es, wenn die erste kommerzielle Oktopusfarm RealitĂ€t wird? Diese Reise fĂŒhrt uns tief in die verborgene Welt der Kraken, von ihrer meisterhaften Tarnung bis zu ihrer außergewöhnlichen Brutpflege. Wir erforschen ihre einzigartige Biologie und suchen nach Antworten auf die Frage, wie weit wir in der Nutzung von Tieren gehen wollen.

Bevor es losgeht: Ab sofort gibt’s einmal im Monat die Gartensprechstunde! Ihr stellt eure Fragen rund um Garten, Balkon & Fensterbrett, ich sammle sie und beantworte die wichtigsten in einer separaten Ausgabe. Los geht’s: Welche Gartenfragen habt ihr allgemein/fĂŒr den Februar? Hier geht’s lang:

Der Plan klingt nach einer dystopischen Zukunftsvision: Tausende Oktopoden, dicht an dicht in Betonbecken, gezĂŒchtet fĂŒr den menschlichen Verzehr. Ein Leben in Monotonie, ohne Verstecke, ohne Stimulation, ohne den Ozean, ohne Freiheit. Doch genau das plant die erste kommerzielle Oktopusfarm der Welt, die auf Gran Canaria entstehen soll – und genau dagegen regt sich massiver Widerstand.

Kraken, Oktopoden, Kalmare: Wer ist wer?

Bevor wir tiefer einsteigen, lass uns kurz klĂ€ren, wovon wir eigentlich reden, wenn wir „Kraken“ sagen. Oft nutzen wir Wörter wie „Krake“, „Oktopus“ oder auch den lateinischen Oberbegriff „Octopus“ durcheinander – und werfen manchmal Kalmare oder Sepien gleich mit in den Topf. GrundsĂ€tzlich gehören alle diese Tiere zur Klasse der KopffĂŒĂŸer (Cephalopoda) im Stamm der Weichtiere (Mollusca). Zu den Weichtieren zĂ€hlen ĂŒbrigens auch Muscheln und Schnecken. Der Unterschied:

  • Oktopoden (Octopoda): Achtarmige KopffĂŒĂŸer, dazu gehören die typischen Kraken, etwa der Gemeine Krake (Octopus vulgaris).

  • Kalmare (Teuthida): Zehnarmige KopffĂŒĂŸer (acht kĂŒrzere Arme + zwei lĂ€ngere Fangtentakel). Sie haben oft einen lĂ€nglicheren Körper, zwei seitliche Flossen und sind suuuperschnelle Schwimmer.

  • Sepien (oder Tintenfische im weiteren Sinne, z. B. Sepia officinalis): Ebenfalls zehnarmig und mit einem internen Kalkskelett, dem sogenannten Schulp.

All diese Tiere leben im Meer – je nach Art von flachen KĂŒstengewĂ€ssern bis in die tiefe Tiefsee. Die Oktopoden (um die es hier hauptsĂ€chlich geht) sind in der Regel EinzelgĂ€nger, lieben versteckte Höhlen und gelten als besonders intelligent. Wenn wir also im Folgenden von „Kraken“ oder „Oktopoden“ sprechen, meinen wir vor allem diese achtarmigen Weichtiere – nicht Kalmare oder Sepien.

Weißt du, was ich schon immer seltsam finde? Den Begriff „MeeresfrĂŒchte“. Das sind ja keine Äpfel oder Bananen. Auch Oktopoden werden darunter verkauft – dabei sind sie alles andere als Obst. Sie sind intelligente, neugierige Wesen mit außergewöhnlichen FĂ€higkeiten: Ihre Arme denken eigenstĂ€ndig, sie nutzen Werkzeuge, sie entkommen aus Aquarien, als wĂŒssten sie genau, dass sie gefangen sind. Trotzdem sollen sie nun in Massen gezĂŒchtet werden – ein Vorhaben, das nicht nur ethisch fragwĂŒrdig ist, sondern auch an biologischen RealitĂ€ten scheitern könnte.

Tiere mit Bewusstsein?

Die Debatte um Oktopusfarmen ist Teil einer grĂ¶ĂŸeren Entwicklung. Immer mehr LĂ€nder erkennen an, dass auch einige wirbellose Tiere Schmerz und Leid empfinden können. In Großbritannien wurden Oktopoden 2021 offiziell als fĂŒhlende Wesen anerkannt und in den Animal Welfare (Sentience) Act aufgenommen, gemeinsam mit Krabben und Hummern. Grundlage war eine umfassende Untersuchung der London School of Economics, in der ĂŒber 300 wissenschaftliche Studien zu KopffĂŒĂŸern ausgewertet wurden. Fazit: Ihr Verhalten legt nahe, dass sie ihre Umgebung bewusst wahrnehmen und darĂŒber nachdenken können.

Warum also der Plan, sie industriell zu zĂŒchten? Die Nachfrage nach Krakenfleisch steigt, vor allem in SĂŒdeuropa und Asien. Doch der Wildfang gilt als nicht nachhaltig, die BestĂ€nde schrumpfen. Eine Farm könnte die Lösung sein – wenn es sich dabei nicht um ein Tier handeln wĂŒrde, das wie kaum ein anderes fĂŒr ein Leben in Gefangenschaft ungeeignet ist. Denn erstens sind Kraken meistens EinzelgĂ€nger. Sie leben nicht gern in Gruppen, sie bauen ihre eigenen Höhlen, sie verstecken sich. In der Natur fĂŒhren sie ein komplexes Leben mit unzĂ€hligen Sinnesreizen, Jagdverhalten und Tarnung. Das alles fehlt ihnen in der sterilen Farmumgebung. Und dann ist da noch die Fortpflanzung: Die meisten Arten sterben direkt nach der Eiablage – ein biologisches Hindernis fĂŒr jede nachhaltige Zucht.

Versuche, Kraken zu domestizieren, gibt es schon lange. Aber sie sind keine Lachse oder HĂŒhner. Sie wachsen zwar schnell, dafĂŒr aber ungleichmĂ€ĂŸig. Sie sind hoch territorial, fressen ihre Artgenossen – und brauchen zudem hochspezialisierte ErnĂ€hrung. Damit klarer wird, wieso so ein Vorhaben mehr als kompliziert ist, gehen wir jetzt mal ins Detail.

Die Genies der Meere: Intelligenz und Verhalten

Ein Oktopus steckt einen Arm in eine enge Glasröhre. Sekunden spĂ€ter windet sich ein anderer Arm um das Ende der Röhre und tastet gezielt nach der Öffnung – obwohl das Gehirn des Tieres diesen Arm nicht aktiv steuert. Ein anderer Krake bricht aus einem Aquarium aus, klettert ĂŒber den Boden, öffnet einen Deckel, gelangt in ein Nachbarbecken voller Krebse, frisst sich satt und kehrt dann in sein eigenes Becken zurĂŒck. So etwas klingt wie ein Trickfilm, ist aber in Laboren und Aquarien tatsĂ€chlich schon mehrfach beobachtet worden. Kraken gehören zu den intelligentesten wirbellosen Tieren, und ihr Nervensystem funktioniert völlig anders als alles, was wir von Wirbeltieren kennen. Komm mit auf einen echt wilden Trip durch die Biologie dieser Tiere:

Denken mit den Armen

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Topic Natur, Ökologie & Co.

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