Wie die Periode das Gehirn verändert
Jeden Freitag erzähle ich dir von Erkenntnissen aus Neurowissenschaft und Psychologie, die du kennen solltest. Heute: was während der Periode im Gehirn passiert.
Für mich ist es nur schwer vorstellbar. Wie es ist, einmal im Monat Heißhungerattacken zu haben, oder die sogenannte Periodengrippe, Stimmungsschwankungen und Schmerzen zu spüren, gegen die man in einigen Fällen nicht so richtig viel tun kann.
Die meisten Frauen erleben im Laufe von 30 bis 40 Jahren fast 450 Menstruationszyklen (Opens in a new window).
Wer sich schon mal mit geschlechtersensibler Forschung beschäftigt hat, dürfte nicht davon überrascht sein, dass man heute, im Jahr 2024, erstaunlich wenig darüber weiß, was genau eigentlich im Gehirn passiert, wenn Frauen ihre Periode haben. Tatsächlich wurde die Menstruation jahrzehntelang nicht ausreichend erforscht (Opens in a new window). In den letzten Jahren haben aber immer mehr Wissenschaftler:innen begonnen, das zu ändern. Heute geht es darum, was sie bereits herausgefunden haben – und was nicht.
(Übrigens: Ich schreibe von „Frauen“ und nicht beispielsweise von „Menschen, die menstruieren“, weil die Studien, die ich dazu gefunden habe, diese Unterscheidung nicht machen und es deshalb keine Erkenntnisse dazu gibt.)
Ein kleiner Reminder für alle mitlesenden Männer
Ich gebe zu: Irgendwann in der achten Klasse oder so habe ich sicherlich mal gelernt, was genau im Körper passiert während der Periode. Aber wie wahrscheinlich die allermeisten Männer habe ich mich seitdem sehr selten mit den genauen Abläufen beschäftigt. Deshalb hier ein für mich und alle, denen es genauso geht, ein kurzer Schwenk:
Ein Menstruationszyklus (Opens in a new window) wiederholt sich alle 25 bis 30 Tage (dass er immer 28 Tage dauern würde, war ein Mythos (Opens in a new window), der sich lange gehalten hat) und beginnt mit einer „Periode“ oder der Ablösung der Gebärmutterschleimhaut. Der Spiegel der weiblichen Sexualhormone im Blut ist zu Beginn des Zyklus am niedrigsten, steigt dann aber in den nächsten Wochen steil an. Zunächst steigt der Östrogenspiegel an und signalisiert der Gebärmutterschleimhaut, dass sie wächst. Dann sinkt der Östrogenspiegel, um ein Ei aus dem Eierstock freizusetzen (das markiert die Mitte des Zyklus). Danach steigt der Spiegel der Hormone Progesteron und Östrogen für etwa sieben Tage wieder an, um die Gebärmutterschleimhaut auf die mögliche Befruchtung der Eizelle vorzubereiten. Kommt es nicht zu einer Schwangerschaft, sinken sowohl der Östrogen- als auch der Progesteronspiegel wieder ab und die Regelblutung setzt ein.
Übrigens: Auch andere Hormone wie Testosteron und Cortisol unterliegen einem Zyklus, einem täglichen, der vor dem Morgengrauen ansteigt und am Abend wieder abfällt (Opens in a new window). Diese täglichen Rhythmen treten bei beiden Geschlechtern auf (Opens in a new window).
Diese Wissenschaftlerin hat ihr eigenes Gehirn untersuchen lassen
Dass Teile des Gehirns auf die weiblichen Sexualhormone reagieren, wurde erstmals vor fast drei Jahrzehnten entdeckt. Im Jahr 1990 entdeckte die Neurobiologin Catherine Woolley zufällig, dass Östrogen die Dichte der dendritischen Stacheln im Hippocampus von Rattengehirnen reguliert (Opens in a new window). Die Entdeckung löste Skepsis aus, damals ging man davon aus, dass Östrogene ausschließlich Fortpflanzungshormone sind und sich nicht auf kognitive Gehirnregionen wie den Hippocampus auswirken.
