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Macht Sport uns schlauer?

Jeden Freitag erzähle ich dir von Erkenntnissen aus Neurowissenschaft und Psychologie, die du kennen solltest. Heute: über die Auswirkungen von Bewegung auf unsere kognitiven Fähigkeiten

Ich starte ja selten überschwänglich mit einer Sensations-Meldung, aber diesmal muss ich es tun: Wissenschaftler:innen haben es tatsächlich geschafft, eine Pille zu entwickeln, die man nur ein paar Mal pro Woche nehmen muss und die geradezu absurde Wirkungen hat: Sie verringert das Risiko, an Demenz zu erkranken, sie verbessert das Gedächtnis, die kognitiven Fähigkeiten, das Wohlbefinden, die Stimmung. Und sie verringert die Symptome bei Depression und anderen psychischen Erkrankungen. Und, halt dich fest, sie ist nicht mal teuer. Sie kostet praktisch nichts.

Ich trau mich gar nicht zu fragen, aber: Würdest du sie nehmen?

Okay, das ist eine Fangfrage, wer würde da nein antworten? Es gibt so ein Mittel tatsächlich, es ist nur (leider) keine Pille. Ich rede natürlich von Bewegung bzw. Sport.

Die Wissenschaft hat in den letzten Jahren immer wieder gezeigt: Sport macht uns nicht nur fitter, sondern auch klüger. Aber wie genau funktioniert das? Das nehme ich heute Stück für Stück auseinander. Und weil die Auswirkungen von Sport so vielfältig sind, teile ich sie auf. Fangen wir an mit unseren kognitiven Fähigkeiten, unserem Gedächtnis und der Frage, wie viel Sport es denn sein muss.

Wer sich bewegt, denkt besser

Dass Bewegung und unsere Denkfähigkeiten eng miteinander zusammenhängen, ist eine vergleichsweise neue Erkenntnis aus der Hirnforschung. Lange haben wir Stille mit Beständigkeit, Ernsthaftigkeit und Fleiß assoziiert. Wir glaubten, dass es etwas Tugendhaftes hat, den Bewegungsdrang zu kontrollieren. Wer ein Kind als „Zappelphilipp“ bezeichnet, lobt es damit nicht. Wer denken will, muss stillsitzen – so die Annahme, die allerdings nicht stimmt.

Ein Beispiel: Für eine 2018 veröffentlichte Studie (Opens in a new window) baten Wissenschaftler:innen die Teilnehmer:innen, eine Reihe von Matheaufgaben im Kopf zu lösen, während sie entweder still standen, entspannt blieben, sich aber nicht wesentlich bewegten, oder sich leicht in einem rhythmischen Muster bewegten. Die ganze Zeit über wurde die kognitive Belastung der Teilnehmer:innen mit einer Gehirnscanning-Technologie (fNIRS) gemessen.

Die Ergebnisse: Die kognitive Belastung der Proband:innen nahm unter der Anweisung „nicht bewegen“ erheblich zu. Der Befehl stillzuhalten, steigerte die Hirnaktivität in demselben Bereich wie die Matheaufgaben: dem präfrontalen Kortex, der für die Ausführung intellektueller Aufgaben wie Rechnen und für die Kontrolle unserer Impulse zuständig ist. Von den drei Bedingungen führte die Aufforderung stillzuhalten zu den schlechtesten Leistungen.

Ein anderes Beispiel: Diese Studie (Opens in a new window) untersuchte den Effekt von körperlicher Bewegung auf die Aufmerksamkeitsprozesse bei Personen mit ADHS im Vergleich zu einer Kontrollgruppe. Die Teilnehmer:innen führten einen kontinuierlichen Aufmerksamkeitstest (den Conners Continuous Auditory Test of Attention) durch, einmal im Sitzen und einmal während sie auf einem Laufband gingen. Das Ergebnis: Die ADHS-Gruppe zeigte während des Gehens eine signifikant schnellere Reaktionszeit und weniger Auslassungsfehler im Vergleich zur sitzenden Position.

Sport wirkt sich auch langfristig auf unser Denken aus

Aber: Wir denken nicht nur besser, während wir uns bewegen. Sport wirkt sich auch auf unsere kognitiven Fähigkeiten aus, nachdem wir uns bewegt haben.

In einer Studie ließen Wissenschaftler:innen ihre Teilnehmer:innen zwölf Wochen lang regelmäßig auf einem Laufband trainieren. Das Ergebnis: Das semantische Gedächtnis, das Fakten und Wortbedeutungen beheimatet, verbesserte sich. In einer anderen Studie fuhren Senior:innen lediglich 30 Minuten auf einem Heimtrainer und wurden anschließend in einen MRT-Gehirnscanner geschoben (du weißt schon, diese Röhre). Dort wurden ihnen Namen gezeigt (ebenfalls Teil des semantischen Gedächtnisses). Nach dem Training konnten sie die Namen schneller identifizieren als zuvor.

Bleibt die Frage, was dahinter steckt. Warum verbessert es unsere kognitiven Fähigkeiten, wenn wir Sport treiben? Drei Prozesse spielen eine große Rolle:

1. Neurogenese – ein Gehirn, das wächst

Klingt irgendwie nach Science-Fiction, oder? Aber das ist Realität. Neurogenese beschreibt die Bildung neuer Nervenzellen, und das passiert tatsächlich in deinem Gehirn, wenn du dich bewegst. Besonders im Hippocampus, der wichtig für unser Gedächtnis und fürs Lernen ist. Stell dir das so vor: Jeder Schritt, den du machst, ist wie ein kleiner Funke, der neue Nervenzellen entzündet. Ein besonders hilfreicher Begleiter in diesem Prozess ist das Protein BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor), das bei Bewegung ausgeschüttet wird und für das Wachstum und die Regeneration der Zellen sorgt.

2. Eine ordentliche Portion Sauerstoff fürs Gehirn

Bei jeder Bewegung wird das Gehirn mit frischem Sauerstoff durchflutet. Das macht nicht nur wacher. Regelmäßige Bewegung führt durch den Sauerstoff auch dazu, dass das Gehirn effizienter arbeiten kann. Wenn du also das nächste Mal vor einem schwierigen Projekt stehst oder ein kreatives Tief durchmachst, schnapp dir deine Laufschuhe und lass dein Gehirn mittrainieren.

3. Plastizität – wie Gehirnyoga für mehr Flexibilität

Eines der faszinierendsten Phänomene, das Sport auslöst, ist die sogenannte Neuroplastizität, die hier immer wieder Thema ist. Sie beschreibt die Fähigkeit des Gehirns, sich neu zu organisieren und flexibel zu bleiben. Sport aktiviert diesen Prozess. Wenn du also regelmäßig trainierst, hilfst du deinem Gehirn, neue Verbindungen zwischen Nervenzellen zu schaffen. Dein Gehirn wird elastischer und passt sich besser an neue Herausforderungen an. Diese Flexibilität sorgt dafür, dass du schneller auf Veränderungen reagieren und besser lernen kannst.

Wie viel Sport muss es denn jetzt sein?

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