Ob dieses Hormon auch die Struktur des menschlichen weiblichen Gehirns verändern kann, blieb aber zunächst unklar.
Die Forschung ging weiter, konzentrierte sich aber vor allem auf Momentaufnahmen der Gehirne von Freiwilligen zu einem einzigen Zeitpunkt. Die Wissenschaftler:innen wollten aber wissen, ob sich die Gehirne erwachsener Frauen während des monatlichen Anstiegs und Falls der Sexualhormone verändern.
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Die Datenlage war schlecht. Dies veranlasste eine Wissenschaftlerin, ihr eigenes Gehirn (Opens in a new window) im Jahr 2020 einen ganzen Monat lang alle 24 Stunden scannen zu lassen. Anhand der 30 Scans des Gehirns dieser einen Frau wurde herausgefunden, dass Sexualhormone auch beim Menschen den Hippocampus umgestalten und die Verbindungen des Gehirns neu organisieren. Es war blieb aber unklar, wie schnell die Hormonwellen während des Menstruationszyklus dies bewirken konnten.
Um diese Frage zu klären, haben Wissenschaftler:innen in Leipzig und Santa Barbara unabhängig voneinander die Gehirne von mehr als 50 Frauen zu verschiedenen Zeitpunkten ihres Menstruationszyklus für zwei voneinander unabhängige Studien gescannt.
Wenn der Östrogenspiegel steigt, wird der Hippocampus größer
In der ersten Studie, die in der Fachzeitschrift Nature Mental Health veröffentlicht wurde (Opens in a new window), verwendete das Team aus Leipzip um die Neurowissenschaftler Julia Sacher, Ultraschall, um den genauen Zeitpunkt des Eisprungs bei 27 weiblichen Freiwilligen zu bestimmen. Auf diese Weise konnten sie den Probandinnen zu sechs genauen Zeitpunkten während ihres Menstruationszyklus Blutproben entnehmen, die mit dem Eisprung und dem Hormonspiegel im Blut in Verbindung gebracht wurden. Dann scannten sie die Gehirne dieser 27 Frauen zu sechs bestimmten Zeitpunkten mit einem leistungsfähigen MRT.
Durch den Einsatz dieses leistungsfähigeren MRT konnte Sachers Team Bilder des lebenden Gehirns mit einer so hohen Auflösung aufnehmen, wie es bisher nur möglich war, wenn das Gehirn bei einer Obduktion direkt aufgeschnitten wurde.
Das Team konnte eine genaue Abfolge von Veränderungen in verschiedenen Regionen des Hippocampus beobachten, die sich im Rhythmus des Menstruationszyklus veränderten:
Die äußere Schicht des Hippocampus wurde dicker und die graue Substanz vergrößerte sich bei steigendem Östrogenspiegel und sinkendem Progesteronspiegel. Wenn jedoch der Progesteronspiegel anstieg, vergrößerte sich die am Gedächtnis beteiligte Schicht.
In einer anderen Studie (Opens in a new window) wurden die Gehirne von 30 Freiwilligen während des Eisprungs, der Menstruation und der Zeit dazwischen untersucht. Diese Studie ergab, dass nicht nur die Dicke der grauen Substanz, sondern auch die strukturellen Eigenschaften der weißen Substanz unter dem Einfluss der Hormone schwankten.
Zusammengefasst: Das Ansteigen und Abfallen der Sexualhormone während des Menstruationszyklus hat Einfluss auf Regionen des Gehirns, die Emotionen, unser Gedächtnis, unser Verhalten und die Effizienz der Informationsübertragung steuern.
Eine unfassbar niedrige Zahl
Soweit der Forschungsstand. Vielleicht bist du jetzt unzufrieden. Ich jedenfalls bin es. Und das hat einen Grund:
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